Schrödinger-Preis 2003: Kalzium-Muster in lebenden Zellen interdisziplinär erforscht
Deutsch-amerikanische Wissenschaftlergruppe erhält den Erwin Schrödinger-Preis 2003
Theoretische Analyse der Musterbildung von Kalziumkon-zentrationen als Paradebeispiel interdisziplinärer Arbeit
Für neue Erkenntnisse zur Dynamik von Kalziumkonzentrationen in lebenden Zellen erhält ein Team aus zwei Biologen und einem Physiker den diesjährigen Erwin Schrödinger-Preis für interdisziplinäre Forschung. Der amerikanische Biologe Prof. James D. Lechleiter beobachtete als Erster komplexe Muster von Kalziumwellen in lebenden Zellen, die jetzt auch mathematisch beschrieben werden konnten. In beispielhafter interdisziplinärer Forschung ist es gelungen, Ursache und Wirkung dieser kalziumabhängigen Phänomene auf die Spur zu kommen. Die synergistische Verbindung biologischer Experimente mit theoretischer Analyse gilt als zukunftsweisend in den life sciences. Für ihre Arbeiten erhalten die Biologen Prof. James D. Lechleiter und Prof. Patricia Camacho, beide von der University of Texas in San Antonio, sowie der theoretische Physiker Dr. Martin Falcke vom Berliner Hahn-Meitner-Institut in der Helmholtz-Gemeinschaft den mit 50.000 Euro dotierten Schrödinger-Preis. Er wird vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für herausragende Fächer übergreifende Forschungsarbeiten vergeben.
Kalzium spielt eine Schlüsselrolle in der Zellkommunikation. Wellen von Kalzium übertragen je nach ihrer Frequenz unterschiedliche Signale in der Zelle. Ihr periodisches Auftreten kann zu komplexen Mustern wie Spiralen führen. Damit ist Kalzium einer der wichtigsten intrazellulären Botenstoffe. Kalziumsignale steuern auch Vorgänge am Anfang und am Ende des Lebens, von der Befruchtung von Eizellen und bis hin zum Zelltod; sie steuern die Wundheilung und synchronisieren Leberzellen.
Durch die Arbeiten von Falcke, Camacho und Lechleiter lässt sich die Entstehung der Wellenmuster mathematisch fassen, was zu einem neuen Verständnis der Funktionsweise einzelner Zellbestandteile führt. Ein Zusammenhang zwischen Mustern von Kalziumkonzentrationen und intrazellulärer Signalübertragung war Biologen schon längere Zeit bekannt. Doch erst durch die Einbindung des theoretischen Physikers wurde es möglich, die Beziehung zwischen den Mustern und dem Verhalten von Zellbestandteilen aufzuklären.
Die Kalzium-Oszillationen spielen in vielen physiologischen Prozessen eine Rolle, bis hin zur Muskelkontraktion beim Herzschlag, würdigt die Jury-Vorsitzende, Prof. Dr. Karin Mölling von der Universität Zürich, die weit reichende Bedeutung der Forschungsarbeit an der Schnittstelle zwischen Biologie und Physik. Das Ping-Pong-Spiel zwischen Theorie und Experiment dieser beiden Forschergruppen habe die Gutachter besonders beeindruckt.
Die Ideen des Namensgebers für den Preis, Erwin Schrödinger, würden damit in faszinierender Weise fortgeführt, hebt Prof. Dr. Detlev Ganten, Jury-Mitglied und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft hervor. Schrödinger habe als theoretischer Physiker die Existenz eines genetischen Codes vorausgesagt. Durch dessen Buch „Was ist Leben?“ seien viele Forscher angeregt worden, sich mit der Verbindung zwischen Physik und Biologie zu befassen. Ein Weg, der zum Erfolg führe, wie man sehe.
Der Erwin Schrödinger-Preis des Stifterverbandes wird anlässlich der Jahrestagung der Helmholtz-Gemeinschaft am 16. Oktober 2003 im Hamburger Rathaus an die interdisziplinär arbeitende Forschergruppe übergeben.
Cordula Tegen
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