Zeitarbeit zum Niedriglohntarif

Es fördert die Ausweitung Niedriglöhnen und setzt das Lohnniveau insgesamt unter Druck, stellt das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen fest.

Die Zeitarbeit boomt zurzeit in Deutschland: 2006 waren bundesweit 600.000 Zeitarbeitskräfte beschäftigt und damit fast doppelt so viele wie im Jahr 2003. Für dieses Jahr erwarten Branchenkenner weitere 20 Prozent Jobwachstum.

Verursacher ist nur zum Teil der Konjunkturaufschwung. Ein weiterer Grund ist, dass die Politik vor drei Jahren Schleusen geöffnet hat mit der Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Es fördert die Ausweitung Niedriglöhnen und setzt das Lohnniveau insgesamt unter Druck, stellt das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen fest.

„Es ist ein altbekanntes Phänomen, dass Zeitarbeit bei einem Konjunkturaufschwung besonders stark wächst. Die enormen Zuwächse in der letzten Zeit dürften aber auch damit zusammenhängen, dass die Tariflöhne in der Zeitarbeit deutlich unter denen der betroffenen Branchen liegen, in denen Zeitarbeit traditionell stark genutzt wird“, ermittelte Dr. Claudia Weinkopf, Leiterin der Abteilung Flexibilität und Sicherheit am IAQ.

So liegen die tariflichen Einstiegslöhne in der Zeitarbeit in Westdeutschland bei rund 7 Euro brutto pro Stunde, und ein Tarifvertrag erlaubt in den ersten Monaten Lohnabschläge um bis zu 9,5 Prozent, während z.B. in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden für eine Hilfskraft im Lagerbereich mindestens 10,70 Euro bezahlt werden müssen – also gut 50 Prozent mehr. Obwohl die Zeitarbeitsunternehmen natürlich für die Bereitstellung von Personal Zuschläge auf die Stundenlöhne erheben, sind Zeitarbeitskräfte für die Unternehmen dadurch z.T. erheblich günstiger als eigenes Personal.

Im Gegenzug für die Lockerung zahlreicher Beschränkungen der Zeitarbeit ist im Gesetz eigentlich vorgesehen, dass Zeitarbeitskräfte genauso viel verdienen müssen wie vergleichbare Beschäftigte in den Einsatzunternehmen – es sei denn, es wird ein für die Zeitarbeit gültiger Tarifvertrag angewandt. Diese Ausnahmeklausel hat dazu geführt, dass seit 2003 diverse Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche abgeschlossen wurden und sich nunmehr fast alle Zeitarbeitsunternehmen an einem dieser Tarifverträge orientieren. Die Ausnahme ist also zur Regel geworden. „Damit geraten Entlohnung und Arbeitsbedingungen auch bei anderen Arbeitsverhältnissen in anderen Branchen unter Druck“, so Weinkopf.

Verstärkt wird dies dadurch, dass Zeitarbeitskräfte in Deutschland jetzt – anders als in den meisten anderen Ländern – ohne jede zeitliche Befristung in einem Betrieb eingesetzt werden dürfen. „In Kombination mit der niedrigen Entlohnung erhöht dies die Anreize, verstärkt auf Zeitarbeitskräfte zurück zu greifen“, so Weinkopf. Und manche Unternehmen gehen sogar noch weiter: Sie gründen selbst Tochterunternehmen, in denen die niedrigen Zeitarbeitstarife angewendet werden können, ohne dass Zuschläge an ein Zeitarbeitsunternehmen gezahlt werden müssen. Solche Tendenzen sind nicht nur in der Privatwirtschaft, z.B. an Flughäfen oder in der Automobilbranche, zu beobachten, sondern auch im Bereich der Kommunen und in kirchlichen Pflegeeinrichtungen.

Branchenübliche Standards können dadurch auf Dauer unterlaufen werden. Zusätzliche Beschäftigung entsteht hingegen nicht, denn in solchen Fällen werden reguläre Arbeitsplätze in Zeitarbeitsplätze umgewandelt. Dies ist, wie auch die Bundesregierung selbst betont, nach geltendem Recht nicht verboten, wirft aber nach Einschätzung des IAQ die Frage auf, ob die Politik bei der Lockerung der Zeitarbeitsregulierung nicht weit über das Ziel hinaus geschossen ist.

Redaktion: Claudia Braczko, Tel, 0209/1707-176, 0170-8761608, presse-iaq@uni-due.de

Weitere Infos: Dr. Claudia Weinkopf, Tel: 0209/1707-142, -178, claudia.weinkopf@uni-due.de

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Beate Kostka idw

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