Deutsche Konjunktur weiter unerwartet kräftig

Getragen wird die Expansion inzwischen stärker von der Inlands- als von der Auslandsnachfrage. Für 2012 erwartet das RWI eine schwächere Zunahme des BIP um 2,3%, da der Investitionsaufschwung an Fahrt verlieren und zugleich die Außenwirtschaft weniger zur Expansion beitragen dürfte. Die Beschäftigung dürfte weiter steigen, wenn auch im kommenden Jahr mit langsamerem Tempo. Die Lage der öffentlichen Haushalte wird sich im Prognosezeitraum voraussichtlich spürbar verbessern. […]

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einem kräftigen Aufschwung. Im ersten Quartal nahm das reale Bruttoinlandsprodukt saisonbereinigt um 1,5% gegenüber dem Vorquartal zu, für das laufende Vierteljahr lassen die Indikatoren eine erneute Zunahme erwarten. Getragen wird die Expansion nach wie vor von der Auslands–, stärker inzwischen aber von der Inlandsnachfrage. Die privaten Konsumausgaben nahmen weiter stetig, wenn auch nicht besonders stark zu. Wichtigste Triebkraft der Konjunktur waren die Investitionen, sowohl die in Ausrüstungen als auch die in Bauten. Insbesondere letztere profitieren von den außerordentlich niedrigen Realzinsen, die sowohl Folge der expansiven Geldpolitik der EZB, aber auch der Bedeutung deutscher Kapitalmarktpapiere als sicherer Hafen für ausländische Anleger sind.

Die Frühindikatoren lassen für die zweite Jahreshälfte ein Anhalten der Expansion erwarten. Der Auftragseingang nahm bis zuletzt spürbar zu, und die Stimmung der Unternehmen ist im langfristigen Vergleich immer noch außerordentlich gut, wenngleich sich die Umfrageergebnisse zuletzt leicht verschlechtert haben. Allerdings dürften sich die Zuwächse im Vergleich zum ersten Quartal verringern. Dies ergibt sich wohl bereits daraus, dass letzteres durch Sonderfaktoren begünstigt war: So konnte durch den frühen Wintereinbruch im Dezember 2010 ausgefallene Bauproduktion wohl – abweichend vom üblicherweise anzutreffenden Saisonmuster – bereits im Laufe von Februar und März teilweise wieder nachgeholt werden. Zudem war die wirtschaftliche Aktivität im ersten Quartal aufgrund der ungewöhnlich späten Lage des Osterfestes ausnahmsweise nicht durch Ferientermine beeinflusst.

Hinzu kommt, dass die weltwirtschaftliche Aktivität mittlerweile an Dynamik verloren hat. Dabei spielen zwar wohl auch kurzfristige Produktionsausfälle aufgrund des Erdbebens in Japan eine Rolle. Jedoch haben Überhitzungsgefahren die Wirtschaftspolitik in einer Reihe von Schwellenländern inzwischen auf einen restriktiveren Kurs einschwenken lassen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Auslandsnachfrage schwächer expandieren als zuletzt. Demgegenüber ist ein unverändert kräftiger Anstieg der Inlandsnachfrage zu erwarten. Stimulierend dürften weiterhin die realen Kapitalmarktzinsen wirken, die selbst bei weiteren behutsamen Zinserhöhungen durch die EZB für Deutschland aufgrund der aktuellen konjunkturellen Lage expansiv wirken dürften. Auch nehmen die verfügbaren Einkommen bei voraussichtlich weiter wachsender Beschäftigung, stärker steigenden Effektivlöhnen und einer verbesserten Gewinnsituation beschleunigt zu. Vor diesem Hintergrund wird der Aufschwung bei den privaten Konsumausgaben wohl anhalten, und die Investitionstätigkeit kräftig bleiben, auch wenn hier die jüngst außerordentlich hohen Zuwachsraten wohl nicht zu halten sein werden. Alles in allem erwarten wir für 2011 einen Zuwachs des realen BIP um 3,7 %.

Knappheiten auf dem Arbeitsmarkt lassen die Löhne steigen

Die Beschäftigung dürfte bei diesem Produktionsanstieg weiter zunehmen. Im Jahresdurchschnitt steigt die Zahl der Erwerbstätigen voraussichtlich um 1,2%. Allerdings macht sich mittlerweile in einigen Segmenten des Arbeitsmarktes eine Knappheit an qualifiziertem Personal bemerkbar. Wohl vor diesem Hintergrund hat sich der Lohnanstieg bereits beschleunigt – zunächst weniger der der Tariflöhne, als vielmehr der der Effektivlöhne, was darauf hinweist, dass die Unternehmen vermehrt Lohnzuschläge zahlen. Im kommenden Jahr dürften allerdings auch die Tariflöhne stärker angehoben werden. Die Lohnstückkosten steigen folglich beschleunigt. Daher ist zum einen ein stärkerer interner Preisauftrieb zu erwarten, zum anderen ein langsamerer Beschäftigungsaufbau. Dadurch dürfte sich die Expansion der Inlandsnachfrage abschwächen. Da zugleich die Nachfrage aus dem Ausland voraussichtlich langsamer zunehmen wird, und sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wohl leicht verschlechtert, ist zudem ein geringerer Wachstumsbeitrag der Außenwirtschaft wahrscheinlich. Damit wird sich die Zunahme des realen BIP im kommenden Jahr nach unserer Einschätzung auf 2,3% verlangsamen.

Der Preisanstieg wird sich zwar voraussichtlich nach 2,4% in diesem Jahr auf 2,3% im Jahr 2012 etwas verringern. Während er in diesem Jahr noch vorwiegend auf steigende Importpreise zurückzuführen sein dürfte, resultiert er im kommenden Jahr im Wesentlichen aus der internen Teuerung, denn bezüglich der Rohstoffpreise ist hier unterstellt, dass sie sich gegenüber dem zuletzt beobachteten Niveau nicht ändern. Da sich die Kerninflation im Prognosezeitraum weiter deutlich erhöht, entsteht das Risiko, dass sich ein Inflationsdruck aufbaut, der mittelfristig die Preisniveaustabilität gefährden könnte.

Gute Konjunktur bringt Mehreinnahmen für öffentliche Haushalte

Die Lage der öffentlichen Haushalte verbessert wohl sich im Prognosezeitraum spürbar. Aufgrund der guten Konjunktur und der anziehenden Inflation sind beträchtliche Mehreinnahmen zu erwarten, während konjunkturbedingt geringere Ausgaben für Sozialleistungen zu anfallen dürften. Damit dürfte das Haushaltsdefizit des Staates in diesem Jahr auf 1,3% in Relation zum BIP zurückgehen und im kommenden Jahr weiter auf 0,2%, womit ein annähernd ausgeglichener Haushalt erreicht wäre.

Die deutsche Konjunktur ist damit weiterhin unerwartet kräftig; die Prognose für 2011 wird hiermit zum wiederholten Mal angehoben. Eine wesentliche Rolle spielen dabei wohl die niedrigen Realzinsen, die noch niemals seit Einführung des Euro über einen längeren Zeitraum ähnlich tief waren wie in den vergangenen anderthalb Jahren. Allerdings drohen weiterhin beachtliche Risiken. Die Nachwehen der Finanzkrise sind bei Weitem noch nicht ausgestanden. Der Euro-Raum kommt angesichts der hohen Verschuldung vieler Staaten nicht zur Ruhe, und auch in den USA hat die öffentliche Verschuldung ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Hinzu kommt, dass die Notenbanken die im Zuge der Finanzkrise kräftig ausgeweitete Liquiditätsversorgung noch nicht wieder nennenswert reduziert haben, so dass die Gefahr des Entstehens neuer Übersteigerungen und eines weltweiten Anziehens der Inflation groß ist.

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