Kommunen mit hohen Defiziten und schwacher Investitionstätigkeit droht Abwärtsspirale

Kommunen mit hohen strukturellen Defiziten und schwacher Investitionstätigkeit droht eine finanz- und regionalwirtschaftliche Abwärtsspirale. Zwar erzielen die deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände insgesamt zurzeit und voraussichtlich in den kommenden Jahren einen Finanzierungsüberschuss. Die Unterschiede zwischen den Kommunen bleiben aber beträchtlich.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle RWI-Studie. Demnach können viele Kommunen mittlerweile ihre Schulden nicht mehr aus eigener Kraft netto tilgen und ihre Haushalte ausgleichen. Länder leisten deshalb Entschuldungs- und Konsolidierungshilfen. Erfolgversprechend erscheint eine Kombination aus Entschuldung durch das Land und dem verpflichtenden Abbau des strukturellen Defizits.

Treffen hohe strukturelle Defizite und niedrige Investitionen aufeinander, können Kommunen in einen finanz- und regionalwirtschaftlichen Abwärtstrend geraten. In dieser Gefahr befinden sich derzeit vor allem Gemeinden und Gemeindeverbände in Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zu den finanzwirtschaftlichen Risiken der Kommunalverschuldung hervor.

Demnach versuchten viele Kommunen in der Vergangenheit, ihre schwierige Finanzlage durch Kürzungen bei den Investitionen zu bewältigen. Das Volumen der Investitionskredite stagniert infolgedessen mehr oder weniger. Diese zurückhaltende Investitionstätigkeit setzt sich voraussichtlich bis 2016 fort. Kommen strukturelle Defizite hinzu, werden die lokale Standortqualität und damit die Steuerbasis geschwächt. Dies kann einen sich gegenseitig verstärkenden finanz- und regionalwirtschaftlichen Abwärtstrend in Gang setzen.

Kommunale Kassenkredite haben sich seit 1998 mehr als verachtfacht

Insgesamt entspannt sich die kommunale Finanzlage bundesweit, zumindest auf den ersten Blick: Die Gemeinden und Gemeindeverbände erzielten 2012 einen Finanzierungsüberschuss von 1,8 Milliarden Euro in ihren Kernhaushalten. Auch für die Jahre 2013 bis 2016/2017 erwarten sowohl Bundesregierung als auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände Finanzierungsüberschüsse von jährlich 4 bis 4,5 Milliarden Euro. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die grundlegenden finanzwirtschaftlichen Probleme fortbestehen: die zunehmenden strukturellen Defiziten vieler Kommunen und die ausgeprägte kommunale Investitionsschwäche.

Sichtbar werden die strukturellen Fehlbeträge am Anstieg der kommunalen Kassenkredite, deren Volumen sich zwischen 1998 und 2012 von 5,8 Milliarden Euro auf 47,8 Milliarden Euro mehr als verachtfacht hat. Sie sollten ursprünglich nur kurzfristige finanzielle Engpässe überbrücken, decken aber inzwischen bei vielen Kommunen dauerhaft Haushaltsfehlbeträge ab. Ihre regionale Konzentration auf einige Bundesländer – alleine knapp 50% der Kassenkredite entfallen zurzeit auf Nordrhein-Westfalen – macht deutlich, dass die erwartete positive Gesamtentwicklung zunehmende regionale Ungleichheiten verdeckt.

Schuldenfinanzierung mit Risiken verbunden

Die Kommunalverschuldung stellt ein finanzwirtschaftliches Risiko dar. Die vielfach befürchtete Kreditklemme ist zwar bislang nicht eingetreten. Mit den verschärften Eigenkapitalvorschriften für Banken ist aber zu befürchten, dass sich mehr und mehr Kreditinstitute aus dem margenschwachen Geschäft mit Kommunalkrediten zurückziehen. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich die Gläubigerstruktur stärker zu öffentlichen Banken insgesamt und hier zu den Sparkassen und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verschoben. Die Kommunen versuchen deshalb, ihre Finanzierung breiter aufzustellen, beispielsweise durch Schuldscheindarlehen. Zudem ist auf mittlere Frist mit steigenden Zinsen zu rechnen: Das aktuelle Zinsniveau ist äußerst niedrig; die verschärften Aufsichtsregeln für die Banken könnten zu einer über den allgemein zu erwartenden Zinsanstieg hinausgehenden Verteuerung von Kommunalkrediten führen.

Einige Bundesländer versuchen, durch Entschuldungs- und Konsolidierungshilfen die kommunale Aufgabenerfüllung sicherzustellen und zum Schuldenabbau beizutragen. Dabei handelt es sich vor allem um Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, deren Kommunen im Ländervergleich überdurchschnittlich hohe Kassenkredite aufweisen. Allerdings sind dies überwiegend auch jene Länder, deren Haushalte selbst relativ hohe strukturelle Defizite haben. Damit stellt sich letztlich die Frage, ob die Bürger im Rahmen der anstehenden Haushaltskonsolidierung auf Leistungen des Landes oder der Kommunen verzichten müssen. Erfolgversprechend erscheint eine Kombination aus Entschuldung durch das jeweilige Land und dem verpflichtenden Abbau des strukturellen Defizits. Jedwede Strategie wird aber auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn die Ursachen für strukturelle Defizite angegangen werden. Sie liegen auch außerhalb des kommunalen Verantwortungsbereichs, beispielsweise wenn den Kommunen Aufgaben ohne Mittel zu ihrer Finanzierung übertragen werden.

Ihre Ansprechpartner dazu:
Hermann Rappen, Tel.: (0201) 81 49-250
Sabine Weiler (Pressestelle), Tel.: (0201) 81 49-213
Dieser Pressemitteilung liegt der Beitrag „Finanzwirtschaftliche Risiken der Kommunalverschuldung“ aus dem aktuellen Konjunkturbericht des RWI zugrunde.

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