Ab 25. Nov. 2005 verbindlich: "Neues Lebensmittelrecht schützt Allergiker"
Ernährungsmediziner der Universität Hohenheim begrüßen neuen Deklarationsbedarf für Lebensmittel. Im Detail bleibt Forschungs- und Regelungsbedarf
Allergiker können aufatmen: Zwölf Stoffe, die die häufigsten Allergien auslösen, müssen ab Freitag auf allen Lebensmittelpackungen gekennzeichnet werden. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, lobt Ernährungsmediziner Prof. Dr. Stephan Bischoff von der Universität Hohenheim. Forschungs- und Regelungsbedarf sieht der Ernährungsmediziner allerdings noch bei der Diskussion um Grenzwerte und der Frage, ob lose Ware an Käsetheken und Marktständen ebenfalls gekennzeichnet werden soll.
Für fünf bis acht Prozent aller Kinder und ein bis zwei Prozent der Erwachsenen endet am 25. November ein Leben voller Unsicherheit. Denn so groß ist der Anteil der Bevölkerung mit Lebensmittelallergien. Vor allem bei Fertigprodukten mussten sie bislang fürchten, mit Stoffen konfrontiert zu werden, die zum Teil lebensgefährliche Allergie-Schübe auslösen können – ohne dass diese in den Verpackungshinweisen angegeben waren.
„Bislang gab es abstruse Lücken in der Deklarationspflicht,“ sagt Prof. Dr. Bischoff vom Lehrstuhl für Ernährungsmedizin und Prävention der Universität Hohenheim. So suchten Allergiker bislang vergeblich nach allergenen Stoffen, wenn diese sich in einer Zutat versteckten, die weniger als 25 Prozent des Enderzeugnisses ausmachten. „So blieb zum Beispiel verborgen, woraus der verwendete Senf oder die Mayonnaise bestand und statt <
Zwölf große Lebensmittelgruppen, die die häufigsten allergischen Reaktionen hervorrufen, müssen zudem speziell gekennzeichnet werden. Dazu gehören glutenhaltiges Getreide, Krebstiere, Fisch, Erdnüsse und Schalenfrüchte wie Mandel, Wal- und Haselnuss, Soja, Sellerie, Senf, Sesam, Schwefeldioxid sowie Milch und Eier. „Letztere rufen vor allem bei Kleinkindern die meisten allergischen Reaktionen hervor“, sagt Prof. Dr. Bischoff. Insgesamt habe die Zahl der Allergieerkrankungen in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Die Symptome seien vielfältig: Angefangen von Magenbeschwerden bis hin zum anaphylaktischen Schock, der zum Tod führen kann.
Mit dem neuen Lebensmittelrecht greife der Gesetzgeber eine Forderung auf, mit der Betroffenenverbände schon lange um mehr Sicherheit auf dem Teller rangen. Angesichts praktischer Probleme bei der Umsetzung befürwortet Prof. Dr. Bischoff jedoch, künftig auch für allergene Stoffe Grenzwerte festzulegen. „Nach dem aktuellen Gesetz müssen selbst geringste Spuren angegeben werden – was dazu führt, dass Lebensmittelhersteller lieber zu viel als zu wenig auf die Packung schreiben.“ Die Folge seien zum Beispiel Schokoladen mit der Deklaration <
Dabei stelle sich die Frage, ob diese Spuren bereits eine allergische Reaktion hervorrufen können. „Bislang haben wir keine medizinisch genauen Grenzwerte definiert. Hier besteht definitiv Forschungsbedarf“, so Prof. Dr. Bischoff. Sobald Daten vorlägen, sei es sinnvoll, das Gesetz anzupassen.
Nachbesserungsbedarf sieht Prof. Dr. Bischoff auch darin, dass die neue Regelung nur für verpackte Ware gilt. Offene Waren, die auf Märkten oder Ständen angeboten werden, sind von der Deklarationspflicht ausgenommen. Wobei es sicher richtig sei, dass der Unsicherheitsfaktor bei loser Ware geringer ist als der von industriell hergestellten Lebensmitteln. „Auf dem Markt sehen Sie meistens sehr genau, was Ihnen angeboten wird. Bei Fertigprodukten können Sie die Zutaten in der Regeln nicht mehr abschätzen.“
Hintergrund
Mit dem 25. November 2005 endet eine Übergangsfrist, die das neue Lebensmittelrecht, genau „Lebensmittel und Futter Gesetzbuch“ (LFGB), in Deutschland endgültig verbindlich macht. Es geht zurück auf eine Richtlinie der Europäischen Union, das die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umsetzen müssen. Verabschiedet war das neue Lebensmittelrecht am 10. November 2004 worden. Die Übergangsfrist begann am 13. November 2004, ab 25.11.2005 tritt das neue Gesetz in Kraft.
Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
Prof. Dr.med. Stephan Bischoff
Lehrstuhl für Ernährungsmedizin und Prävention
Universität Hohenheim
Tel.: 0711 459 4100
E-Mail:Bischoff.stephan@uni-hohenheim.de
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