Deutsche Stahlindustrie im Aufwind, weltweite Stahlerzeugung erreicht neuen Höchststand
Die deutsche Stahlindustrie hat sich in den vergangenen Monaten positiv entwickelt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres nahm die Rohstahlerzeugung verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 1,7 Prozent zu.
„Die Kapazitätsauslastung der deutschen Stahlindustrie lag im vergangenen Jahr durchschnittlich bei 86 Prozent, was im internationalen Vergleich ein außerordentlich hoher Wert ist“, so Prof. Dr. Roland Döhrn, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.
In der ersten Jahreshälfte 2017 sei sie sogar noch höher gewesen. Die Belebung der Investitionen und der Ausfuhren sorgte für eine steigende Nachfrage seitens der Stahlverwender. Die Stahlexporte haben sich hingegen im ersten Halbjahr wieder abgeschwächt, insbesondere aufgrund rückläufiger Ausfuhren in einige EU-Länder. Die Stahlimporte nahmen bis zum Jahresende zu, insbesondere die Einfuhren aus Drittländern wie China, der Türkei und Russland sind jedoch zuletzt wieder gesunken.
Der Konjunkturaufschwung in Deutschland wird sich voraussichtlich in diesem und im nächsten Jahr fortsetzen. Dabei dürfte die lebhaftere Investitionstätigkeit für einen steigenden Stahlbedarf sorgen. Da die Kapazitäten der deutschen Stahlindustrie bereits gut ausgelastet sind, dürften Einfuhren von Walzstahl beschleunigt zunehmen.
Die Stahlausfuhren werden zwar voraussichtlich auch steigen, allerdings wohl langsamer als die Einfuhren. Vor diesem Hintergrund wird die Erzeugung von gewalzten Stahlerzeugnissen wie von Rohstahl in diesem und im nächsten Jahr voraussichtlich weiter zunehmen, jedoch langsamer als in den ersten Monaten dieses Jahres.
Bei der Rohstahlerzeugung erwartet das RWI ein Plus von 1,5 Prozent gegenüber 2016 auf 42,7 Millionen Tonnen. 2018 dürfte sie nochmals auf 43,1 Millionen Tonnen steigen. Trotzdem dürfte in der Eisen- und Stahlindustrie Beschäftigung abgebaut werden.
Weltweite Rohstahlerzeugung hat neuen Höchststand erreicht
Auch die globale Stahlindustrie ist seit dem Frühjahr 2016 im Aufwind, die Stahlerzeugung erreichte einen neuen Höchststand. Der Anstieg der Rohstahlerzeugung scheint ein globales Phänomen zu sein, sie nahm in nahezu allen Regionen zu. Offenbar haben der lebhaftere Welthandel und nach längerer Flaute wieder steigende Investitionen die Nachfrage nach Stahl belebt.
Die Auslastung der globalen Produktionskapazitäten hat sich damit zwar verbessert, der Auslastungsgrad bleibt mit 72 Prozent jedoch gering. Zwischenzeitlich anziehende Stahlpreise und die steigende Kapazitätsauslastung dürften die Margen der Stahlproduzenten etwas verbessert haben. Allerdings haben sich zeitweise auch die Rohstoffe für die Stahlherstellung spürbar verteuert.
Die weltweite Rohstahlerzeugung hat in den ersten fünf Monaten dieses Jahres den Vorjahreswert bereits um 4,5 Prozent übertroffen. Die aktuellen Stimmungsindikatoren deuten zudem auf ein Anhalten des weltwirtschaftlichen Aufschwungs hin. Vor diesem Hintergrund erwartet das RWI eine Zunahme der Rohstahlerzeugung weltweit um jeweils rund 3 Prozent in diesem und im kommenden Jahr. Voraussetzung hierfür ist, dass es nicht zu handelsbeschränkenden Maßnahmen kommt.
Trotz guter Stahlkonjunktur ist Abbau weltweiter Überkapazitäten nötig
Trotz der guten konjunkturellen Aussichten für die Stahlindustrie weltweit und in Deutschland bleibt das Problem der Überkapazitäten bestehen. Denn selbst wenn die globale Stahlproduktion im erwarteten Maße zunimmt, dürfte dies den Auslastungsgrad kaum verbessern. Hinzu kommt die Gefahr einer handelspolitischen Eskalationsspirale im Stahlsektor:
Die Vereinigten Staaten drohen mit handelspolitischen Maßnahmen gegen europäische Produzenten. Die EU hat für diesen Fall bereits mit Abwehrmaßnahmen gedroht. Ihrerseits ist die EU bereits handelspolitisch aktiv geworden und beschränkt die Einfuhren von „Billigstahl“ aus China und einigen anderen Ländern. Im Falle einer Eskalation wären die Verlierer wohl die Stahlverwender, die in jedem Fall mehr für Stahl bezahlen müssten, ihn bisweilen womöglich sogar nicht in den gewünschten Mengen oder Qualitäten beschaffen könnten.
Um die Lage grundlegend zu verbessern, müssten die Erzeugungskapazitäten zurückgeführt werden. Dies scheint aber offenbar selbst in China schwer zu fallen, wo die Möglichkeiten staatlicher Eingriffe größer sind als in vielen anderen Ländern. Noch schwieriger ist die Situation in Europa. Dort werden selbst hoch-defizitäre Stahlwerke „gerettet“, um Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen zu erhalten. „Unter diesen Voraussetzungen wird der Druck auf die europäischen Stahlpreise anhalten, mit oder ohne Importe aus China“, erwartet Roland Döhrn.
Ihre Ansprechpartner dazu:
Prof. Dr. Roland Döhrn, Tel. (0201) 81 49-262
Sabine Weiler (Pressestelle), Tel. (0201) 81 49-213
Dieser Pressemitteilung liegt der „Stahlbericht“ aus dem aktuellen Konjunkturbericht des RWI (Heft 2/2017) zugrunde.
http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-konjunkturberichte…
(RWI-Konjunkturbericht 2/2017; Stahlbericht auf S. 35-44)
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