Beschleunigtes Wirtschaftswachstum erst im nächsten Jahr
Zwar weisen zahlreiche Indikatoren darauf hin, dass Deutschland die wirtschaftliche Schwächephase des Winterhalbjahrs überwunden hat. Der Aufschwung dürfte jedoch zunächst verhalten sein und erst 2014 an Fahrt gewinnen. Getragen wird die Expansion vor allem von der Inlandsnachfrage.
Die deutsche Konjunktur hat zur Jahresmitte 2013 keine eindeutige Tendenz. Zwar nahm im zweiten Quartal das Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich um 0,7% zu. Dies lag aber im Wesentlichen daran, dass der witterungsbedingte Produktionsausfall aus dem ersten Quartal nachgeholt wurde. Auch wenn zahlreiche Indikatoren dafür sprechen, dass Deutschland die wirtschaftliche Schwächephase des Winterhalbjahrs überwunden hat, dürfte der Aufschwung vorerst verhalten sein und sich erst im kommenden Jahr beschleunigen.
Vor diesem Hintergrund bleibt das RWI bei seiner BIP-Prognose von 0,4% Wachstum für dieses und 1,9% für nächstes Jahr. Getragen wird die Expansion vor allem von der Inlandsnachfrage. Die Unternehmensinvestitionen – die in den vergangenen beiden Jahren eher durch die Verunsicherung der Unternehmen als durch real- oder finanzwirtschaftliche Faktoren geringer ausfielen – werden bei sich aufhellendem weltwirtschaftlichen Umfeld und einer weiteren Entspannung der Situation im Euro-Raum wieder ausgeweitet.
Auch die Bautätigkeit dürfte sich weiter positiv entwickeln. Vor allem aber dürften die privaten Konsumausgaben steigen, da sich die Lohneinkommen wohl weiterhin spürbar erhöhen werden und mit besserer Konjunktur und allmählich steigenden Zinsen eine kräftigere Zunahme der Kapitaleinkünfte zu erwarten ist. Durch das günstigere weltwirtschaftliche Umfeld werden zwar auch die Exporte voraussichtlich kräftiger zunehmen als zuletzt. Da aber auch die Einfuhren kräftig steigen dürften, geht von der Außenwirtschaft nach einem leicht negativen Wachstumsbeitrag im Jahr 2013 im kommenden Jahr wohl ein nur leicht positiver Beitrag aus.
Zahl der Arbeitslosen dürfte sinken, Inflation leicht steigen
Mit dem stärkeren Produktionsanstieg wird voraussichtlich auch die Erwerbstätigkeit zunehmen. Damit dürfte auch die Zahl der Arbeitslosen wieder abnehmen und die Arbeitslosenquote von 6,8% in diesem auf 6,7% im kommenden Jahr sinken. Die Teuerung dürfte im Prognosezeitraum leicht anziehen, weil es den Unternehmen mit steigender Kapazitätsauslastung wohl besser gelingen wird, Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Zudem wird sich der zuletzt beschleunigte Anstieg der Immobilienpreise mehr und mehr in Mietsteigerungen bemerkbar machen. Alles in allem erwartet das RWI eine Inflationsrate von 1,6% in diesem und 1,8% im kommenden Jahr.
Der Staatshaushalt wies 2012 einen kleinen strukturellen Überschuss auf. Auch für dieses Jahr entwickeln sich die Staatsfinanzen positiv. Trotz Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Fluthilfe dürfte 2013 ebenfalls ein geringer Überschuss erreicht werden, der bei besserer Konjunktur auf reichlich 7 Mrd. € (0,3% des BIP) im kommenden Jahr steigen dürfte.
Konsolidierung des öffentlichen Haushalts nicht abgeschlossen
Obwohl Deutschland damit drei Jahre in Folge einen strukturellen Haushaltsüberschuss erzielt, ist der Konsolidierungsprozess keineswegs abgeschlossen. Zum Teil ist der Überschuss den durch das niedrige Zinsniveau relativ geringen Zinsausgaben zu verdanken. Mit künftig zu erwartenden steigenden Zinsen nehmen diese aber wieder zu. Auch trägt die „kalte Progression“ zur guten Finanzlage bei. Da rein inflationsbedingte Einkommenszuwächse die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler nicht verbessern, sollte der Einkommensteuertarif so reformiert werden, dass diese Mehreinnahmen künftig wegfallen. Schließlich wurde die Haushaltskonsolidierung in der Vergangenheit auch zu Lasten der öffentlichen Investitionen vorangetrieben. Hier besteht inzwischen Investitionsbedarf. Allerdings sollten höhere investive Ausgaben des Staates nicht durch Steuererhöhungen finanziert werden, sondern durch eine effizientere Mittelverwendung und Kürzungen insbesondere bei den Subventionen.
Nicht zuletzt aufgrund des Versprechens der EZB, den Euro mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen, hat sich die Lage an den Finanzmärkten beruhigt. Damit hat die EZB den nationalen Regierungen Zeit verschafft, um Strukturreformen voranzubringen und das Problem insolventer Banken anzugehen, die nur durch die großzügige Liquiditätszuteilung durch die EZB am Leben gehalten werden. Bisher wurde die so erkaufte Zeit aber nicht genutzt, um die EZB durch Reformen von ihrer Verantwortung zu entlasten, und so die Trennung von finanz- und geldpolitischer Verantwortung wieder herzustellen. Vielmehr hat die Beruhigung der Lage im Euro-Raum allem Anschein nach eher den Reformdruck vermindert.
Weltwirtschaft: Wachstum der Schwellenländer hat sich verlangsamt
Die internationale Konjunktur hat sich in der ersten Hälfte dieses Jahres nur leicht belebt. Zwar hat sich die Expansion in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften beschleunigt, in den Schwellen- und Transformationsländern verlangsamte sie sich aber weiter. Viele Schwellenländer haben bei internationalen Anlegern an Vertrauen verloren, was zu einer deutlichen Abwertung ihrer Währungen führte. Dazu hat beigetragen, dass in den Industrieländern die Kapitalmarktzinsen gestiegen sind, auch weil erwartet wird, dass die amerikanische Notenbank aus ihrer monetären Lockerung („Quantitative Easing“) aussteigen wird.
Im Prognosezeitraum wird sich die Verschiebung in den weltwirtschaftlichen Auftriebskräften voraussichtlich fortsetzen. Zwar dürften die Schwellenländer weiterhin deutlich höhere Zuwachsraten des BIP haben als die fortgeschrittenen Volkswirtschaften, deren Wachstumsbeitrag zur weltwirtschaftlichen Expansion wird sich aber wohl erhöhen.
Übergangssituationen bergen hohe Risiken für die Wirtschaftsentwicklung
In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften gehen von der Finanzpolitik insgesamt weiterhin dämpfende Wirkungen aus, der Restriktionsgrad der Politik dürfte aber geringer werden. Verbessern dürfte sich die Investitionsbereitschaft der Unternehmen, da ihre Verunsicherung über die Wirtschaftspolitik gesunken ist und nach einer langen Phase der Zurückhaltung die Modernisierung von Anlagen dringlicher geworden ist. Für die Schwellenländer ist zu erwarten, dass die Phase einer deutlichen Verlangsamung der Expansion zu Ende geht und der Zuwachs des BIP wieder etwas stärker wird. Alles in allem dürfte die weltwirtschaftliche Produktion in diesem Jahr um 2,8% und im kommenden um 3,3% steigen.
Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit in mehrerlei Hinsicht in einem Übergangsstadium: So strebt China ein geändertes Wachstumsmodell an. Zugleich steht der Euro-Raum vor institutionellen Reformen, die die Währungsunion festigen und weniger krisenanfällig machen sollen. Schließlich rückt der Zeitpunkt näher, an dem die Notenbanken den Ausstieg aus ihrer bisher sehr expansiven Geldpolitik vollziehen müssen. Dass solche Übergänge gelingen ist aber nicht garantiert, und die Gefahr ist äußerst groß, dass dabei Störungen auftreten.
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