DFG richtet zehn neue Graduiertenkollegs ein
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland zehn neue Graduiertenkollegs (GRK) ein. Dies wurde jetzt vom zuständigen Bewilligungsausschuss in Bonn beschlossen.
Die Einrichtungen werden zunächst viereinhalb Jahre lang gefördert und erhalten in dieser Zeit insgesamt etwa 33 Millionen Euro. Zusätzlich zu den zehn neuen Kollegs stimmte der Bewilligungsausschuss der Verlängerung von 13 Kollegs für weitere viereinhalb Jahre zu. Die Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren.
Das thematische Spektrum der neuen Kollegs reicht vom „Zwiegespräch zwischen Fettzellen und dem Gehirn“ bis zu „sozialen Autos“. Eine der neuen Einrichtungen ist ein ortsverteiltes Kolleg: Das Graduiertenkolleg „Immunantwort in Infektionskrankheiten – Regulation zwischen angeborener und erworbener Immunität“ verteilt sich auf die Sprecherhochschule Universität Duisburg-Essen sowie die ebenfalls beteiligten Universitäten in Bochum und Düsseldorf. Die Möglichkeit, ortsverteilte Kollegs zu beantragen, besteht bereits seit Einführung des Programms im Jahr 1990 und wird auch regelmäßig genutzt, damit Fächer, die an einer Hochschule nur mit wenigen Forscherinnen und Forschern vertreten sind, die notwendige „kritische Masse“ erreichen können.
Auch für die Zukunft befürwortet der Senats- und Bewilligungsausschuss die Option, ortsverteilte Graduiertenkollegs zu beantragen, wenn dies inhaltlich sinnvoll ist und die Beteiligten geeignete Vorkehrungen für die praktische Zusammenarbeit zwischen den Standorten treffen. Dadurch können innovative Konzepte der Kooperation zwischen Hochschulen entwickelt werden.
Insgesamt fördert die DFG zurzeit 225 GRK, darunter 47 Internationale Graduiertenkollegs (IGK); die zehn neuen Kollegs werden im Laufe des Frühjahrs 2014 ihre Arbeit aufnehmen.
Die neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen)
Das Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs „Kulturelle und technische Werte historischer Bauten“ bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Kunst, Technik und Gesellschaft. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Cottbus wollen Bauwerke und ihren Entstehungs- und Veränderungsprozess von der Antike bis zum 20. Jahrhundert in Europa, aber auch im Nahen und Fernen Osten untersuchen. Historische Bauten werden dabei als Bestandteile kultureller Wertesysteme und Erinnerungsorte für eine baukünstlerisch-technische Leistung verstanden. Im Einzelnen befasst sich das Kolleg dabei mit solch unterschiedlichen Aspekten wie der Genealogie unterschiedlicher Konstruktionskulturen, der Großbaustelle als kulturgeschichtlichem Phänomen oder den Instrumentarien des Bauwesens.
(Sprecherhochschule: Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Klaus Rheidt)
Infektionskrankheiten sind für Medizin und Infektionsbiologie nach wie vor eine große Herausforderung – sie gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Trotz intensiver Forschung auf diesem Gebiet stehen nur für wenige Erreger effektive Therapien und vorbeugende Impfstoffe zur Verfügung. Vor allem die Immunantwort hat einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf einer Infektion. Bei der Immunreaktion des Wirts gegen Pathogene wird üblicherweise die angeborene von der erworbenen Immunantwort unterschieden; bislang folgte auch die Forschung dieser Zweiteilung. Das Graduiertenkolleg „Immunantwort in Infektionskrankheiten – Regulation zwischen angeborener und erworbener Immunität“ nimmt nun das Wechselspiel zwischen angeborener und erworbener Immunität bei Infektionserkrankungen stärker in den Blick.
(Sprecherhochschule: Universität Duisburg-Essen, Sprecher: Prof. Dr. Jörg Timm, ebenfalls beteiligt: Ruhr-Universität Bochum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
„Dynamische Wechselwirkungen an biologischen Membranen – von Einzelmolekülen zum Gewebe“ lautet der Titel eines neuen Graduiertenkollegs in Erlangen-Nürnberg. Dort werden Wechselwirkungen untersucht, die zwischen Lipiden und Proteinen, den beiden Hauptbestandteilen biologischer Membranen, stattfinden. Die Forscherinnen und Forscher analysieren Mechanismen, die der Lokalisation von Lipiden und Proteinen in Membranen zugrunde liegen. Auch die Zusammenhänge zwischen der jeweils spezifischen Membranzusammensetzung und der Membrandynamik werden untersucht. Das Graduiertenkolleg soll dadurch Aufschluss geben über die bestimmenden strukturellen und funktionalen Aspekte membrangebundener sowie membranunterstützter biologischer Prozesse und damit zu einem genaueren Verständnis der molekularen Prozesse an und in Plasmamembranen beitragen.
(Sprecherhochschule: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Prof. Dr. Rainer A. Böckmann)
Infektionen der Atemwege gehören zu den größten Gesundheitsgefahren der Bevölkerung. Die Therapie von solch wandlungsfähigen Krankheitserregern wie Pneumokokken bereitet große Probleme, vor allem, weil sie sich – auch in Krankenhäusern – sehr schnell verbreiten. Zudem besitzen manche dieser Erreger eine natürliche Resistenz gegenüber den meisten Antibiotika und könnten sich schnell zu einer Pandemie ausweiten. Um neue Therapiestrategien und effektive Impfstoffe entwickeln zu können, braucht es ein besseres Verständnis dafür, wie sich die Bakterien an neue Lebensräume innerhalb des Wirts anpassen. Darauf zielt das Forschungsinteresse des Graduiertenkollegs „Bakterielle Atemwegsinfektionen – allgemeine und spezifische Mechanismen der Adaption von Pathogenen und der Immunabwehr“ ab. In ihm arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Infektionsbiologie, Mikrobiologie, Immunologie, Funktionellen Genomforschung und Bioinformatik zusammen.
(Sprecherhochschule: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Sprecher: Prof. Dr. Sven Hammerschmidt)
Mit experimenteller und theoretischer Teilchenphysik beschäftigt sich das Graduiertenkolleg „Particle Physics Beyond the Standard Model“. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Heidelberg wollen mittels Präzisionsmessungen im Standardmodellbereich, insbesondere im Higgs-Sektor, mit astroteilchenphysikalischen und kosmologischen Messungen und mit direkter Suche bei höchsten Energien Theorien überprüfen oder neu erstellen, die bis zur Planck-Skala reichen. Dabei bewegen sie sich im Spannungsfeld vielfältiger Gebiete der experimentellen und theoretischen Teilchenphysik. Deshalb arbeiten auch „Modellbauer“ und „Theoretiker“ eng zusammen, sodass die anspruchsvollen Theorien für Experimente nutzbar gemacht werden können.
(Sprecherhochschule: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Sprecher: Prof. Dr. Tilman Plehn)
In den Ingenieurwissenschaften gibt es aufgrund fortschreitender Miniaturisierung, neuer Materialien und immer komplexerer Produktionsprozesse einen dringenden Bedarf für die Entwicklung und Anwendung stochastischer Modelle, die zufällige Einflüsse einbeziehen. Daraus wiederum entstehen vor allem für die Mathematik spannende neue Herausforderungen. Das Graduiertenkolleg „Stochastic Models for Innovations in the Engineering Sciences“ ist denn auch interdisziplinär angelegt. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher aus der Mathematik und den Ingenieurwissenschaften wollen gemeinsam das Innovationspotenzial stochastischer Modelle in den Ingenieurwissenschaften und zugleich deren Potenzial als Inspirationsquelle für neue Entwicklungen in der angewandten Mathematik demonstrieren.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Kaiserslautern, Sprecher: Prof. Dr. Ralf Korn)
Der Ansatz des Graduiertenkollegs „Interaktion grammatischer Bausteine“ ist es, Phonologie, Morphologie und Syntax und deren Schnittstellen anhand einer Vielzahl typologisch unterschiedlicher Sprachen zu untersuchen. Während die Erforschung dieser formbezogenen Komponenten der Grammatik in Deutschland in den letzten Jahren tendenziell vernachlässigt wurde, hat sie international durch neuere Entwicklungen enorme Impulse erhalten. Wie die grammatischen Bausteine, also Regeln, Operationen, Beschränkungen, Schemata und außersprachliche Faktoren, miteinander interagieren, dazu gibt es aber auch international nur Hypothesen. Eine umfassende, systematische Untersuchung der möglichen Interaktionen grammatischer Bausteine steht jedoch aus. Das Kolleg in Leipzig will diese Lücke füllen.
(Sprecherhochschule: Universität Leipzig, Sprecher: Prof. Dr. Gereon Müller)
Das neue Graduiertenkolleg „Adipocyte – Brain – Crosstalk“ analysiert Adipokine – Hormone, die Fettgewebe absondern. Sie regulieren über das zentrale Nervensystem Nahrungsaufnahme und Energieverbrauch des Körpers. Dazu kommunizieren Fettgewebe und Gehirn nicht nur neuronal über das Nervensystem, sondern auch endokrin, also indem Informationen in die Blutbahn abgegeben werden. Diese Kommunikation heißt Crosstalk. Störungen des Crosstalks sind auch ein Baustein von Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Untersuchung des Crosstalks durch Medizinerinnen und Mediziner in Lübeck soll deshalb zu einem besseren Verständnis dieser Krankheiten führen.
(Sprecherhochschule: Universität zu Lübeck, Sprecher: Prof. Dr. Hendrik Lehnert)
Die Lebenswissenschaften sind in einer als posthumanistisch beschriebenen Welt zentral für unser Verständnis dafür, was es bedeutet, Mensch zu sein. Weil durch neue Möglichkeiten der Biomedizin gleichzeitig neue Grenzerfahrungen menschlichen Lebens hervorgebracht wurden – etwa technologisch assistierte Reproduktion oder intensivmedizinisch begleitetes Sterben –, sind die Geistes- und Kulturwissenschaften herausgefordert, komplementäre Zugangsweisen zu diesen Grenzerfahrungen zu erschließen. Daraus haben sich konkurrierende Perspektiven auf den Menschen ergeben: den naturwissenschaftlich-medizinischen Forschungsblick (Life Science) und die kultur- und sozialwissenschaftliche Lebensbeschreibung (Life Writing). Das Graduiertenkolleg „Life Sciences, Life Writing: Grenzerfahrungen menschlichen Lebens zwischen biomedizinischer Erklärung und lebensweltlicher Erfahrung“ zielt nun auf die Entwicklung gemeinsamer methodischer Zugänge ab.
(Sprecherhochschule: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprecher: Prof. Dr. Norbert W. Paul)
Das Graduiertenkolleg „SocialCars“ befasst sich mit neuen Methoden und Anwendungen des dezentralen, kooperativen Verkehrsmanagements im urbanen Raum. Diese werden durch die Einbeziehung neuer technologischer Entwicklungen wie der Car-to-X-Kommunikation ermöglicht. Das Forschungsprogramm widmet sich vor allem dem kooperativen Verkehrsmanagement im Spannungsfeld von klassischer zentraler Verkehrssteuerung und dezentraler Regelung unter Einbeziehung der einzelnen Verkehrsteilnehmer. Zu diesem Spannungsfeld kommen die Kommunikationsmöglichkeiten von Fahrzeugen mit der Infrastruktur hinzu. Nicht zuletzt untersuchen die Forscherinnen und Forscher, wie man den Stadtverkehr so steuern kann, dass die Umwelt möglichst wenig belastet wird.
(Sprecherhochschule: Niedersächsische Technische Hochschule, Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich)
Weiterführende Informationen
Medienkontakt:
Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2443, presse@dfg.de
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Graduiertenkollegs.
Fachliche Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle:
Dr. Annette Schmidtmann, Leiterin der Gruppe Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen, Nachwuchsförderung
Tel. +49 228 885-2424, Annette.Schmidtmann@dfg.de
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und den geförderten Graduiertenkollegs finden sich unter: www.dfg.de/gk/
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