DFG richtet neun weitere Sonderforschungsbereiche ein
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet neun weitere Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss der DFG auf seiner Herbstsitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 64,4 Millionen Euro für zunächst drei Jahre und neun Monate gefördert.
Hinzu kommt eine 20-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Forschungsprojekten. Die neu bewilligten SFB befassen sich beispielsweise mit dem menschlichen Essverhalten, mit mathematischen Invarianten und Metalloxid-Wasser-Wechselwirkungen; andere haben kardinale Mechanismen der Wahrnehmung oder Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive zum Forschungsgegenstand.
Fünf der neun eingerichteten Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere Forschungsstandorte verteilen. Zusätzlich zu diesen Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 23 SFB für jeweils eine weitere Förderperiode. Die DFG fördert damit ab April 2014 insgesamt 235 Sonderforschungsbereiche.
Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen)
In medizinischen Implantaten werden sie ebenso verwendet wie in Oberflächenbeschichtungen und Baumaterialien: Metalloxide. In der Regel werden sie aus einer wässrigen Lösung heraus gebildet und stehen auch in ihren Anwendungsbereichen häufig in Kontakt mit Wasser. Ein detailliertes Verständnis der Metalloxid-Wasser-Wechselwirkungen, die die Oxid-Bildungs- und Auflösungsprozesse bestimmen, ist daher für die Entwicklung von Materialien mit den jeweils gewünschten Eigenschaften sowie für die Sicherstellung ihrer Langzeitstabilität unverzichtbar. Der SFB „Molekulare Einblicke in Metalloxid/Wasser-Systeme: Strukturelle Evolution, Grenzflächen und Auflösung“ will deshalb die elementaren Prozesse rund um die Metalloxid-Wasser-Wechselwirkungen auf allen relevanten Längenskalen mit einer Kombination aus chemischer Synthese sowie hochmodernen experimentellen und theoretischen Methoden untersuchen.
(Sprecherhochschule: Humboldt-Universität zu Berlin, Sprecher: Prof. Dr. Christian Limberg; außerdem beteiligt: Freie Universität Berlin, Technische Universität Berlin, Universität Potsdam, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Berlin, Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH)
In der industriellen Produktion hochbelasteter Bauteile gelingt es recht gut, Maße, Formen und die Oberflächengeometrie gezielt einzustellen. Für oberflächennahe Werkstoffeigenschaften, sogenannte Randzoneneigenschaften wie beispielsweise Eigenspannungen und Härte, ist dies bisher jedoch kaum möglich. Genau diese Eigenschaften sind allerdings für die Lebensdauer und das Betriebsverhalten der Bauteile von entscheidender Bedeutung, da die Beanspruchungen in Form von Betriebslasten von der Oberfläche aus auf das Bauteil wirken. Deshalb ist es wichtig, ein besseres Verständnis der im Fertigungsprozess ablaufenden Vorgänge zu erhalten, die zu einer Veränderung der Werkstoffeigenschaften führen. Eben dies ist das Forschungsvorhaben des SFB/Transregio „Funktionsorientierte Fertigung auf der Basis charakteristischer Prozesssignaturen“.
(Sprecherhochschule: Universität Bremen, Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Ekkard Brinksmeier; außerdem beteiligt: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Oklahoma State University, Stillwater, USA)
Der Sonderforschungsbereich „Supramolekulare Chemie an Proteinen“ will neue Moleküle entwickeln, die anders als beispielsweise die meisten der bekannten Wirkstoffmoleküle mit Proteinen nicht durch Bindung an kleinen, wohldefinierten sogenannten Bindetaschen wechselwirken, sondern durch eine Bindung an der unspezifisch ausgebildeten Oberfläche. Solche eher großflächigen Wechselwirkungen sind bisher noch weitgehend unverstanden. Mithilfe der neu zu entwickelnden Moleküle sollen die Mechanismen der Proteinerkennung sowie der zunehmend in den Fokus rückenden Protein-Protein-Wechselwirkungen untersucht werden. Dabei wenden die Forscherinnen und Forscher moderne Erkenntnisse und Methoden der Supramolekularen Chemie auf biologische Fragestellungen an. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten langfristig sogar ein Beitrag zu neuen Ansätzen bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten sein.
(Sprecherhochschule: Universität Duisburg-Essen, Sprecher: Prof. Dr. Thomas Schrader; außerdem beteiligt: Technische Universität Eindhoven, Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie Dortmund)
Der SFB/Transregio „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung: Prädiktion, Bewertung, Kategorisierung“ will untersuchen, wie das menschliche Gehirn aus sensorischen Eingangssignalen übergeordnete Bedeutung ableitet. Das Forschungsinteresse richtet sich dabei vor allem auf die drei Prinzipien Vorhersage, Bewertung und Kategorisierung. Diese erzeugen komplexe interne Modelle der Umwelt, die im Gehirn stetig angepasst und verbessert werden. So lassen sich der künftige Zustand der Umgebung sowie Handlungskonsequenzen vorhersagen, mögliche Risiken und Nutzen von Reizen und Reaktionen bewerten und die unendliche Menge an Umweltreizen in Kategorien abbilden. Ziel des Forschungsverbunds ist es, diese Wahrnehmungsmechanismen auf der Verhaltensebene zu definieren, ihre Grundlagen im Gehirn zu identifizieren und ihre Funktionsweise mathematisch zu modellieren, umso besser zu verstehen, wie unsere Sinne uns die Fenster zur Welt öffnen.
(Sprecherhochschule: Justus-Liebig-Universität Gießen, Sprecher: Prof. Dr. Karl Reiner Gegenfurtner; außerdem beteiligt: Philipps-Universität Marburg)
Das Überangebot an energiereicher Nahrung, wie es in industrialisierten Ländern fast überall vorkommt, fördert das Essen über den eigentlichen Energiebedarf hinaus. Dieser Umstand gilt als eine der Hauptursachen für den dramatischen Anstieg an Übergewicht und Fettleibigkeit weltweit. Die Nahrungsaufnahme wird dabei nicht allein durch homöostatische Prozesse bestimmt, mit denen jedes Lebewesen seinen körperlichen Zustand in einem gesunden Gleichgewicht zu halten versucht. Vielmehr spielen auch hedonische, also belohnungsassoziierte Prozesse sowie die Ausbildung von Gewohnheiten eine Rolle. Wie der Einfluss dieser Faktoren von der individuellen genetischen Ausstattung abhängt und durch Veränderungen im Lebensstil beeinflusst wird, untersucht der SFB/Transregio „Essverhalten: Homöostase und Belohnungssysteme“.
(Sprecherhochschule: Universität zu Lübeck, Sprecher: Prof. Dr. Hendrik Lehnert; außerdem beteiligt: Universität zu Köln, Universität Hamburg, Max-Planck-Institut für neurologische Forschung Köln)
Der SFB/Transregio „Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“ untersucht, wie sich in der Geschichte die Vorstellungen von Sicherheit entwickelten und in den politischen Prozess gelangten. Dabei geht es einerseits um die Darstellung und andererseits um die Herstellung von Sicherheit – zwei einander bedingende Vorgänge, die von den Forscherinnen und Forschern aus Marburg und Gießen epochenübergreifend von der Antike bis zur Zeitgeschichte analysiert werden. Dazu verfolgt der Forschungsverbund kein starres Konzept von Sicherheit, sondern nutzt den neuen Ansatz der „Versicherheitlichung“, der den bestehenden politikwissenschaftlichen Diskurs in historischer Perspektive erweitert.
(Sprecherhochschule: Philipps-Universität Marburg, Sprecher: Prof. Dr. Christoph Kampmann; außerdem beteiligt: Justus-Liebig-Universität Gießen, Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Marburg)
Die geplanten Forschungen des neuen SFB/Transregio „Maßgeschneiderte nichtlineare Photonik: Von grundlegenden Konzepten zu funktionellen Strukturen“ konzentrieren sich vor allem auf die physikalischen Grundlagen und Anwendungen nichtlinearer Licht-Materie-Wechselwirkungen. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Verknüpfung vielversprechender Konzepte aus der Quantenoptik, der kohärenten Optik und der Optoelektronik zur Entwicklung maßgeschneiderter nichtlinearer photonischer Strukturen. Für diese neuartigen Bauelemente werden vielfache Anwendungen in der photonischen Informations- und Quantentechnologie vorhergesehen.
(Sprecherhochschule: Universität Paderborn, Sprecher: Prof. Dr. Artur Zrenner; außerdem beteiligt: Technische Universität Dortmund)
Wenn in der Mathematik komplizierte geometrische Objekte einfacheren algebraischen Strukturen zugeordnet werden, spricht man von geometrischen Invarianten. Mit ihnen werden die Objekte beschrieben und klassifiziert. Neue Erkenntnisse haben das Verständnis klassischer geometrischer Invarianten in den vergangenen Jahren verändert und gezeigt, wie man diese mit technisch anspruchsvollen Methoden zu höheren Invarianten verfeinern kann. Diese Entwicklung wird vor allem von der Arithmetischen Geometrie und der Globalen Analysis vorangetrieben. Der SFB „Höhere Invarianten – Wechselwirkungen zwischen Arithmetischer Geometrie und Globaler Analysis“ bringt Forscherinnen und Forscher beider Fachrichtungen zusammen und will eine gemeinsame systematische Untersuchung höherer Invarianten initiieren.
(Sprecherhochschule: Universität Regensburg, Sprecher: Prof. Dr. Guido Kings)
In den vergangenen Jahren wurden in pflanzlichen Organismen viele Schlüsselproteine identifiziert, die wesentlich zur pflanzlichen Physiologie, Entwicklung und Anpassung an Umweltfaktoren beitragen. Eine wichtige, oft ungeklärte Frage ist dabei, wie diese Schlüsselproteine spezifische Prozesse und Leistungen beeinflussen, sei es im Kern, im Zytoplasma, an der Zellmembran oder in der Zell-Zell-Kommunikation. Diese Vorgänge untersucht ein neuer Sonderforschungsbereich in Tübingen unter dem Titel „Molekulare Kodierung von Spezifität in pflanzlichen Prozessen“. Die Kodierung der Spezifität wird dabei auf ganz unterschiedlichen Ebenen erforscht, etwa anhand der strukturellen Veränderungen einzelner Moleküle und Proteine oder der spezifischen Zusammenlagerung mehrerer Moleküle zu Komplexen.
(Sprecherhochschule: Eberhard Karls Universität Tübingen, Sprecher: Prof. Dr. Klaus Harter; außerdem beteiligt: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Friedrich-Miescher-Laboratorium für biologische Arbeitsgruppen in der Max-Planck-Gesellschaft Tübingen, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Tübingen, Chemical Genomics Centre der Max-Planck-Gesellschaft Tübingen)
Weiterführende Informationen
Medienkontakt:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2443, presse@dfg.de
Weitere Informationen erteilen die Sprecherinnen und Sprecher der Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Klaus Wehrberger, Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster,
Tel. +49 228 885-2355, Klaus.Wehrberger@dfg.de
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und den geförderten Sonderforschungsbereichen auch unter: www.dfg.de/sfb/
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