Innovation statt Imitation

Wirtschaftsmetropole Shanghai: Chinesische Firmen setzen auf eigene Patente. (Bild: Zorazhuang / istockphoto.com)

Chinesische Unternehmen setzen auf eigene Innovationen statt auf die Imitation fremder Produkte. Zu diesem Ergebnis kommen Ökonomen der Technischen Universität München (TUM) und der Munich Innovation Group nach der Analyse der Patentportfolios und Internationalisierungsstrategien von rund 80 chinesischen Firmen.

Nach Telekommunikationsunternehmen setzen heute auch andere Branchen auf eigenes geistiges Eigentum. Schon junge Firmen sichern sich massiv Schutzrechte in Europa und den USA – ohne aber dort wahrgenommen zu werden. Die Ökonomen stellen nun Profile der Unternehmen online zur Verfügung.

Der Telekommunikationskonzern Huawei hat eine europäische Forschungs- und Entwicklungszentrale in München errichtet und rekrutiert Ingenieurabsolventen der Münchner Hochschulen. Das Automobilunternehmen BYD hat sich hunderte Schutzrechte geistigen Eigentums in westlichen Ländern gesichert. Chang’an erobert die Märkte in Russland, Brasilien und Afrika.

„Lange hatten chinesische Firmen das Image, ihre westlichen Konkurrenten einfach zu kopieren. Aber die Zahl ihrer Patentanmeldungen ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen“, sagt Dr. Philipp Sandner vom Lehrstuhl für Strategie und Organisation der TUM. „China hat eine große Zahl aufstrebender Unternehmen, die eine aggressive Internationalisierungsstrategie verfolgen – aber trotzdem in Europa und den USA kaum wahrgenommen werden.“

Steigende Patentzahlen in Energie, Chemie und Pharmazie

Deshalb haben Forscher der TUM und Analysten der Munich Innovation Group 77 chinesische Unternehmen untersucht, bei denen ein großes Potenzial an Innovationskraft, Internationalisierung und Wachstum angenommen wird. Sie konzentrierten sich auf die Schlüsselindustrien Automobil, Chemie & Pharmazie, Elektrotechnik, Informationstechnologie, Maschinenbau, Solartechnik, Telekommunikation sowie Öl & Stahl. Die Ökonomen untersuchten vor allem die Patentportfolios der Firmen, aus denen sie Schlüsse auf deren generelle Entwicklung und Internationalisierungsstrategie zogen. Beispielsweise konnten sie aus der geographischen Verteilung der Patentanmeldungen auf die Zielmärkte schließen.

Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass immer weniger chinesische Unternehmen auf Imitation setzen. Für die meisten spielt dagegen selbst entwickeltes geistiges Eigentum eine dominante Rolle in ihrem Geschäftsmodell. Vorreiter sind Unternehmen der Telekommunikationsbranche wie Huawei. Bei ihnen sind die Jahre mit den höchsten Zahlen an Patentanmeldungen oft schon vorbei, die Patentaktivitäten haben sich auf hohem Niveau stabilisiert. Für andere Branchen wie Energie, Chemie und Pharmazie zeigen die Analysen aktuell stark zunehmende Aktivitäten.

Sogar junge Unternehmen melden 40 Prozent ihrer Patente im Ausland an

Zwar operiert die Mehrheit der chinesischen Firmen nach wie vor hauptsächlich auf dem Heimatmarkt, darunter durchaus auch stark wachsende Unternehmen. Aber die Zahl der Anträge auf Patentanmeldungen der vergangenen Jahre in Europa und Nordamerika illustriert die wachsende Bedeutung dieser Märkte.

Laut Europäischem Patentamt haben chinesische Organisationen 2012 mehr als 18.000 Patentanmeldungen für europäische Patente eingereicht. Damit kamen in diesem Jahr 7,3 Prozent aller europäischen Patentanmeldungen aus China, womit das Land auf Rang 4 steht, nach den USA (24,6%), Japan (20,1%), und Deutschland (13,3%).

Viele junge chinesische Unternehmen setzen inzwischen schon von Anfang an auf Internationalisierung. Nicht-chinesische Patente nehmen bei ihnen einen substanziellen Anteil von 20 bis 40 Prozent des Portfolios ein. „Gerade diese Unternehmen werden in den westlichen Ländern immer noch unterschätzt – weil wir sie gar nicht kennen“, sagt Sandner. „Selbst eine große Zahl an Unternehmen, die bald Weltmarktführer sein könnten, werden kaum wahrgenommen.“

Hohe Zahl an Gebrauchsmustern besonders kritisch für westliche Wirtschaft

Ein Element der Strategie chinesischer Unternehmen stellt eine besondere Herausforderung für die europäische und nordamerikanische Wirtschaft dar: Chinesische Firmen melden im Vergleich zu westlichen Unternehmen neben Patenten relativ viele Gebrauchsmuster an, die als aktenkundige Schutzrechte alle erdenklichen Ausgestaltungen eines Produkts schützen können. So sichern sich chinesische Firmen große Freiräume bei zukünftigen Produktentwicklungen, während andere Unternehmen in dieser Hinsicht massiv blockiert werden können.

Allerdings halten es die Ökonomen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung für unwahrscheinlich, dass die chinesischen Unternehmen das starke Wachstum der Patentanmeldungen aufrechterhalten können. Überdies ist derzeit unklar, ob die Firmen ihre Rechte auch dann weiter halten wollen, wenn sie die massiven Gebühren für deren Aufrechterhaltung zahlen müssen. Wenn die Unternehmen ferner in die Verteidigung ihres geistigen Eigentums investieren, könne man davon ausgehen, dass die geschützte Technologie auch einen ökonomischen Mehrwert habe, so die Forscher.

Unternehmensprofile und Branchenanalysen:
Die Forscher haben ihre Erkenntnisse in Form von 77 Unternehmensprofilen und
9 Branchenanalysen übersichtlich aufbereitet:
http://www.chinese-champions.com

 
Kontakt:
Dr. Philipp Sandner
Technische Universität München
Lehrstuhl für Strategie und Organisation
Tel: +49 89 289 22798
philipp.sandner@tum.de
http://www.strategie.wi.tum.de 

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 500 Professorinnen und Professoren, 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 36.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, ergänzt um Wirtschafts- und Bildungswissenschaft. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Niederlassungen in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel und Carl von Linde geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands. www.tum.de

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Dr. Philipp Sandner Technische Universität München

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