Energiesparende Server: Datenspeicherung 2.0
Ein paar Bilder der Kinder an die Großeltern senden, einen Film oder Musik streamen, stundenlang im Internet stöbern – das Datenvolumen, das unsere Gesellschaft erzeugt, steigt stetig.
Der Haken an der Sache: Das Speichern von Daten verschlingt enorm viel Energie. Steigt die Datenmenge künftig noch weiter, nimmt der Energieverbrauch um mehrere Größenordnungen zu. Untersuchungen zufolge wird der Energieverbrauch für die IT-Branche bis 2030 voraussichtlich auf zehn Petawattstunden, also zehn Billionen Kilowattstunden, ansteigen. Das entspräche etwa der Hälfte des weltweiten Stroms.
Doch wie lässt sich die Energie senken, die Server benötigen? Üblicherweise werden Daten über die Magnetisierung in einer Speicherschicht gespeichert. Dazu werden elektrische Ströme durch ferromagnetische Multilagenschichten geleitet, wo die fließenden Elektronen ein effektives Magnetfeld erzeugen.
Die Magnetisierung in der Speicherschicht „spürt“ dieses Magnetfeld und ändert seine Magnetisierungsrichtung entsprechend. Dabei kann jedes Elektron jedoch nur einmal verwendet werden. Ein Entwicklungsschritt hin zur energiesparenden Datenspeicherung liegt darin, eine ferromagnetische Speicherschicht mit einem Schwermetall wie Platin zu versehen.
Der Strom fließt durch das Schwermetall, die Elektronen springen zwischen Schwermetall und ferromagnetischer Schicht hin und her. Der große Vorteil: Auf diese Weise lassen sich die Elektronen viele wiederholte Male nutzen, der Strombedarf beim Schreiben der Daten sinkt um einen Faktor von bis zu tausend.
Effizienz des Speichervorgangs verdoppeln
Ein Forscherteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat nun gemeinsam mit Forschern des Forschungszentrums Jülich eine Möglichkeit gefunden, die Effizienz dieser Speicherung noch einmal zu verdoppeln. „Statt als Substrat einfaches Silizium zu verwenden wie bisher, nutzen wir einen Piezokristall“, erläutert Mariia Filianina, Wissenschaftlerin an der JGU.
„Auf diesen bringen wir die Schwermetallschicht sowie die ferromagnetische Schicht auf.“ Wird nun ein elektrisches Feld an den Piezokristall angelegt, so erzeugt der Piezokristall eine mechanische Spannung. Diese wiederum steigert die Effizienz des magnetischen Schaltens der Speicherschicht, der der Datenspeicherung zugrunde liegt. Wie sehr sich die Effizienz verbessert, hängt vom System und der Stärke des elektrischen Feldes ab. „Wir können die Effizienzänderung direkt messen und somit die passende Feldstärke einstellen – quasi ‚on the fly‘“, sagt Filianina.
Kurzum: Über die elektrische Feldstärke, die man an den Piezokristall anlegt, lässt sich die Effizienz des magnetischen Schaltvorganges direkt steuern.
Das ermöglicht nicht nur eine deutliche Energieeinsparung, sondern erlaubt auch komplexe Architekturen zur Informationsspeicherung. Das Prinzip: Applizieren die Forscherinnen und Forscher das elektrische Feld am Piezokristall nur an einer kleinen Stelle, steigt auch nur dort die Effizienz der Umwandlung.
Stellen sie das System nun so ein, dass die Spins der Elektronen sich nur dann neu orientieren, wenn die Verstärkung durch den Piezokristall gegeben ist, können sie die Magnetisierung lokal ändern.
„Auf diese Weise können wir Multilevel-Speicher und komplexe Serverarchitekturen einfach realisieren“, sagt Filianina, Doktorandin in der Exzellenz-Graduiertenschule „Materials Science in Mainz“ und dem Max Planck Graduate Center.
„Ich freue mich, dass die Zusammenarbeit mit den Kollegen vom Forschungszentrum Jülich so gut funktioniert. Nur mit Hilfe der theoretischen Analyse der Kollegen konnten wir die Beobachtungen erklären und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit im Rahmen des kürzlich gemeinsam eingeworbenen ERC Synergy Grants“, sagt Prof. Dr. Mathias Kläui, der die experimentellen Arbeiten koordiniert hat.
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/08_physik_komet_datenspeicherung_energiebed…
Schematische Darstellung der Architektur eines Bauteils, das den piezoelektrischen Effekt ausnutzt.
Abb./©: AG Kläui
Kontakt:
Mariia Filianina
Institut für Physik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-26788
E-Mail: mfiliani@uni-mainz.de
Prof. Dr. Mathias Kläui
Physik der Kondensierten Materie
Institut für Physik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-23633
E-Mail: klaeui@uni-mainz.de
https://www.klaeui-lab.physik.uni-mainz.de/homepage-prof-dr-mathias-klaeui/
Weiterführende Links:
https://www.klaeui-lab.physik.uni-mainz.de – Kläui-Lab am Institut für Physik
https://www.mpgc-mainz.de/ – Max Planck Graduate Center mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (MPGC)
https://www.mainz.uni-mainz.de/ – Exzellenz-Graduiertenschule „Materials Science in Mainz“ (MAINZ)
Lesen Sie mehr:
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/10894_DEU_HTML.php – Pressemitteilung „Skyrmionen mögen es heiß: Spinstrukturen auch bei hohen Temperaturen steuerbar“ (13.02.2020)
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/10211_DEU_HTML.php – Pressemitteilung „Isolierende Antiferromagneten zeigen Potenzial für künftige Computerbauteile“ (25.10.2019)
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/9948_DEU_HTML.php – Pressemitteilung „ERC-Förderung für die Erforschung von dreidimensionalen magnetischen Nanostrukturen“ (11.10.2019)
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/8323_DEU_HTML.php – Pressemitteilung „Rechnen mit dem Zufall: Skyrmionen finden Anwendung in neuartiger Computer-Technologie“ (24.04.2019)
Mariia Filianina et al.
Electric-Field Control of Spin-Orbit Torques in Perpendicularly Magnetized W/CoFeB/MgO Films
Physical Review Letters, 26. Mai 2020
DOI: 10.1103/PhysRevLett.124.217701
https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.124.217701
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Energie und Elektrotechnik
Dieser Fachbereich umfasst die Erzeugung, Übertragung und Umformung von Energie, die Effizienz von Energieerzeugung, Energieumwandlung, Energietransport und letztlich die Energienutzung.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Windenergie, Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme, Erdöl, Gas, Atomtechnik, Alternative Energie, Energieeinsparung, Fusionstechnologie, Wasserstofftechnik und Supraleittechnik.
Neueste Beiträge
Erster Bernsteinfund auf antarktischem Kontinent
Südlichster Fund erlaubt weitere Einblicke in kreidezeitliche Wälder nahe des Südpols. In der Antarktis herrschten vor rund 90 Millionen Jahren Klimabedingungen, unter denen harzproduzierende Bäume überlebten. Ein Team unter Leitung…
Mit kleinen Partikeln Großes bewirken
Projekt NanoSTeW geht neue Wege in der Kupferverarbeitung. Neue kupferbasierte Werkstoffe für den 3D-Druck entwickeln und dabei das Thema Nachhaltigkeit ins Visier nehmen, das ist in den kommenden fünf Jahren…
Ohne Tiernutzung: Antikörper aus Algen für Schwangerschaftstests
Startup entwickelt neues Verfahren – DBU fördert Es kommt nicht alltäglich vor, dass junge Startups aus Deutschland eine Neuheit mit branchenveränderndem Potential auf den Markt bringen. Doch genau das plant…