DFG richtet neun neue Forschergruppen ein (10/2014)
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet neun neue Forschergruppen ein. Dies beschloss der Senat der DFG jetzt auf seiner Herbst-Sitzung in Bonn. Die Forschungsverbünde ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren.
Wie alle DFG-Forschergruppen werden die neuen Einrichtungen orts- und fächerübergreifend arbeiten. In der ersten Förderperiode erhalten sie über einen Zeitraum von drei Jahren insgesamt rund 16 Millionen Euro. Im Ganzen fördert die DFG damit 189 Forschergruppen.
Die neuen Forschergruppen im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen)
Wie identifizieren wir Bedarfe und entscheiden, wie diese verteilt werden? Kann eine bedarfsgerechte Umverteilung nachhaltig sein? Diese und weitere Fragen will die Forschergruppe „Bedarfsgerechtigkeit und Verteilungsprozeduren“ beantworten und damit Beiträge zu einer normativen Theorie der Bedarfsgerechtigkeit liefern. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft, Philosophie und Psychologie orientieren sich dabei an zwei zentralen Vermutungen: zum einen, dass es dem Einzelnen leichter fällt, die bestehenden Verteilungsprinzipien zu akzeptieren, wenn diese transparent sind; zum anderen, dass die Zustimmung zum Verteilungsergebnis umso höher ist, je mehr Expertise bei der Verteilung herangezogen wird. Ausgehend davon sollen in der Folge passgenaue Analysen des Sozialstaats betrieben werden.
(Sprecher: Professor Dr. Stefan Traub, Universität Bremen)
In Deutschland wird immer wieder vor einem wachsenden Fachkräftemangel gewarnt, insbesondere auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akademiker in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Dafür ist nicht nur die vergleichsweise niedrige Studierendenzahl verantwortlich, sondern auch die im internationalen Vergleich hohe Quote an Studienabbrüchen in diesen Fächern. Wie kommt es dazu? Sind die Universitäten zu anspruchsvoll oder fehlen den Studierenden die Voraussetzungen? Die Forschergruppe „Akademisches Lernen und Studienerfolg in der Eingangsphase von MINT-Studiengängen“ sucht fundierte Antworten aus den verschiedenen Blickwinkeln der Erziehungswissenschaft, der Psychologie und der Didaktik der Natur- und Ingenieurwissenschaften. Im Fokus der Forschung stehen zunächst Fragen der Studienfachwahl, der Studienanforderungen und der Lernvoraussetzungen, später dann theoretisch begründete Interventionen zur Verringerung der hohen Abbruchquoten.
(Sprecher: Professor Dr. Detlev Leutner, Universität Duisburg-Essen)
In den Industriezweigen Kommunikation, Beleuchtung und Energie kommen zunehmend photonische Netze zum Einsatz, wenn es um die optische Übertragung, Speicherung oder Verarbeitung von Informationen geht. Dabei wird immer wieder auch der Ruf nach Neuentwicklungen in der optischen Aufbau- und Verbindungstechnik laut. Zwar existieren Beispiele für den vorteilhaften Einsatz optischer Systeme, etwa die hervorragende Übertragung sehr großer Datenmengen, aber ungelöst sind Fragen zur Signalübergabe an Knotenpunkten in den photonischen Netzen. Die Forschergruppe „Optische Aufbau- und Verbindungstechnik für baugruppenintegrierte Bussysteme“ will sich diesen Problemstellungen widmen und so die Grundlage für die Fertigung dreidimensionaler, optisch funktionalisierter, mechatronischer Bauteile legen.
(Sprecher: Professor Dr.-Ing. Jörg Franke, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
Schwerewellen sind Wellen, deren Ausbreitung durch die sogenannte Schwerebeschleunigung dominiert wird. Die Schwerebeschleunigung wird im Fall der Erde auch Erdbeschleunigung genannt und ist diejenige Kraft, die durch Gravitations- und Trägheitswirkung verursacht wird. Sie spielt auch bei der Vorhersage von Erdbeben eine wichtige Rolle – mehr noch als die Erdbebenstärke selbst. Des Weiteren haben Schwerewellen eine zentrale Bedeutung bei der Verbreitung von Wasserdampf in die Stratosphäre, und das wiederum hat einen nennenswerten Effekt auf das Klima. Die Forschergruppe „Mehrskalendynamik von Schwerewellen“ will nicht nur das theoretische Verständnis der Mehrskalendynamiken von Schwerewellen verbessern, sondern auch deren mathematische Modellierung und exakte Berechnung.
(Sprecher: Professor Dr. Ulrich Achatz, Goethe-Universität Frankfurt/Main)
Der Bestand an Elektrofahrzeugen hat sich im Jahr 2013 weltweit verdoppelt. In Deutschland ist Elektromobilität auch wegen der Energiewende eines der Zukunftsthemen überhaupt. Die Forschergruppe „Verlustarme Elektrobleche für die Elektromobilität“ betrachtet deshalb die elektromechanischen Eigenschaften von Elektroblechen unter Einbezug der gesamten Herstellungsprozesskette vom Rohmaterial bis zum fertigen Motor. Sie verfolgt vor allem das Ziel, die Verlustleistung in Elektromotoren jeglicher Art zu reduzieren. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen die wechselseitigen Wirkungen zwischen Werkstoffeigenschaften, Verarbeitungstechnologien und Anwendungsbedingungen berücksichtigen. So soll letztendlich ein auf die Anforderungen maßgeschneidertes, verlustarmes Elektroblech erzeugt werden.
(Sprecher: Professor Dr.-Ing. Rudolf Kawalla, Technische Universität Bergakademie Freiberg)
Das Gehirn hat die Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern, um Individuen die Anpassung an die sich verändernde Umwelt zu ermöglichen. So hängen etwa Lernen und Gedächtnis eng mit der Fähigkeit der Nervenzellen zusammen, die Effizienz ihrer Kommunikationsstellen, der Synapsen, stetig zu verändern. Diese „synaptische Plastizität“ gilt als zentraler neuronaler Mechanismus der Gedächtnisbildung im Zentralnervensystem. Die Forschergruppe „Synaptische Plastizität GABAerger Zellen – vom Mechanismus zur Funktion“ will nun die Plastizität einer bestimmten Klasse von Schaltneuronen, die zwischen zwei oder mehr Nervenzellen geschaltet sind, den sogenannten GABAergen inhibitorischen Interneuronen, untersuchen. So soll das Verhältnis zwischen Plastizität von Interneuronen, Netzwerkaktivität, Lernen und gedächtnisrelevantem Verhalten ermittelt werden.
(Sprecherin: Professorin Dr. Marlene Bartos, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Facebook, Twitter, Spotify oder YouTube: Die digitalen sozialen Medien beeinflussen in immer stärkerem Maße das Verhalten von Konsumenten. So verbreiten sich Informationen viel schneller und erreichen wesentlich breitere Zielgruppen. Das wiederum führt dazu, dass mögliche Käufer von Produkten nicht nur durch Werbespots und Anzeigen überzeugt werden, sondern auch durch Meinungsäußerungen anderer Konsumenten über soziale Netzwerke. Die Konsumenten erlangen deshalb in der Beziehung zu Unternehmen mehr Macht. Dies gilt besonders bei sogenannten hedonischen Medienprodukten wie Büchern, Computerspielen, Filmen oder Musik. Diese Netzwerkstrukturen untersucht die Forschergruppe „Vermarktung hedonischer Medienprodukte im Kontext digitaler sozialer Medien“, die zugleich auch den Blick ausweitet auf die Reaktionen der Konsumenten und Märkte.
(Sprecher: Professor Dr. Henrik Sattler, Universität Hamburg)
Das Ziel der Forschergruppe „Memristive Bauelemente für neuronale Systeme“ ist die technische Nachbildung von neuronaler Informationsverarbeitung. Vergleichbar mit der Verknüpfung von Nervenzellen im Gehirn von Tieren und Menschen über Synapsen, sollen nach Vorstellung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analoge Schaltungstechniken mit nanoelektronischen, memristiven Bauelementen konstruiert werden. Memristiv ist eine Wortkombination aus dem englischen „Memory“, also Speicher, und „Resistor“, also elektrischem Widerstand, und bezeichnet ein passives elektrisches Bauelement. Die Herausforderung für die Forschergruppe besteht vor allem darin, bestimmte Eigenschaften der neuronalen Struktur – wie etwa die synaptischen Plastizitätsmechanismen als Grundlage von Lern‐ und Gedächtnisprozessen – auf die memristiven Schaltungen zu übertragen.
(Sprecher: Professor Dr. Hermann Kohlstedt, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Die Forschergruppe „Elucidation of Adhesion-GPCR Signaling“ beabsichtigt, die Struktur und die Funktion von Adhäsions-G-Protein-gekoppelten Rezeptoren zu analysieren. Diese Rezeptoren, abgekürzt aGPCRs, gehören zu den Sieben-Transmembran-Rezeptoren, die Auslöser von Signalkaskaden für vielfältige, lebenswichtige physiologische Funktionen des Körpers und Angriffsziel für etwa 60 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente sind. Die Funktion der aGPCRs ist bisher weitgehend unbekannt, obwohl anzunehmen ist, dass sie eine „Schatzkammer“ für die Entwicklung neuer Therapeutika darstellen. Die neue Forschergruppe will mithilfe ihrer Expertise in Physiologie, Biochemie, Strukturbiologie, Pharmakologie und nanoskopischer Bildgebungstechnik die grundlegenden Prinzipien der aGPCR-Signalgebung ans Licht bringen.
(Sprecher: Dr. Tobias Langenhan, Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
Weitere Informationen
Medienkontakt:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2443, presse@dfg.de
Ausführliche Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der eingerichteten Gruppen.
Zu DFG-Forschergruppen und Klinischen Forschergruppen siehe auch:
www.dfg.de/for/
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