Sinkender Rohölpreis stärkt Konjunktur

Die Expansion dürfte weiterhin von der Binnenwirtschaft getragen werden. Zwar hatten sich die Erwartungen im Laufe der vergangen Monate eingetrübt. Der inzwischen beträchtliche Rückgang des Ölpreises dürfte aber die Konjunktur im kommenden Jahr anregen; die Prognose geht für den Jahresdurchschnitt 2015 von einem Preis von 70 US-Dollar pro Barrel aus. Der niedrigere Ölpreis wird wohl vor allem die Kaufkraft der privaten Haushalte und damit die privaten Konsumausgaben stärken. […]

Die deutsche Konjunktur hat im Sommerhalbjahr an Kraft verloren. Im dritten Quartal stagnierte die Produktion lediglich und die Aussichten für die kurze Frist sahen nicht besonders günstig aus. So blieb die Stimmung unter den Unternehmen gedrückt Auch verheißen die realwirtschaftlichen Indikatoren keine rasche Belebung. Die Industrieproduktion verharrte im Oktober auf dem Niveau des dritten Quartals und die Bauproduktion wurde nur wenig ausgeweitet. Alles in allem zeichnet sich für das vierte Quartal eine Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2% gegenüber dem Vorquartal ab.

Die wirtschaftlichen Aussichten für das kommende Jahr dürften im Spannungsfeld gegenläufiger Tendenzen stehen. Positiv wirkt, dass die Beschäftigung weiter zunehmen dürfte und damit auch die verfügbaren Einkommen spürbar steigen dürften, die die Binnennachfrage stützen. Dafür spricht auch der im Oktober wieder deutlich lebhaftere Auftragseingang aus dem Inland. Belastend wirken weiterhin die geopolitischen Risiken, insbesondere der ukrainisch-russische Konflikt, und die enttäuschend schwache Expansion in vielen Schwellenländern.

Aktuelle RWI-Prognose berücksichtigt gesunkenen Rohölpreis

Ein neues weltwirtschaftliches Datum ist der spürbare Rückgang des Rohölpreises in den vergangenen Wochen. Die RWI-Prognose vom September dieses Jahres unterstellte für das Jahr 2015 einen Rohölpreis (Brent) von rund 100 US-Dollar je Barrel. Der Preis war damals bereits seit drei Monaten gesunken, um insgesamt gut 10%. Seitdem hat sich der Rückgang beschleunigt; zuletzt notierte Rohöl rund 30% niedriger als im September.

Dieser niedrigere Ölpreis hat erhebliche Konsequenzen für die internationale und die deutsche Konjunktur: Einerseits belastet er die Konjunktur in den ölexportierenden Ländern, insbesondere dürfte er die wirtschaftlichen Probleme Russlands verstärken. Andererseits impliziert er für die ölimportierenden Länder eine Zunahme der Realeinkommen. So reduziert ein um 25% niedrigerer Rohölpreis die Importrechnung Deutschlands für sich genommen um 14 Mrd. Euro, also um knapp 0,5% des BIP. Für die aktuelle RWI-Prognose wird angenommen, dass der Rohölpreis vorerst niedrig bleiben und im Jahresdurchschnitt 2015 bei 70 US-Dollar pro Barrel liegen wird.

Der niedrigere Ölpreis wird vor allem die Kaufkraft der privaten Haushalte und damit die privaten Konsumausgaben stärken. Sie werden im kommenden Jahr voraussichtlich um 1,6% zunehmen. Dazu tragen auch die u.a. durch das Rentenpaket erhöhten staatliche Transfers bei, während die Gewinn- und Vermögenseinkommen auch angesichts niedriger Zinsen nur verhalten zunehmen. Die Unternehmensinvestitionen hingegen dürften erst im weiteren Verlauf des kommenden Jahres anziehen. Angesichts niedriger Zinsen und geringer Renditen alternativer Vermögensanlagen ist mit einer weiteren Zunahme der Wohnungsbauinvestitionen zu rechnen. Allerdings wirken wirtschaftspolitische Maßnahmen wie die Mietpreisbremse und die Anhebung der Grunderwerbsteuer in einigen Bundesländern dämpfend.

Deutsche Konjunktur wird weiterhin von Binnenwirtschaft getragen

Die Expansion scheint weiterhin von der Binnenwirtschaft getragen zu sein. Allerdings dürften auch die Ausfuhren rascher ausgeweitet werden, zumal der niedrigere Ölpreis die Konjunktur auch bei vielen Handelspartnern Deutschlands anregt und sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure aufgrund der Abwertung des Euro seit März um 2% verbessert hat. Mit der lebhafteren Inlandsnachfrage ziehen voraussichtlich aber auch die Einfuhren an, so dass die Außenwirtschaft wohl nur einen geringen Beitrag zur Zunahme des realen BIP leisten wird. Gleichwohl dürfte sich der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz aufgrund der sinkenden Einfuhrpreise für Rohöl vergrößern.

Alles in allem zeichnet sich für 2014 eine Zunahme des BIP um 1,5% ab. Für 2015 erwartet das RWI einen Zuwachs um 1,5%. Davon dürften etwa 0,4%-Punkte direkt oder indirekt auf die stark rückläufigen Rohölpreise zurückzuführen sein. In seiner Konjunkturprognose im September war das RWI von einem BIP-Wachstum von 1,5% in diesem und 1,8% im nächsten Jahr ausgegangen.

Arbeitslosenquote und Inflation dürften 2015 niedrig bleiben

Der Arbeitsmarkt hat sich weiter positiv entwickelt. Nach einer kleinen Abschwächung im zweiten Quartal hat das Arbeitsvolumen im dritten Quartal 2014 wieder zugelegt, um saisonbereinigt 0,5%. Der Anstieg der Erwerbstätigkeit wurde insbesondere durch den Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse getrieben. Der Beschäftigungsaufbau wurde jedoch weiterhin vor allem aus dem Anstieg des Erwerbspersonenpotenzials gespeist, der auf die Zuwanderung und die gestiegene Erwerbsbeteiligung zurückzuführen ist. Die Arbeitslosigkeit sank nur leicht. Im Prognosezeitraum wird der Arbeitsmarkt maßgeblich von der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro beeinflusst werden. Die Arbeitsnachfrage gemessen am Arbeitsvolumen dürfte im Jahr 2015 nur noch gedämpft um 0,6% zulegen, nach 1,3% in diesem Jahr. Da insbesondere die Löhne vieler geringfügig Beschäftigter derzeit noch unter dem Mindestlohn liegen, werden sich die Arbeitskosten wohl hauptsächlich in diesem Bereich deutlich verteuern und es dürfte folglich vor allem hier zu einem merklichen Stellenabbau kommen. Da diese Arbeitnehmer aber oft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, wird die registrierte Arbeitslosigkeit nur wenig steigen. Das RWI erwartet für 2015 eine Arbeitslosenquote von 6,8% nach 6,7% im Jahr 2014.

Die Teuerung hat sich zuletzt weiter abgeschwächt. Während die Inflationsrate im Juli noch bei 0,8% lag, erreichte sie im November voraussichtlich lediglich 0,6%. Zum Teil dämpfte die konjunkturelle Eintrübung im Sommerhalbjahr die Teuerung. Vor allem aber sank sie wegen des deutlichen Rückgangs der Energiepreise, die im Oktober um 2,3% unter dem Niveau des Vorjahres lagen. Für das kommende Jahr erwartet das RWI eine Inflationsrate von 1,0% nach 0,9% in diesem Jahr. Der binnenwirtschaftliche Preisauftrieb dürfte bei weiter unterausgelasteten Kapazitäten moderat bleiben, zumal die gesunkenen Energiekosten in den Güterpreisen weitergegeben werden dürften. Allerdings sind aufgrund des Mindestlohns stärkere Preisanhebungen insbesondere für Dienstleistungen zu erwarten; hier lag die Preissteigerung zuletzt bei 1,4%.

Trotz Budgetüberschuss keine nachhaltige Konsolidierung der Staatsfinanzen

Die Finanzpolitik ist im kommenden Jahr leicht expansiv ausgerichtet, vor allem weil die Leistungen der Sozialversicherung ausgeweitet werden. Das Rentenpaket (Mütterrente, Rente ab 63, Neuregelungen zur Erwerbsminderungsrente) ist zwar bereits zum 1. Juli 2014 in Kraft getreten. Doch gelten die erhöhten Leistungen nun erstmals für ein volles Jahr. Ferner werden die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zu Beginn des kommenden Jahres aufgestockt. Zudem wird der Bund seine Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur sowie für Bildung und Forschung ausweiten. Das RWI schätzt den im Jahr 2015 von der Finanzpolitik ausgehenden expansiven Impuls auf 0,3% des BIP.

Die Finanzlage des Staates dürfte sich im laufenden Jahr weiter verbessert haben und der Budgetüberschuss von reichlich 4 Mrd. Euro auf 14 Mrd. Euro gestiegen sein. Dies ist allerdings nicht Ausdruck einer nachhaltigen Konsolidierung. Vielmehr haben dazu vor allem die äußerst günstigen Refinanzierungskonditionen des Staates, die kalte Progression und eine höhere Ausschüttung der Bundesbank beigetragen. Im kommenden Jahr dürfte sich die Finanzlage des Staates ungeachtet des angestrebten ausgeglichenen Bundeshaushalts nicht weiter verbessern, da sich insbesondere die Haushaltslage der Sozialversicherungen verschlechtern wird. Der Überschuss wird sich danach auf knapp 9 Mrd. Euro bzw. in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt auf 0,3 % verringern.

Ihre Ansprechpartner dazu:
Prof. Dr. Roland Döhrn, Tel.: (0201) 81 49-262
Sabine Weiler (Pressestelle), Tel.: (0201) 81 49-213

Weitere Informationen:

http://www.rwi-essen.de/presse/  – Vollständige Pressemitteilung auf der RWI-Homepage (inklusive vollständigem Vorspann, Tabellen und Links zum Gesambericht)
http://www.rwi-essen.de/forschung-und-beratung/wachstum-konjunktur-oeffentliche-finanzen/projekte/konjunkturdiagnose-und-prognose/ – Weitere Informationen zur RWI-Konjunkturberichterstattung

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