National und international promovieren
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) intensiviert die internationale Ausbildung von Doktorandinnen und Doktoranden. Der zuständige Bewilligungsausschuss stimmte jetzt auf seiner Herbstsitzung in Bonn der Einrichtung von insgesamt 13 weiteren Graduiertenkollegs zu.
Mehr als die Hälfte davon, sieben, sind Internationale Graduiertenkollegs. Sie ermöglichen Doktorandinnen und Doktoranden eine enge Kooperation mit ausländischen Universitäten. „Besonders freuen wir uns dabei über das erste Internationale Graduiertenkolleg mit einer indischen Universität.
Damit kann unser wissenschaftlicher Nachwuchs noch enger mit dieser aufstrebenden Wissenschaftsnation in Kontakt kommen“, sagte DFG-Präsident Professor Matthias Kleiner. Neben diesem Meilenstein gibt es weitere neue Internationale Graduiertenkollegs, die die in diesem Förderprogramm bereits bestehenden Kooperationen mit den USA, Japan, Russland, Spanien und Südkorea weiter ausbauen.
Die neuen Graduiertenkollegs bieten zahlreichen weiteren Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Damit spielen sie vor allem angesichts der aktuellen Diskussion um die Qualität der Promotionen an den deutschen Universitäten eine herausragende Rolle. Die 13 neu bewilligten Graduiertenkollegs erhalten jeweils Projektmittel in Höhe von circa 344.000 Euro bis 1.123.000 Euro pro Jahr. Sie befassen sich unter anderem mit neuartigen Verbindungen von Quanten- und Gravitationsfeldertheorien, mit neuen Ideen zur bioni-schen Umsetzung von Konzepten aus der Natur in moderne Technik und mit der besseren Bekämpfung von ischämischem Herzleiden. Weitere Themen sind die Veränderung des kirchlich geprägten Gesellschaftssystems im Zuge des europäischen Einigungsprozesses sowie die Entwicklung einer selbstorganisierenden Mobilkommunikation in Katastrophenszenarien.
In der Sitzung des Bewilligungsausschusses wurde deutlich, dass das verstärkte Engagement der DFG für die Förderung der Chancengleichheit in der Wissenschaft bereits in der Praxis angekommen ist: Alle Beteiligten – von den Antragstellenden über die Gutachterinnen und Gutachter bis zu den Mitgliedern des Bewilligungsausschusses – sind zunehmend für dieses Thema sensibilisiert und legen Wert auf die Umsetzung konkreter Maßnahmen. „Es ist erfreulich zu sehen, wie viele überzeugende Konzepte, die sich etwa an den neuen Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG anlehnen, bereits existieren“, unterstreicht DFG-Präsident Kleiner.
Neben den 13 Neueinrichtungen – die zunächst viereinhalb Jahre gefördert werden – beschloss der Bewilligungsausschuss auch die Fortsetzung von 17 Graduiertenkollegs für eine weitere Periode. Damit fördert die DFG nun insgesamt 247 Graduiertenkollegs, von denen 64 Internationale Graduiertenkollegs sind.
Die neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen:
(in alphabetischer Reihenfolge der Sprecherhochschulen)
Mit Gebirgen als Trinkwasserreservoir befasst sich das Internationale Graduiertenkolleg „Ökologische Heterogenität in komplexem Gelände“ der Universität Bayreuth und der Kang-won National University Korea. Die deutschen und koreanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen unterschiedliche Parameter der Gebirgslandschaften, die für mehr als die Hälfte der Menschheit Trinkwasser liefern. Mit den daraus erstellbaren Modellierungen wollen sie den Zusammenhang von sozioökonomischen und ökologischen Aspekten bei der Sicherung von Trinkwasserverteilung und Landnutzung besser verstehen. (Sprecherhochschule: Universität Bayreuth; Sprecher: Professor Dr. John Tenhunen; Kooperationspartner: Kangwon National University Korea)
Ziel des an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Technischen Universität Dresden eingerichteten Graduiertenkollegs „Masse, Spektrum, Symmetrie: Teilchenphysik in der Ära des Large Hadron Colliders“ ist es, die breite theoretische und experimentelle Expertise in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Elementarteilchenphysik stärker zusammenzuführen und für die Doktoranden den gemeinsamen Charakter dieses Forschungsgebietes deutlich zu machen. Experimentelle Basis dafür sind die Beteiligung am ATLAS-Experiment des Large Hadron Collider (LHC) am CERN und der dortigen Suche nach neuer Physik sowie die Mitarbeit an internationalen Neutrinoexperimenten. Aus theoretischer Sicht wird zudem ein breites Spektrum von Fragestellungen der Quantenfeldtheorie bearbeitet, wobei gleichzeitig eine Brücke zwischen Astroteilchenphysik und Teilchenphysik in Beschleunigern geschlagen wird. (Sprecherhochschulen: Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Dresden; Sprecher: Professor Dr. Jan Plefka)
Das Internationale Graduiertenkolleg „Self-Assembled Soft-Matter Nanostructures at Inter-faces“ agiert an der Schnittstelle von Chemie und Physik. Deutsche und amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen gemeinsam die grundlegenden Prinzipien der Selbstorganisation kleinster Strukturen aus organischer und biomolekularer Materie an Grenzflächen, sogenannten Nanostrukturen. Unter Federführung der Technischen Universität Berlin wird gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und der Humboldt-Universität auf die bereits bestehende erfolgreiche Zusammenarbeit mit der North Carolina State University und der University of Pennsylvania aufgebaut. (Sprecher-hochschule: Technische Universität Berlin; Sprecher: Professor Dr. Martin Schoen; Koopera-tionspartner: North Carolina State University, University of Pennsylvania)
Das Graduiertenkolleg „Bionik – Interaktionen über Grenzflächen zur Außenwelt“ an der Universität Bonn beschäftigt sich mit der Übertragung biologischer Phänomene in den technischen Bereich. Hierbei konzentrieren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Biologie und Informatik auf die biologische Interaktion über Grenzflächen wie Haut und Sinnesorgane zu ihrer Umwelt. Ob Hafteigenschaften, Infrarotsehen oder optische Orientierung: Vorbilder aus der Natur sollen erforscht und in technische Systeme umgesetzt werden. Die Forscher aus Bonn kooperieren dabei mit Ingenieuren des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen sowie externen Industriepartnern. (Sprecherhochschule: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Sprecher: Professor Dr. Gerhard von der Emde)
Mathematische Strukturen von Gleichungen in unterschiedlichen Anwendungen der Strömungsmechanik besser zu verstehen, ist das Ziel des Internationalen Graduiertenkollegs „Ma-thematical Fluid Dynamics“, in dem die Technische Universität Darmstadt eng mit den japanischen Hochschulen University of Tokyo und der Waseda University zusammenarbeitet. Die aus verschiedenen Disziplinen stammenden Forscherinnen und Forscher wollen darin produktiv verschiedene Zweige der Mathematik und der Ingenieurwissenschaft miteinander verbinden. (Sprecherhochschule: Technische Universität Darmstadt; Sprecher: Professor Dr. Matthias Hieber; Kooperationspartner: University of Tokyo, Waseda University)
„The Dynamic Response of Plants to A Changing Environment“ ist der Titel des Internationalen Graduiertenkollegs der Universität Düsseldorf in den Pflanzenwissenschaften. In enger Kooperation mit der Michigan State University in den USA sollen die komplexen Anpassungsprozesse von Pflanzen an unstete Temperatur- und Lichtverhältnisse untersucht werden. Die interdisziplinäre Forschung reicht dabei von Genomik und Populationsökologie über Bioinformatik bis hin zu Zellbiologie und Biochemie. (Sprecherhochschule: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Sprecher: Professor Dr. Andreas P. M. Weber; Kooperationspartner: Michigan State University)
Die Universität Gießen widmet sich mit ihrem Internationalen Graduiertenkolleg im Bereich der Medizin zusammen mit spanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dem Thema Gefäßerkrankungen. Der Fokus liegt dabei auf der ischämischen Herzerkrankung, die die häufigste Todesursache in den Industrieländern darstellt. Unter dem Titel „Protecting the Heart from Ischemia“ befasst sich das interdisziplinäre Projekt mit den Ursachen und Folgen der Erkrankung sowie möglichen Therapieansätzen. (Sprecherhochschule: Justus-Liebig-Universität Gießen; Sprecher: Professor Dr. Hans Michael Piper; Kooperationspartner: Universitat Autònoma de Barcelona)
Die europäischen „Expertenkulturen des 12. bis 16. Jahrhunderts“ sind das Thema eines Graduiertenkollegs der Universität Göttingen. In ihm untersuchen Doktorandinnen und Dokto-randen aus den Geschichtswissenschaften sowie aus Theologie und Philosophie das im späte-ren Mittelalter entstandene ambivalente Verhältnis von Expertentum und Gesellschaft, in dem die Nichtexperten zwischen Expertenvertrauen und Expertenkritik vielfältigste Einstellungen entwickelten. (Sprecherhochschule: Georg-August-Universität Göttingen; Sprecher: Professor Dr. Frank Rexroth)
Das Graduiertenkolleg „Selbstorganisierende Mobilkommunikationssysteme für Katastrophenszenarien“ will die Beschränkungen der bestehenden, sehr statischen Kommunikations-systeme überwinden. Das junge Forscherteam der Technischen Universität Ilmenau entwickelt dazu flexiblere Arten der Kommunikationstechnologie. Im Vordergrund steht die Schaffung verbesserter Organisationsnetzwerke. Als konkretes Ziel wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Mechanismen zur dynamischen selbstorganisierenden Koordinierung zukünftiger Kommunikationsmittel schaffen. (Sprecherhochschule: Technische Universität Ilmenau; Sprecher: Professor Dr.-Ing. Andreas Mitschele-Thiel)
Eine einzigartige und hochkomplexe Verbindung verschiedener Forschungsfelder der Physik will das Graduiertenkolleg „Quanten- und Gravitationsfelder“ an der Universität Jena schaffen. In enger Zusammenarbeit zwischen Physikern und Mathematikern nutzt das Kolleg die Schnittstelle zwischen Feldtheorie und Differentialgeometrie. So soll mithilfe der gegenseitigen innovativen Befruchtung von Physik und Mathematik nach gänzlich neuen Erkenntnissen in der Physik geforscht werden. Die Ergebnisse zu fundamentalen Wechselwirkungen der Elementarteilchenphysik sind wesentlich für die Konstruktion von Theorien jenseits des Standardmodells und haben auch praktische Bedeutung für andere Bereiche wie die Mikro- und Nanotechnologie. (Sprecherhochschule: Friedrich-Schiller-Universität Jena; Sprecher: Professor Dr. Andreas Wipf)
„Die christlichen Kirchen vor der Herausforderung Europa“ – unter diesem Titel erforscht ein Graduiertenkolleg der Universität Mainz die Veränderungen des christlich geprägten Gesellschaftsmodells samt der Kirchen in den europäischen Staaten im Hinblick auf den Gedanken der europäischen Einigung und den tatsächlichen Europäisierungsprozess. Die Forscherinnen und Forscher aus den Fachbereichen Religion, Politik, Geschichte und Recht konzentrieren sich dabei auf den Zeitraum von der Wilhelminischen Zeit bis heute. (Sprecherhochschule: Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Sprecher: Professor Dr. Heinz Duchhardt)
Dialogfördernd wirken will das Internationale Graduiertenkolleg „Regulation und Evolution zellulärer Systeme“. Mit ihm soll nicht nur der deutsch-russische Dialog zwischen den beiden Münchner Universitäten und der Lomonosov Moscow State University gestärkt werden – auch die Kommunikation zwischen der theoretischen Bioinformatik und den praktischen Lebenswissenschaften soll zukunftsweisend verbessert werden. So arbeiten deutsche und russi-sche Forschergruppen aus Fachdisziplinen wie Bioinformatik, Informatik, Proteomik, Biologie und Biochemie eng verzahnt zusammen. (Sprecherhochschulen: Ludwig-Maximilians-Universität München, Technische Universität München; Sprecher: Professor Dr. Dmitrij Frishman, Professor Dr. Ralf Zimmer; Kooperationspartner: Lomonosov Moscow State University)
Im ersten deutsch-indischen Internationalen Graduiertenkolleg forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Münster und der University of Hyderabad gemeinsam auf dem Feld der Glyko-Wissenschaft. Unter dem Titel „Molecular and Cellular Glyco-Sciences“ untersucht die internationale Gruppe aus Biologen, Chemikern und Medizinern kohlenhydrathaltige Biomoleküle. Diese werden zunehmend als informationstragende Moleküle erkannt, die wichtige Signal- und Regelfunktionen innerhalb und zwischen Zellen und Organismen leisten. Die dabei wichtige Interaktion von Kohlenhydraten und Proteinen soll auf ihre molekularen und biochemischen Aspekte in der Zelle untersucht werden. (Sprecherhochschule: Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Sprecher: Professor Dr. Bruno Moerschbacher, Kooperationspartner: University of Hyderabad)
Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Annette Schmidtmann, Leiterin der Gruppe Graduiertenschulen, Graduiertenkollegs, Nachwuchsförderung, Tel. +49 228 885-2424, Annette.Schmidtmann@dfg.de
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Weitere Informationen:
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