Grundwasser in Nordindien sinkt bedrohlich
Der Norden Indiens, Heimat von 600 Mio. Menschen und zugleich die am meisten bewässerte Region der Welt, verliert jährlich 54 Kubikkilometer Grundwasser.
Das stellen Hydrologen von der University of California in der Fachzeitschrift „Geophysical Letters“ fest. Auf Grundlage von Satelliten-Messungen konnten sie berechnen, dass der Wasser-Nettoverlust den Norden Indiens in absehbarer Zeit der Wasserversorgung enorme Probleme bereiten wird. „Ich denke niemand wusste, dass sich das Wasser in dieser großen Region so schnell erschöpft“, so Forschungsleiter James Famiglietti.
Die Forscher machten sich Daten des 2002 gestarteten deutsch-amerikanischen Grace Recovery and Climate Experiment GRACE zunutze. Dabei handelt es sich um zwei Satelliten, die auf ihrem Parallelflug Veränderungen ihrer Distanzen per Mikrowelle präzise messen, was Rückschlüsse über die Anziehungskraft der Erde erlaubt. Denn wenn sich der vordere Satellit über eine Stelle mit ungewöhnlich starker Erdanziehung bewegt, beschleunigt er dabei und vergrößert den Abstand zum Zwillingssatellit, während beim Verlassen dieser Stelle das Umgekehrte eintritt.
Die Gravitationsänderungen, die sich dabei zeigen, gehen in erster Linie auf Wasser auf und unter der Erdoberfläche zurück. Auf diese Weise wurde bereits das Schmelzen der Eisberge dokumentiert sowie das Verschieben von Ozeanströmungen, die Austrocknung von Überschwemmungen und die Entleerung großer Seen.
Die 2,7 Mio. Quadratkilometer große Tiefebene in Nordindien rund um die Hauptstadt Neu-Delhi löste nach den schrumpfenden Eisbergen das größte von GRACE registrierte Schwinden von Schwerkraft aus. Die Gravitationsänderungen entsprechen einem Nettoverlust von 54 Kubikkilometer Grundwasser pro Jahr, wobei die Schwankungsbreite neun Kubikkilometer beträgt. Würde diese Wassermenge auf der ganzen Region verteilt werden, entspricht das einer jährlichen Regenmenge von 10 Zentimetern. Solche Dimensionen des Wasserentzugs reichen bereits aus, um den Wasserspiegel von einem stabilen zu einem fallenden Zustand überzuführen. Stets tiefere Brunnen und größere Pumpen werden für die Wasserentnahme nötig sein, wobei das zutage gebrachte Wasser jedoch zunehmend salzig und verschmutzt sein wird.
Dass der Wasserspiegel in Nordindien ständig sinkt, ist keine Überraschung, gilt diese Region doch als die am meisten bewässerte der Welt. 50 bis 75 Prozent der Landfläche werden mit gepumpten Grundwasser oder Reservoirwasser bewässert. Darüber hinaus beziehen die 600 Mio. Bewohner viel Grundwasser. Laut der GRACE-Datenanalyse wird das Grundwasser in dieser Dekade um 70 Prozent schneller herausgepumpt als man dies in den 1990er Jahren vorhersagte. „Man weiß in Indien bisher nicht, bis zu welcher Tiefe Wasser verfügbar ist. Sicher ist nur, dass es nicht bodenlos ist“, so Famiglietti.
Ein sinkender Grundwasserspiegel kann auch die Wasserqualität beeinträchtigen, ergänzt Jürgen Braun vom Institut für Wasserbau der Universität Stuttgart gegenüber pressetext. „Viele Grundwasserleiter sind in Indien stark arsenhaltig. Sinkt der Grundwasserspiegel, gelangt Sauerstoff an das Arsen und löst es, was zu zahlreichen Krankheiten führen kann.“
Auch andere Regionen wie etwa der mittlere Westen der USA seien vom Problem des sinkenden Grundwassers betroffen. „Auch hier muss immer tiefer nach Wasser gebohrt werden, was dann ständig ansteigende Energiekosten für die einzusetzenden Grundwasserpumpen nach sich zieht. Als eine der Gegenmaßnahmen beginnt man in den USA, Schmelzwasser aus den Rocky Mountains zurückzuhalten und zu infiltrieren. Große Bedeutung haben jedoch auch gesetzliche Regelungen, die den Wasserverbrauch nach Regionen beschränken“, so der Grundwasser-Experte.
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