Bei der Planung von Gebäuden an die Sommerhitze denken
Wenn es im Hochsommer in der überhitzten Wohnung kaum noch auszuhalten ist, nützt oft nur noch die Flucht ins Freibad. Bauliche Maßnahmen zu setzen, um die Temperaturentwicklung zu kontrollieren, ist nachträglich oft kaum noch möglich und wenig wirksam – abgesehen vom Einbau einer Klimaanlage.
Man kann allerdings von vornherein darauf achten, dass das Problem gar nicht erst entsteht: bei der Planung neuer Gebäude lassen sich zahlreiche Maßnahmen anwenden und sinnvoll kombinieren, um Wohnräume im Sommer angenehm kühl zu halten.
Als Ergebnis einer an der TU Wien durchgeführten Dissertation steht nun kostenlos und für die Allgemeinheit frei zugreifbar ein Raumsimulationstool zur Verfügung, mit dem man schon im Planungsprozess einer Überhitzung von Räumen während Hitzeperioden gezielt entgegensteuern kann.
Da dieses Tool auch dazu geeignet ist, die Gründe von Überhitzungen zu analysieren und die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen zu quantifizieren, ist es durchaus nicht nur für den Bereich der Bauplanung sondern auch allgemein von Interesse.
Viele Faktoren: Sommerhitze ist kompliziert
„Die Temperaturentwicklung in einem Raum während sommerlicher Hitzeperioden hängt von vielen Einflüssen ab, die sehr komplex zusammenhängen“, sagt Joachim Nackler, der sich im Rahmen seiner Dissertation bei Prof. Klaus Krec (Institut für Architektur und Entwerfen) intensiv mit diesem Thema beschäftigt hat.
„Gebäudestandort und Orientierung des Raumes spielen genauso eine Rolle wie die Größe und Art der Fenster, die Nutzung von Verschattungseinrichtungen oder Wärmequellen im Raum, wie etwa elektrische Geräte.“ Auch die Baukonstruktion selbst, etwa die Wärmespeicherfähigkeit der verwendeten Materialien, beeinflusst die Temperaturentwicklung deutlich.
„Bisher war es nur Spezialfachleuten möglich, die Temperaturentwicklung in einem Raum schon während der Planung abzuschätzen“, erklärt Joachim Nackler. „Man benötigte teure Spezial-Programme, und auch die lieferten oft keine verlässlichen Ergebnisse, weil sie teilweise mit vereinfachten Norm-Verfahren arbeiteten, anstatt auf fundierte, physikalische Simulationen zu setzen.“
Daher wurde nun das Programm „Thesim 3D“ entwickelt – speziell abgestimmt auf die Bedürfnisse von Architekt_innen und Planer_innen. Es generiert automatisch eine physikalisch fundierte thermische Gebäudesimulation und berechnet den Temperaturverlauf der Raumluft sowie der Oberflächen im Raum. Gleichzeitig wurde auf eine einfache Eingabe und eine selbsterklärende Benutzeroberfläche Wert gelegt.
Ausprobieren und Erfahrung sammeln
„Der große Vorteil ist, dass der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bei der Planung auf einen Blick erfasst werden kann“, sagt Joachim Nackler. „Man kann ganz leicht ausprobieren, wie sich bauliche Maßnahmen, etwa Fenstergröße, Art der Verglasung oder Verschattung auf den Tagesverlauf der im Raum empfunden Temperatur auswirken.“ Besonders wichtig ist, dass das Programm die Auswirkung der Bauweise und der damit verknüpften Wärmespeicherfähigkeit der Baukonstruktion auf das sommerliche Temperaturverhalten sehr genau abbildet. „So kann das Programm auf fast spielerische Weise schon im Planungsprozess wichtige Erfahrungen in Hinblick auf thermische Optimierung vermitteln“, betont Nackler.
In einem Testlauf wurde „Thesim 3D“ bereits im Zuge von Joachim Nacklers Dissertation von 50 ArchitektInnen, BauingenieurInnen und BauphysikerInnen in Österreich, Deutschland und der Schweiz auf seine Benutzerfreundlichkeit getestet und als „ausgezeichnet“ bewertet. „Wir erwarten und hoffen daher, dass Thesim 3D als allgemein und kostenlos zugängliches Tool im Internet positive Auswirkungen auf die Planungspraxis hat und damit Teil der dringend notwendigen Entwicklung einer zukunftsfähigen Baukultur ist“, sagt Joachim Nackler.
Ab sofort steht Thesim 3D unter www.thesim.at kostenlos zur Verfügung.
Dr. Joachim Nackler
Institut für Architekturwissenschaften
Technische Universität Wien
nackler@iti.tuwien.ac.at
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