Tief ins Innere von Perseus A

Radioteleskope im erdgebundenen globalen Netzwerk, die zusammen mit RadioAstron an den Beobachtungen von Perseus A beteiligt waren. Paul Boven (boven@jive.eu). Satellitenbild: Blue Marble Next Generation, mit freundlicher Genehmigung durch NASA Visible Earth (visibleearth.nasa.gov).

Schwarze Löcher mit einigen Milliarden Sonnenmassen treten in den Zentren von allen massereichen Galaxien auf. Es ist bereits länger bekannt, dass von einigen dieser massereichen Schwarzen Löcher spektakuläre Plasmajets ausgehen, wobei fast lichtschnelles Plasma aus dem direkten Umfeld des Schwarzen Lochs abgestrahlt wird, die sich bis weit außerhalb der Grenzen ihrer Muttergalaxie erstrecken können.

Wie diese Jets sich bilden, ist ein schon lange bestehendes Rätsel. Eine der Hauptschwierigkeiten bei dessen Lösung liegt darin, dass es bisher nich möglich war, die Strukturen der vom Schwarzen Loch ausgehenden Jets genügend nahe am Startpunkt abzubilden. Das ist erforderlich für einen dirtekten Vergleich der Beobachtungen mit theoretischen Rechnungen und Computermodellen zur Entstehung der Jets.

Ein internationales Team mit Wissenschaftlern aus acht Ländern hat es nun geschafft, Bilder des Jets im Umfeld des massereichen Schwarzen Lochs in der gigantischen Galaxie NGC 1275 (bekannt als Radioquelle unter den Bezeichnungen Perseus A oder 3C 84) in höchster Winkelauflösung zu erhalten.

Damit können Strukturen im Jet 10mal näher an der Zentralquelle räumlich aufgelöst werden als es vorher nur mit erdgebundenen Radioteleskopen möglich war – das lässt vorher nicht sichtbare Details direkt in der Region der Entstehung des Jets erkennen.

„Das Ergebnis war erstaunlich. Es zeigt sich, dass die gemessene Breitenausdehnung des Jets wesentlich größer ist als von den zur Zeit favorisierten Modellen zur Jetentstehung zu erwarten wäre. Danach entsteht der Jet direkt in der Ergosphäre, dem Bereich unmittelbar außerhalb des Ereignishorizonts eines rotierenden Schwarzen Lochs, in dem der Raum selbst in eine Kreisbewegung um das Schwarze Loch gezogen wird“, erklärt der Erstautor der Veröffentlichung in „Nature Astronomy“, Professor Gabriele Giovannini vom Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) in Italien.

„Das könnte andeuten, dass zumindest der äußere Teil des Jets von der Akkretionsscheibe ausgeht, die das Schwarze Loch umgibt. Unsere Ergebnisse zeigen noch nicht schlüssig, dass die derzeitigen Modelle, in denen der Jet von der Ergosphäre ausgeht, falsch sind, aber sie ermöglichen den Theoretikern doch einsichten in die Struktur der Jets nahe am Ausgangspunkt und damit Hinweise zur Weiterentwicklung der Mosdelle“, ergänzt der Leiter des RadioAstron-Beobachtungsprogramms, in dessen Rahmen die Ergebnisse erhalten wurden, Dr. Tuomas Savolainen von der Aalto-Universität in Finnland.

Die Untersuchung zeigt weiterhin, dass die Jetstruktur in NGC 1275 deutlich von der Struktur des Jets in der relativ nahen Galaxie Messier 87 abweicht, der einzigen anderen Galaxie, in der die Struktur des Jets mit Beobachtungen entsprechend nahe am zentralen Schwarzen Loch abgebildet werden konnte. Die Forscher glauben, dass die beobachtete Abweichung auf einen Altersunterschied zwischen den beiden Jets zurückgeführt werden kann.

„Der Jet in NGC 1275 wurde vor gut 10 Jahren erst neu gestartet und ist immer noch in seiner Ausformung begriffen. Das bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Wachstum des Jets an einem Schwarzen Loch in einer sehr frühen Phase zu verfolgen“, erklärt Professor Masanori Nakamura von der Academia Sinica in Taiwan.

„Die Untersuchung des Zentralbereichs von NGC 1275 setzt unser Forschungsprogramm zu aktiven Galaxienkernen bei höchstmöglicher Auflösung fort. Mit einer Entfernung von gerade mal 70 Megaparsec oder 230 Millionen Lichtjahren bis zu dieser Galaxie sind wir in der Lage, die Struktur des Jets in einer vorher nicht gekannten Genauigkeit von nur einigen Hundert Schwarzschildradien oder 12 Lichttagen abzubilden“, schließt Professor Anton Zensus, Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Leiter der VLBI-Forschungsabteilung, ebenfalls ein Ko-Autor der Veröffentlichung.

Ein Radioteleskop im Weltall – und Dutzende auf der Erdoberfläche

Die deutliche Verbesserung in der Bildschärfe bei den Untersuchungen des Jets im Zentrum von NGC 1275 wird ermöglicht durch das Weltraum-Radiointerferometer RadioAstron, das sich aus einem 10-Meter-Radioteleskop in einer Umlaufbahn um die Erde sowie ca. zwei Dutzend der größten erdgebundenen Radioteleskope zusammensetzt.

Wenn die von den einzelnen Teleskopen aufgenommenen Radiosignale interferometrisch miteinander kombiniert werden, erzielt dieses Netzwerk die Winkelauflösung eines virtuellen Einzelteleskops von bis zu 350.000 km Durchmesser; das entspricht nahezu dem Abstand zwischen Erde und Mond.

Das macht RadioAstron zu dem Teleskop mit der höchsten Winkelaufläösung in der Geschichte der Astronomie. Das RadioAstron-Projekt wird geleitet vom Astro Space Center des Lebedev-Physicalinstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften und der Lavochkin Scientific and Production Association unter einem Vertrag mit der russischen Weltraumorganisation ROSCOSMOS, in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Russland und in anderen Ländern.

„Das RadioAstron-Projekt ist stolz darauf, dass die einzigartige Kombination des russischen Weltraumteleskops mit einigen der größten erdgebundenen Radioteleskope weltweit es ermöglicht, diese jungen relativistischen Jets in der unmittelbaren Umgebung von massereichen Schwarzen Löchern zu untersuchen“, kommentiert Professor Yuri Kovalev vom Lebedev-Institut in Moskau, der Projektwissenschaftler von RadioAstron.

Die beiden Erstautoren innerhalb des Forschungsteams sind Gabriele Giovannini von der Universität Bologna & dem INAF-Institut in Italien, und Tuomas Savolainen von der Aalto-Universität & dem Metsähovi-Radio-Observatorium in Finnland. Autoren vom MPIfR sind Thomas Krichbaum, Andrei Lobanov und Anton Zensus sowie Tuomas Savolainen und Yuri Kovalev, beide mit MPIfR-Affiliation.

Yuri Kovalev war als Humboldt-Stipendiat im Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und ist für den Friedrich-Wilhelm-Bessel-Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ausgewählt.

Originalveröffentlichung:

A wide and collimated radio jet in 3C84 on the scale of a few hundred gravitational radii, G. Giovannini et al., in: Advance Online Publication (AOP) auf der Nature Astronomy Website am 2. April 2018. DOI: 10.1038/s41550-018-0431-2. (https://www.nature.com/natastron/)

Lokaler Kontakt:

Dr. Andrei Lobanov,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-191
E-mail: alobanov@mpifr-bonn.mpg.de

Prof. Dr. Anton Zensus,
Director and Head of Research Department „Radio Astronomy / VLBI“
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-378
E-mail: azensus@mpifr-bonn.mpg.de

Prof. Dr. Eduardo Ros,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-125
E-mail: ros@mpifr-bonn.mpg.de

https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2018/4

Media Contact

Norbert Junkes Max-Planck-Institut für Radioastronomie

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…