Neuer Ansatz zur Parkinson-Therapie?
Die Ursachen der Parkinson-Krankheit sind immer noch nicht komplett verstanden. Sicher ist aber, dass das fortschreitende Absterben von Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn zu einem Dopamin-Mangel und letztlich zu den typischen Krankheitssymptomen führt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Ulm haben nun zusammen mit Kooperationspartnern aus Köln und Oxford diesen Prozess genauer untersucht. Dabei konnten die Forschenden zeigen, dass das Ausschalten bestimmter Kalzium-Kanäle (Cav2.3 R-Typ) das Absterben der Zellen verhindern kann. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.
Die Parkinson-Krankheit ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Allein in Deutschland sind rund 300.000 Patientinnen und Patienten davon betroffen, und die Zahl nimmt weiter zu.
Bei dieser Krankheit sterben Nervenzellen in der sogenannten „Schwarzen Substanz“ des Gehirns ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren und freisetzen. Der daraus folgende Dopamin-Mangel führt letztendlich zu Bewegungsstörungen, wie krankheitstypischem Ruhe-Zittern und versteiften Muskeln.
In ihrer neuen Studie haben Forscherinnen und Forscher der Universität Ulm um Professorin Birgit Liss, Leiterin des Instituts für Angewandte Physiologie, das Absterben der Dopamin-produzierenden Neuronen und deren hohe Empfindlichkeit für Parkinson-Stressoren untersucht. Die Forschenden konnten in diesem Zusammenhang einen speziellen spannungsgesteuerten Ionenkanal identifizieren, nämlich einen Kalzium-Kanal vom R-Typ auch Cav2.3 genannt.
„Wir haben zusammen mit unseren Kooperationspartnern herausgefunden, dass dieser Kanal, der zuvor noch nicht mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht wurde, wichtig für die Funktion der empfindlichen Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn ist. Dieser Kanal lässt in bestimmten Abständen Kalzium in die Zellen. Wird er aber geschlossen, schützt dies im Parkinson-Mausmodell die Nervenzellen vor dem Absterben“, so Liss. Kalzium ist für eine Vielzahl von Zellfunktionen wichtig, aber zu viel davon kann zum Zelltod führen.
„Unsere Untersuchungen an Nervenzellen von Parkinson-Patienten zeigen, dass der Cav2.3-Kanal auch beim Menschen wichtig ist und in ähnliche Signalkaskaden involviert scheint, wie im Mausmodell“, erklärt die Erstautorin Julia Benkert, die am Institut für Angewandte Physiologie promoviert. „Der Cav2.3-Kanal wird durch die Aktivität der empfindlichen Neuronen geöffnet und geschlossen und vermittelt so zeitweise erhöhte Kalziumspiegel in den Zellen“, beschreibt Peter Kloppenburg, Professor für Neurophysiologie am Institut für Zoologie und dem Forschungszentrum CECAD der Universität zu Köln.
Vor kurzem ist eine Studie in der klinischen Phase III mit dem Medikament „Isradipin“ gescheitert. Isradipin verschließt einen anderen Typ von Kalziumkanälen. Obwohl epidemiologische Hinweise die Verwendung von solchen Kanalblockern mit einem verringerten Parkinson-Risiko in Verbindung bringen, bot Isradipin in der Studie keinen Schutz für Parkinson-Patienten. „Die Gründe dafür können vielfältig sein – unsere neuen Befunde könnten eine Erklärung dafür liefern“, so die Forschenden.
Mit ihrer Arbeit haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen neuen Ansatzpunkt für eine mögliche Therapie der Parkinson-Krankheit geschaffen. Denn zurzeit gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, die die Krankheit kurieren oder zumindest ihr Fortschreiten verlangsamen kann.
In Zukunft könnte das Ausschalten von Cav2.3-Kanälen – allein oder in Kombination mit anderen Kalzium-Kanälen – die Grundlage einer neuen neuroprotektiven Therapie für die Parkinson-Krankheit bilden. Das große Ziel der Forschenden ist es, die neurodegenerative Krankheit zu verlangsamen oder gar aufzuhalten.
Gefördert wurde die Studie durch Mittel der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und im Rahmen des österreichischen Spezialforschungsbereichs des FWF-Wissenschaftsfonds F-44: „Cell signaling in chronic CNS disorders“ sowie der Alfried-Krupp-Stiftung und weiterer Geldgeber.
Prof. Dr. Birgit Liss, Leiterin des Instituts für Angewandte Physiologie, birgit.liss@uni-ulm.de, Tel.: 0731/500 36214
Julia Benkert, Simon Hess, Shoumik Roy, Dayne Beccano-Kelly, Nicole Wiederspohn, Johanna Duda, Carsten Simons, Komal Patil, Aisylu Gaifullina, Nadja Mannal, Elena Dragicevic, Desireé Spaich, Sonja Müller, Julia Nemeth, Helene Hollmann, Nora Deuter, Yassine Mousba, Christian Kubisch, Christina Poetschke, Joerg Striessnig, Olaf Pongs, Toni Schneider, Richard Wade-Martins, Sadip Patel, Rosanna Parlato, Tobias Frank, Peter Kloppenburg & Birgit Liss: Cav2.3 channels contribute to dopaminergic neuron loss in a model of Parkinson’s disease. Nature Communication 08 November 2019 https://doi.org/10.1038/s41467-019-12834-x
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