WSI: Arbeitsmarkt bereitet sich auf allgemeinen Mindestlohn vor

In den Niedriglohnsektor ist in den vergangenen Monaten Bewegung gekommen. Angestoßen durch die geplante Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes wurden in einigen Niedriglohnbranchen tarifliche Stufenpläne zur Anhebung der untersten Tarifvergütungen auf mindestens 8,50 Euro vereinbart.

Die allgemeinverbindlichen Branchenmindestlöhne, die es aktuell in 14 Branchen gibt, sind teilweise angehoben worden und der Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes wurde ausgeweitet. Das zeigt eine Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. „In 11 von 14 Branchen bestehen Mindestlöhne von zum Teil weit über 8,50 Euro.

Die Begleitforschung im Auftrag der Bundesregierung hat ergeben, dass es durch Branchenmindestlöhne nicht zu Arbeitsplatzverlusten gekommen ist“, sagt Dr. Reinhard Bispinck, der Leiter des WSI-Tarifarchivs. „Das und die stufenweise tarifliche Annäherung in Niedriglohnbranchen lassen erwarten, dass der allgemeine gesetzliche Mindestlohn sein Ziel ohne kritische Nebenwirkungen erreichen wird.“

Problematisch sei es vielmehr, wenn Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen der Anspruch auf den Mindestlohn verwehrt werde: „Das ist unnötig, rechtlich höchst fragwürdig und es kann Drehtür- und Verdrängungseffekte auf dem Arbeitsmarkt provozieren“, erklärt der Wissenschaftler.

Auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes bestehen inzwischen in 13 Branchen Mindestlöhne, ergibt die aktuelle Übersicht des WSI. Hinzu kommt der Mindestlohn („Lohnuntergrenze“) für die Leiharbeit/Zeitarbeit auf Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Insgesamt arbeiten in diesen Branchen rund 4 Millionen Beschäftigte. In drei dieser Branchen (Maler und Lackierer, Gerüstbauer, Fleischindustrie) steht die Allgemeinverbindlicherklärung von bereits tariflich vereinbarten Anhebungen der Mindestlöhne zurzeit noch aus. Im Bewachungsgewerbe ist der bisherige Mindestlohn Ende 2013 ausgelaufen, ein neuer Mindestlohn muss noch verhandelt werden.

Die Höhe der Branchenmindestlöhne bewegt sich zwischen 7,50 Euro und 13,95 Euro. In 11 Branchen liegt der Mindestlohn überall in Deutschland oder zumindest im allergrößten Teil des Landes oberhalb von 8,50 Euro, in acht Branchen sogar bei 10 Euro und darüber. Die Anhebung der Branchenmindestlöhne bewegte sich im vergangenen Jahr zwischen knapp 2 Prozent und nahezu 14 Prozent.

Stufenpläne zur Anhebung der untersten Tarifvergütungen auf mindestens 8,50 Euro gibt es mittlerweile auch in einigen Branchen, die das WSI lange Zeit zum „harten Kern“ der Niedriglohnbeschäftigung gezählt hat. „Die Aussicht auf den allgemeinen Mindestlohn hat sicherlich dazu beigetragen, dass Arbeitgeber in solchen Bereichen verhandlungsbereit waren“, sagt Tarifexperte Bispinck.

Fleischindustrie: Hier sieht der im Januar 2014 erstmals vereinbarte Mindest-lohntarifvertrag einen Betrag von einheitlich 7,75 Euro ab Juli 2014 vor. Er wird in drei Stufen auf 8,00 Euro (Dezember 2014), 8,60 Euro (Oktober 2015) und schließlich auf 8,75 Euro (Dezember 2016) angehoben. Die Branche wurde neu in das Entsendegesetz aufgenommen.

Friseurgewerbe: Hier steigt der im vergangenen Jahr neu vereinbarte allgemeinverbindliche Mindestlohn von anfangs 7,50/6,50 Euro (West/Ost) in zwei Stufen bis August 2015 auf einheitliche 8,50 Euro.

Leih-/Zeitarbeit: Hier wird der Mindestlohn von zurzeit 8,50/7,86 Euro (West/Ost) bis Juni 2016 in zwei Stufen auf 9,00/8,50 Euro angehoben.

Landwirtschaft: Die untersten Lohngruppen sollen nach den derzeit gültigen tariflichen Regelungen bis Dezember 2017 schrittweise auf 8,50 Euro je Stunde angehoben werden. Neuerdings strebt die IG BAU Verhandlungen über einen einheitlichen Mindestlohntarifvertrag für die Bereiche Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau an, mit dem bereits vor Ende 2016 die Grenze von 8,50 € erreicht und auch überschritten werden soll.

http://www.boeckler.de/pdf/pm_wsi_ta_2014_06_04.pdf – Die PM mit Grafik und Ansprechpartnern
http://www.boeckler.de/36714.htm – Mehr Forschungsergebnisse zu Mindestlöhnen

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Rainer Jung idw - Informationsdienst Wissenschaft

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