Rettende Nebenwirkung: Sildenafil eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten für Lungenhochdruck

Paul-Martini-Stiftung zeichnet Dr. med. Ardeschir Ghofrani vom Lungenzentrum Gießen (University of Giessen Lung Center (UGLC)) für innovativen Therapieansatz des Lungenhochdruckes aus

Der Hochdruck im Lungenkreislauf, im Fachausdruck Pulmonale Hypertonie genannt, ist keine seltene Erkrankung. Das vielschichtige Krankheitsbild wird meist in sehr späten Stadien der Erkrankung diagnostiziert. Dr. med. Ardeschir Ghofrani vom Lungenzentrum des Universitätsklinikums Gießen (University of Giessen Lung Center, UGLC) und seine Gruppe haben jetzt überraschende Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Sildenafil vorgestellt. Dieser Wirkstoff, der beispielsweise im Medikament Viagra enthalten ist, senkt den Lungenhochdruck ohne den Gasaustausch in der Lunge oder den Blutdruck im Körperkreislauf zu verschlechtern. Für seine herausragenden Leistungen in der klinisch-therapeutischen Arzneimittelforschung wird der Lungenspezialist heute in Wiesbaden mit dem Paul-Martini-Preis 2004 geehrt. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird international ausgeschrieben und jährlich von der Paul-Martini-Stiftung, Berlin, anlässlich der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) verliehen.

Lungenhochdruck: unspezifische Symptome erschweren die Diagnose

Zunächst klagen die Patienten über Kurzatmigkeit und mangelnde Belastbarkeit. Häufig werden diese Beschwerden als allgemeine Erschöpfung oder mangelndes Training fehl gedeutet. Erst spät, wenn es durch die fortschreitende Druck- und Volumenbelastung zu einem chronischen Versagen des rechten Herzens kommt, wird die Symptomatik eindeutiger. Wassereinlagerungen in den Beinen, Ohnmachten und zunehmende Luftnot führen Ärzte und Patienten zur richtigen Diagnose: Bluthochdruck im Lungenkreislauf. Dieses vielschichtige Krankheitsbild, medizinisch als pulmonale Hypertonie (PH) bezeichnet, tritt isoliert oder als Begleiterkrankung verschiedener Lungen- und Herzerkrankungen auf. Im Zentrum der Erkrankung steht eine fortschreitende Veränderung des Lungengefäßbettes mit Verengung und Verlust des feinen Gefäßnetzes. Intensive Forschung und innovative Studien an verschiedenen Zentren haben in den letzten Jahren große Fortschritte in der Diagnostik und Therapie dieser Krankheit erzielt. Die verfügbaren Medikamente sind jedoch teilweise durch erhebliche Nebenwirkungen und/oder aufwendige Verabreichungsformen gekennzeichnet. Zur Anwendung kommen neben der Basistherapie gefäßerweiternde Substanzen wie Calciumantagonisten und verschiedene Prostanoide, sowie der erst kürzlich zugelassene Endothelin-Antagonist Bosentan. Durch die Behandlung kann die Lebensqualität und die Lebenserwartung der Patienten zwar deutlich gesteigert werden, eine Heilung der pulmonalen Hypertonie ist bisher aber nicht möglich.

Gießener Lungenforscher nutzen „günstiges“ Nebenwirkungsprofil von Sildenafil

Neueste Studien sprechen dafür, dass die Substanz Sildenafil die Lungenstrombahn selektiv erweitert. Sie senkt demnach den Lungenhochdruck ohne den Gasaustausch in der Lunge oder den Blutdruck im Körperkreislauf wesentlich zu beeinträchtigen. Biochemisch ist Sildenafil ein selektiver Phosphodiesterase (PDE-5)-Hemmer und beispielsweise als Wirkstoff des Medikamentes Viagra bereits zur Therapie bei Erektionsstörungen zugelassen.

In mehreren Veröffentlichungen dokumentierte die Arbeitsgruppe um Dr. Ardeschir Ghofrani den positiven Einfluss von Sildenafil auf den Lungenhochdruck, den Gasaustausch der Lungen sowie die körperliche Belastbarkeit bei Patienten mit verschiedenen Formen der chronischen pulmonalen Hypertonie. Im Lungenzentrum Giessen betreuen Ghofrani und seine Kollegen eine Vielzahl von betroffenen Patienten aus dem In- und Ausland in einer PH-Spezialambulanz und den angeschlossenen pneumologischen Stationen. 2003 konnten sie ihre Forschungsansätze vertiefen und die Wirkungsweise von Sildenafil erstmals auch im Rahmen von Höhenuntersuchungen am Mount Everest unter Bedingungen eines durch den Sauerstoffmangel ausgelösten Lungenhochdrucks überprüfen.

Ideale Bedingungen im University of Giessen Lung Center (UGLC)

Die Zusammenarbeit mit zahlreichen Wissenschaftlern und Klinikern der Universität Giessen, aber auch die enge Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen, wie z.B. Max-Planck Instituten einerseits und der forschenden pharmazeutischen Industrie andererseits, bieten dem Preisträger und seiner Arbeitsgruppe hervorragende Bedingungen für ihre klinisch-wissenschaftliche Tätigkeit.

Im neu strukturierten Lungenzentrum (University of Giessen Lung Center (UGLC)) werden die optimale Betreuung der Patienten, die intensive Erforschung der Krankheitsgeschehen, sowie die gezielte Umsetzung neuer Forschungsergebnisse in innovativen Behandlungsstrategien gezielt realisiert. Im Zentrum dieses Zusammenschlusses stehen die Medizinische Klinik und Poliklinik II unter der Leitung von Prof. Werner Seeger und die Medizinische Klinik und Poliklinik V unter Leitung von Prof. Friedrich Grimminger.

Am UGLC ist Dr. Ghofrani Oberarzt, Teilprojektleiter des Sonderforschungsbereich 547 „Kardiopulmonales Gefäßsystem“ (Sprecher: Prof. Werner Seeger) und Projektleiter im Schwerpunktprogramm „Molekulare Differenzierungsmechanismen von Epithelien“. Der 36-jährige Forscher iranischer Abstammung arbeitet in einem Netzwerk aus mehr als 20 unabhängigen Forschungsgruppen, beispielsweise den Klinischen Forschergruppen „Respiratorische Insuffizienz“ (Sprecher: Prof. Dr. Dr. Friedrich Grimminger) und „Pathomechanismen und Therapie der Lungenfibrose“ (Sprecher PD Dr. Andreas Günther), sowie weiteren Nachwuchsgruppen in der Lungenforschung. Neben hochqualifizierter Forschung und Klinik wird am Lungenzentrum Gießen auch intensive Lehre und kompetente Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses betrieben. In dem eigens aufgebauten Graduiertenprogramm „Molecular Biology and Medicine of the Lung“ (MBML), (Koordinator Dr. Oliver Eickelberg) werden neueste Erkenntnisse dieser Bereiche an internationale Studenten weitergegeben und praktisch vertieft.

Dr. Ardeschir Ghofrani erhält Paul-Martini-Preis 2004

Durch seine innovative Forschungsleistung auf dem Gebiet der pulmonalen Hypertonie und der Phosphodiesterase-Inhibitoren mit Schwerpunkt Sildenafil hat Dr. Ghofrani maßgeblich zur Entwicklung eines neuen therapeutischen Konzeptes für dieses Krankheitsbild beigetragen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden gegenwärtig in weltweit angelegten Phase III Studien weiter überprüft wird. Für seine Leistungen wird er in Wiesbaden mit dem Paul-Martini-Preis 2004 geehrt. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird international ausgeschrieben und honoriert herausragende Leistungen in der klinisch-therapeutischen Arzneimittelforschung. Er wird jährlich von der Paul-Martini-Stiftung, Berlin, anlässlich der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) verliehen.

Kontakt:
Dr. Christiane Eickelberg
Pressereferentin Medizinische Klinik II/V und UGLC
E-Mail: christiane.eickelberg@innere.med.uni-giessen.de
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