Erleuchtung am kältesten Punkt von Chemnitz
Im Erzgebirge fallen die tiefsten Temperaturen auch in strengen Wintern selten unter minus 25 Grad Celsius. In medizinisch genutzten Kältekammern in der Region werden Therapien bei minus 90 Grad Celsius angeboten.
Jedoch gibt es in Chemnitz einen Ort, an dem es noch viel kälter ist: In mehreren Labors des Instituts für Physik der Technischen Universität Chemnitz können routinemäßig minus 269 Grad Celsius durch Abkühlung mit flüssigem Helium erreicht werden.
Rund 900 Kubikmeter dieses seltenen Gases werden in einem geschlossenen Kreislauf zuerst mit einer Kältemaschine im Keller des Institutsgebäudes auf dem Uni-Campus verflüssigt, so dass anschließend ein Kubikmeter sehr kalte Flüssigkeit für Experimentierzwecke zur Verfügung steht.
Dieses wird mit gut isolierten Thermosflaschen zu den Experimentieranlagen transportiert und zu deren Abkühlung genutzt. Das dabei abdampfende Helium wird über die im ganzen Gebäude verlegten Kupferrohre wieder in die Tanks im Keller zurückgeführt.
Diese begehrte Flüssigkeit benötigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts insbesondere für Versuche im Bereich extrem tiefer Temperaturen. In diesem Bereich können viele störende Einflüsse ausgeschlossen werden, um physikalische Phänomene selektiv zu untersuchen.
„Die Experimente bei tiefen Temperaturen sind dabei in gleichem Maße zur Erforschung grundlegender und angewandter physikalische Phänomene notwendig“, sagt Prof. Dr. Ulrich Schwarz. Seine Professur für Experimentelle Sensorik an der TU Chemnitz gehört zu den eifrigsten Nutzern des flüssigen Heliums.
Aktuell untersucht das Forschungsteam an Hochleistungs-Leuchtdioden (LED) die Umwandlung von Strom zu Licht und taucht dabei mit Hilfe der Photolumineszenz tief in den Mikrokosmos vor.
„Ziel ist es, die Effizienz von Leuchtdioden weiter zu steigern. Wir müssen deshalb verstehen, welche Prozesse beim Ladungsträgertransport zwischen den Halbleiterschichten ablaufen, um sie letztendlich auch gezielt beeinflussen zu können“, so Schwarz.
Dies sei nicht nur ein spannendes Thema innerhalb der Grundlagenforschung, auch die Industrie sei an den Ergebnissen sehr interessiert. „So forschen wir beispielsweise seit einiger Zeit gemeinsam mit der Osram Opto Semiconductors GmbH auf diesem Gebiet“, fügt der Physikprofessor hinzu.
Dies gelingt nur mit der am Physik-Institut vorhandenen Kältetechnik. Die Versuche mit den Leuchtdioden finden bei einer Temperatur von etwa 15 Kelvin (also bei etwa minus 258 Grad Celsius) in einem sogenannten Kryostat statt. Dies ist ein Kühlgerät, in dem sehr tiefe Temperaturen längere Zeit konstant eingehalten werden können. Um die Licht erzeugenden Mechanismen in den Leuchtdioden zu untersuchen, müssen diese von außen durch ein Fenster im „Kryostat-Kühlschrank“ sichtbar sein.
Zu beachten ist auch, dass bei diesem Experiment der Abstand zwischen dem Objektiv eines hochauflösenden Mikroskops und der zu testenden LED kleiner als zwei Millimeter sein muss. Dazu liegt die Leuchtdiode knapp unter einem dünnen Quarzglas-Fenster, zur thermischen Isolierung dient ausschließlich eine dünne Schicht Hochvakuum zwischen Leuchtdiode und Quarzglas-Fenster.
„Während unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Mikroskop im klimatisierten Labor bei Raumtemperatur arbeiten, scheint die auf minus 258 Grad Celsius abgekühlte Leuchtdiode in unmittelbarer Greifweite zu sein“, so Schwarz.
Die Kältemaschine kommt übrigens nicht nur für Forschungszwecke zum Einsatz, sie wird auch in der Lehre genutzt. So können Chemnitzer Physik-Studierende im Rahmen von studienbegleitenden Praktika ebenfalls bei tiefen Temperaturen Versuche durchführen.
Prof. Dr. Ulrich Schwarz, Telefon 0371 531-30001, E-Mail ulrich.schwarz@physik.tu-chemnitz.de
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