DFG richtet zwölf neue Forschergruppen ein

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet neun neue Forschergruppen und drei Klinische Forschergruppen ein. Dies beschloss der Hauptausschuss von Deutschlands zentraler Forschungsförderorganisation auf seiner Oktober-Sitzung in Bonn.

Die Forschungsverbünde sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, sich aktuellen und drängenden Fragen in ihren Fächern zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Wie alle DFG-Forschergruppen werden die neuen Einrichtungen orts- und fächerübergreifend arbeiten. Die Klinischen Forschergruppen verknüpfen die Bereiche Klinik, angewandte Forschung und Grundlagenforschung.

Das thematische Spektrum der Einrichtungen ist breit gefächert: So will beispielsweise eine der neuen Forschergruppen die Genauigkeit globaler räumlicher und zeitlicher Bezugssysteme steigern, um unter anderem Satelliten im Weltraum präziser navigieren zu können. Andere beschäftigen sich mit der Eiskeimbildung in Wolken und dem Einfluss verfügbaren Wissens auf politische Entscheidungen. Bei den Klinischen Forschergruppen geht es um neue Therapieformen bei chronischen Darmerkrankungen oder spezialisierte psychotherapeutische Behandlungsansätze bei der mental-psychischen Störung BPD.

In den nächsten drei Jahren werden die neun neuen Forschergruppen circa 15,3 Millionen Euro erhalten; damit fördert die DFG insgesamt 201 Forschergruppen. Das Fördervolumen für die drei neuen Klinischen Forschergruppen beträgt für die erste vierjährige Förderphase rund 8,2 Millionen Euro. Insgesamt unterstützt die DFG derzeit 31 Klinische Forschergruppen.

Die neuen Gruppen im Einzelnen (alphabetisch nach Sprecherhochschule):

Forschergruppen

Den Treibstoffverbrauch von Verkehrsmitteln zu verringern und dadurch die Umwelt zu entlasten – das ist das Vorhaben der Forschergruppe „Aktive Widerstandsreduktion durch wellenförmige Oberflächenoszillation“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Strömungsmechanik, Mathematik, Strukturmechanik, Regelungstechnik, Elektronik und Materialwissenschaft suchen nach einer möglichst einfachen und energieeffizienten Methode der Strömungsregelung. Aufbauend auf grundlegenden Erkenntnissen, die anhand der Strömung über eine ebene Platte gewonnen werden, will die Forschergruppe ein innovatives Konzept generieren, welches das erhebliche Potenzial der Widerstandsverringerung durch Oberflächenbewegung nachweist. (Sprecher: Prof. Wolfgang Schröder, RWTH Aachen)

Eine neue Forschergruppe aus den Bereichen Baustoffwissenschaften, Massivbau und Mechanik will das Verständnis der maßgebenden Mechanismen vor und während einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion in Betonbauteilen verbessern. Die Untersuchungen sollen dazu beitragen, wissenschaftlich abgesicherte Regelungen für die Beurteilung und Auswahl von Betonausgangsstoffen und die Festlegung von Betonzusammensetzungen zu gewinnen. Zudem wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einfach umzusetzende Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden während der Nutzung entwickeln. Dabei werden die Studien schwerpunktmäßig auf die Randbedingungen von befahrenen Verkehrsflächen ausgerichtet. (Sprecher: Prof. Rolf Breitenbücher, Ruhr-Universität Bochum)

Hochpräzise räumliche und zeitliche Bezugssysteme sind für viele wissenschaftliche Anwendungen unerlässlich. Zum Beispiel in Anbetracht der globalen Umweltveränderungen: Die Entwicklung des Meeresspiegels ist bisher nur ungenau zu bestimmen. Ebenso benötigen Forscher genaue Referenzsysteme, um die Masse anderer Planeten einzuschätzen oder Satelliten im Weltraum zu navigieren. Die Forschergruppe „Space-Time Reference Systems for Monitoring Global Change and for Precise Navigation in Space“ widmet sich somit einem hochrelevanten Forschungsfeld. Ziel der Forscher aus den Bereichen Geodäsie, Astronomie und Weltraumwissenschaften ist es, eine interdisziplinäre Aufbereitung von einheitlichen Bezugssystemen mit bisher nicht vorhandener Genauigkeit zu entwickeln. (Sprecher: Dr.-Ing. Axel Nothnagel, Universität Bonn)

Verfahren zur schnellen dreidimensionalen Identifikation und Erfassung unzugänglicher Objekte zu entwickeln und zu erproben – so lautet das Vorhaben der Forschergruppe „Mapping on Demand“. Als Hauptinstrument und Sensorplattform dient eine autonom fliegende leichte Drohne. Sie verwendet die visuellen Informationen aus Kameras zur Navigation, Hinderniserkennung, Erkundung und Objekterfassung. Die Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Geodäsie, Photogrammetrie, Geoinformatik und Informatik entwickeln die dazu erforderlichen Modelle und Verfahren und evaluieren sie prototypisch in Vorstadtgebieten, wo sie zum Beispiel Gebäudestrukturen, Vegetationsbestände und den ruhenden Verkehr erfassen. (Sprecher: Prof. Wolfgang Förstner, Universität Bonn)

Inwieweit es von stadtspezifischen Bedingungen abhängt, dass bestimmte verfügbare Wissensbe¬stände in politischen Entscheidungen aufgegriffen werden und andere nicht, wollen Ingenieur- und Sozialwissenschaftler einer neuen Forschergruppe untersuchen. Dabei gilt es zu entschlüsseln, wie die Muster handlungsrelevanten Wissens generiert werden. Die empirischen Untersuchungen konzentrieren sich auf die Städte Frankfurt, München und Stuttgart – und auf die Frage, welche Strategien im Umgang mit dem Klimawandel in der lokalen Verkehrsplanung und -entwicklung, der Baulandentwicklung sowie der energetischen Sanierung privater Gebäude verfolgt werden. (Sprecher: Prof. Dr. Hubert Heinelt, TU Darmstadt)

Wie bildet sich Eis in der Atmosphäre? – Dieser Frage geht die Forschergruppe „INUIT – Ice Nuclei research UnIT“ nach. Eiskristalle kommen neben unterkühlten Tropfen in Mischphasenwolken vor und spielen bei der Beeinflussung des atmosphärischen Strahlungshaushalts und der Entstehung von Niederschlag eine große Rolle. Bislang ist bekannt, dass sogenannte Eiskeime für die erste Eisbildung in Wolken notwendig sind, doch sind noch viele Fragen ungeklärt, zum Beispiel bezüglich der Anzahlhäufigkeit, Größe und chemischen Komposition der atmosphärischen Eiskeime. Auf der Basis von Untersuchungsergebnissen wollen die Forscher deshalb Wolkenprozesse simulieren, mit deren Hilfe sie den Beitrag verschiedener Eiskeimtypen und Gefriermoden bestimmen können. (Sprecher: Prof. Joachim Curtius, Universität Frankfurt am Main)

In dem zunehmend bedeutenden Bereich von Bauteilen kleinster Dimensionen aus der Mikrosystemtechnik versagen klassische Ansätze zur Beschreibung der plastischen Verformung. Mit der Forschergruppe „Dislocation based Plasticity“ soll die seit mehreren Jahrzehnten klaffende Lücke zwischen den Ansätzen zur Beschreibung der Verformung geschlossen werden. Die Vision besteht darin, eine neue Theorie zu entwickeln, mit der die Vorhersage der Mikroplastizität von ein- und polykristallinen Materialien gelingt. Als Lösungsansatz ist eine Kopplung verschiedener Simulationsverfahren mit gezielten Schlüsselexperimenten an nanostrukturierten Materialien und dünnen Schichten vorgesehen. (Sprecher: Professor Dr.-Ing. Peter Gumbsch, Karlsruher Institut für Technologie)

„INTERNANO“ ist der Titel einer neuen Forschergruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, exemplarisch anhand von vier anorganischen synthetischen Nanopartikeln den Weg von Nanopartikeln im Boden und ihre Wechselwirkungen mit dem Boden zu untersuchen. Dabei sollen die Prozesse identifiziert werden, die für den Verbleib dieser Stoffe an der Schnittstelle von aquatischem und terrestrischem Ökosystem relevant sind. Die Forschungsergebnisse sollen Aufschluss über die ökologische Bedeutung der Partikel und die Risiken durch eine Kontamination mit ihnen geben. Beteiligt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Wasserforschung, Bodenkunde, Ökologie und Mikrobiologie. (Sprecherin: Prof. Gabriele Schaumann, Universität Koblenz-Landau)

Die Forschergruppe „Unravelling the prokaryotic immune system“ bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen der Mikrobiologie, Bioinformatik, Strukturbiologie und Massenspektrometrie zusammen. Gemeinsam haben sie sich zum Ziel gesetzt, das kürzlich entdeckte prokaryotische Immunsystem zu entschlüsseln, das auf „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“, kurz CRISPR, beruht. CRISPR sind Abschnitte sich wiederholender Nukleinsäure-Sequenzen, die im Erbgut von vielen Bakterien und Archaeen auftreten. Sie bilden einen Mechanismus, der gegen Eindringlinge wie Viren resistent macht. (Sprecherin: Prof. Dr. Anita Marchfelder, Universität Ulm)

Klinische Forschergruppen

Eine Klinische Forschergruppe aus molekularbiologischen und klinisch-immunologischen Arbeitsgruppen beschäftigt sich mit Fragestellungen zur molekularen Pathogenese und optimierter Therapie von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa handelt es sich um Autoimmunerkrankungen des Verdauungstraktes. Trotz des Einsatzes neuer immunsuppressiver Medikamente bleiben beide Erkrankungen schwer therapierbar. Ein besseres Verständnis der Pathogenese dieser Erkrankungen ist daher für die Entwicklung spezifischer und effizienterer Therapien essenziell. (Sprecher: Prof. Markus F. Neurath, Universität Erlangen-Nürnberg)

„Borderline personality disorder“, kurz BPD, ist eine weitverbreitete und komplexe mental-psychische Störung, die unbehandelt oft chronisch und stark schwächend verläuft. Folgen sind Suizidversuche, Selbstverletzung und impulsive Aggression. Das Vorhaben einer neuen Klinischen Forschergruppe ist daher, die Teilkomponenten von emotionaler Störung und sozialer Interaktion bei BPD genauer zu analysieren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Neuropsychologie, Neuroimaging und Psychosomatik wollen einerseits die Entwicklung psychotherapeutischer Behandlungsansätze fördern, andererseits aber ebenso die Basis für weitere Forschung auf molekularer Ebene schaffen. (Sprecher: Prof. Martin Bohus, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin Mannheim)

Thrombozyten tragen zur Wundheilung und zur Reparatur geschädigter Organe bei. Bei unkontrollierter Aktivierung hingegen können sie zu Erkrankungen führen, die das Herz und das Gefäßsystem betreffen. Eine neue Klinische Forschergruppe verfolgt daher das Ziel, das Verständnis der Thrombozytenfunktion, der Thrombozyteninteraktion mit Entzündungsreaktionen, deren Bedeutung für Thrombose und relevante kardiovaskuläre Erkrankungen wie Myokardinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz grundlegend zu erarbeiten. Ausgehend von den gewonnenen Erkenntnissen sollen neue therapeutische Möglichkeiten und diagnostische Aspekte entwickelt und evaluiert werden, um derzeitige Behandlungslücken zu schließen. (Sprecher: Prof. Meinrad Paul Gawaz, Universitätsklinikum Tübingen)

Weiterführende Informationen

Medienkontakt:
Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2443, presse@dfg.de
Ausführliche Informationen über DFG-Forschergruppen, Klinische Forschergruppen und Kolleg-Forschergruppen finden sich auch unter:

http://www.dfg.de/foerderung/programme/koordinierte_programme/index.html

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Marco Finetti idw

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