Wissenschaftspreis 2004: Energieforschung

Effizienz-Technologien “made in NRW”

Der Industrie-Club Düsseldorf und das Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf verleihen den in diesem Jahr mit insgesamt Euro 30.000 dotierten Wissenschaftspreis 2004 auf dem Gebiet der Energieforschung. Am 6. Mai 2004 werden Dr. Henry Bosch, Forschungszentrum Jülich und Ruhr-Universität Bochum, mit dem ersten Preis (Euro 20.000) und Dr. Tobias Repmann, Forschungszentrum Jülich und RWTH Aachen, mit dem zweiten Preis (Euro 10.000) ausgezeichnet. Die prämierten Forschungsarbeiten tragen zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Energieversorgung bei. In jeweils sehr unterschiedlichen Bereichen der Stromerzeugung – zum einen im Bereich der fossilen Brennstoffe, zum anderen im Bereich der Solarenergie – konnten die Preisträger die Effizienz der jeweiligen Energiesysteme deutlich steigern. Damit könnte Strom künftig günstiger und mit einer erheblich geringeren Umweltbelastung produziert werden.

Hitzeschutz für Turbinen
Neuer Werkstoff erfüllt höchste Ansprüche

Etwa 90% der jährlich erzeugten Elektroenergie wird durch Verbrennung fossiler Primärenergieträger (Kohle, Erdöl und Erdgas) gewonnen. Um den stetig steigenden Strombedarf decken zu können, kommt der Erhöhung des Wirkungsgrades fossil beheizter Kraftwerke eine zentrale Bedeutung zu. Wer an der Effizienzschraube drehen will, muss die Verbrennungsgastemperatur im Kernstück der Elektroenergieerzeugung, der Gasturbine, erhöhen. Deren Schaufeln treiben, vom heißen Gas in Rotation versetzt, einen Generator an und verwandeln so Wärmeenergie in Strom. Je heißer die Gastemperatur, desto höher die Effizienz. Mit höheren Temperaturen lassen sich gleichzeitig Ressourcen schonen und der Schadstoffausstoß mindern. Bisher lag die Obergrenze der Gastemperatur bei mit Zirkoniumoxid beschichteten Turbinenkomponenten bei 1.200 °C.

Dr. Henry Bosch hat nun neue Beschichtungsmaterialien für die Brennkammer und die Schaufeln von Gasturbinen entwickelt, die höheren Verbrennungstemperaturen standhalten. Er erhält den Wissenschaftspreis 2004 für seine Arbeit “Entwicklung neuer Wärmedämmschichten für thermisch hochbelastete Komponenten in Gasturbinen”. Aufbauend auf atomistischen Modellen entstand ein systematisches Verfahren, mit dem er eine große Stoffklasse hinsichtlich ihrer Wärmeausdehnung und Leitfähigkeit mittels experimenteller Evaluierungs-methoden schnell klassifizieren konnte. Darüber hinaus untersuchte Dr. Henry Bosch die gesamte Prozesskette von den Grundmaterialien für die Wärmedämmschichten über die Schichtherstellung bis hin zum Test der fertigen Proben unter anwendungsnahen Bedingungen. Die so identifizierten und hergestellten Schichtmaterialien erlauben mehr als 100 °C höhere Temperaturen als bisher möglich. Als noch besser und vor allem mechanisch stabiler erwies sich dabei ein Mehrschichtsystem aus zwei verschiedenen Materialien: Neodymzirkonat im Doppellagensystem mit Zirkoniumoxid. Es erreicht mit 1.325 °C zum einen eine deutlich höhere Oberflächentemperatur der beschichteten Komponenten, zum anderen haben diese eine erheblich höhere Lebensdauer.

Die Effizienzsteigerung, die mit den mehr als 100 °C höheren Turbinen-eintrittstemperaturen einhergeht, ist erheblich und kann sich ökonomisch wie ökologisch bemerkbar machen. Nach Schätzungen der Kraftwerksbetreiberbranche hat eine Erhöhung der Brenngastemperatur um nur 50 °C eine Wirkungs-gradsteigerung von 2 bis 4% zur Folge; ein um lediglich 1% gesteigerter Wirkungsgrad in einer 100 Megawatt-Kraftwerksturbine führt zu einer Einsparung bei den Brennstoffkosten von etwa Euro 300.000 jährlich. Eine zweiprozentige Wirkungsgradsteigerung eines gasbefeuerten 240 Megawatt-Kraftwerkes hat eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes von 24.000 Tonnen pro Jahr zur Folge. Bei einem kohlebefeuerten Kraftwerk gleicher Leistung ist die CO2-Reduzierung sogar doppelt so groß. Die Einsparpotenziale durch die neu entwickelte Dämmschicht sind also immens. Ein weiterer Vorteil der von Dr. Henry Bosch neu entwickelten Wärmedämmschicht: Für die Gasturbinenindustrie sind bei Umstellung der Beschichtung auf die neuen keramischen Wärmedämmschichten keine kostenintensiven Investitionen nötig.

Photovoltaik: Kostengünstige Solarzelle mit höherer Effizienz

Tag für Tag liefert die Sonne eine ungeheure Menge Energie. Mit Photovoltaikzellen kann man die Strahlung einfangen und in elektrischen Strom umwandeln. Dabei kämpfen Wissenschaftler um jedes Prozent Wirkungsgrad bei gleichzeitiger Kostenminimierung in der Herstellung. Heute bestehen Solarzellen überwiegend aus ~0,3 mm dicken Siliziumscheiben, so genannten Wafern, die man auch aus der Computerchipindustrie kennt. Daraus werden typischerweise 10×10 cm2 oder 15×15 cm2 große Solarzellen gefertigt, die dann zu Modulen von etwa 1 m2 Größe verlötet werden – ein aufwändiges Herstellungsverfahren. Eine Alternative zu waferbasierten Solarmodulen sind die Dünnschichtsolarzellen. Ihre Herstellung hat in der Massenproduktion von großflächigen Solarmodulen einige Vorteile gegenüber herkömmlichen, auf Silizium-Wafern basierenden Designs. Sie bestehen aus Siliziumschichten mit einer Dicke von nur wenigen Mikrometern und lassen sich zudem großflächig – mehr als 1 m2 – auf kostengünstigem Material, wie z.B. Fensterglas, über Abscheidungsprozesse herstellen. Damit können sie Solarstrom kostengünstiger als bisher produzieren. Einziger Nachteil bei diesem Solarzellentyp: ihr Wirkungsgrad ist deutlich kleiner als der von Wafer-Zellen.

Dr. Tobias Repmann hat mit seiner Arbeit “Stapelsolarzellen aus amorphem und mikrokristallinem Silizium – Prozess- und Modulentwicklung” eine vorhandene Technologie zur Solarzellenherstellung optimiert und die Prozesstechnik zur großflächigen Herstellung eines neuartigen Solarzellentyps entwickelt. Dafür wird ihm der zweite Preis verliehen. Der neue Typ besteht aus übereinander gelagerten amorphen und mikrokristallinen Siliziumschichten (zwei unterschiedliche, mikroskopische Strukturen des Siliziums), damit entstehen “übereinander gestapelt” zwei Solarzellen, die für unterschiedliche Wellenlängenbereiche sensitiv sind. Neben der Solarzellenoptimierung ist es Dr. Tobias Repmann gelungen, eine Technologie zu entwickeln, mit der die neuen Siliziumdünnschichtsolarzellen großflächig (Fertigungsgröße: 30×30 cm2) und mit industriell umsetzbaren Prozessen hergestellt werden können. Entsprechend fanden die Forschung und Entwicklung in enger Kooperation mit einem Industriepartner statt. Das gefundene Verfahren weist den Weg für die industrielle Verwertung für Modulflächen von einem Quadratmeter und mehr. Der neu entwickelten Prozesstechnik gingen grundlegende Untersuchungen zu den optischen und elektrischen Eigenschaften von Solarzellen aus beiden Siliziumstrukturen und dem kombinierten System voran. Diese kombinierten Solarzellen erfordern zudem eine Optimierung der elektrischen und optischen Anpassung. Dazu entwickelte Dr. Tobias Repmann ein neues Computermodell. Die neuartige, mit dieser Technologie von Dr. Tobias Repmann gefertigte Stapelsolarzelle hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad (um ca. 30 bis 50%) als gegenwärtig produzierte Dünnschichtzellen aus Silizium. Solarstrom könnte damit kostengünstiger hergestellt werden, was letztlich dazu beiträgt, Photovoltaik wettbewerbsfähig zu machen.

Mit der Verleihung des sechsten Wissenschaftspreises 2004 wird den beiden Preis-trägern auch in diesem Jahr die Teilnahme am jährlichen Nobelpreisträgertreffen der wissenschaftlichen Nachwuchselite in Lindau ermöglicht. Das Treffen mit dem diesjährigen Schwerpunkt Physik findet vom 27. Juni bis 2. Juli 2004 statt.

Festakt am 6. Mai 2004 ab 18:30 Uhr

Die festliche Verleihung des Wissenschaftspreises 2004 findet am 6. Mai 2004 ab 18:30 Uhr im Industrie-Club Düsseldorf statt. Nach den Grußworten des Vorstandsvorsitzenden des Industrie-Clubs Düsseldorf, Dr. Gustav A. von Halem, des Präsidenten des Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Dr. h.c. Gert Kaiser, und der nordrhein-westfälischen Wissenschafts-ministerin Hannelore Kraft, stellen die Preisträger ihre Arbeiten vor.

Der Festakt schließt mit einem Festvortrag von Prof. Dr. Sigmar Wittig, Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln.

Jury 2004

Die Juroren 2004 waren neben Dr. Gustav A. von Halem und Prof. Dr. Dr. h.c. Gert Kaiser, Staatssekretär Jörg Bickenbach, Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Ulrich Lehner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Henkel KGaA, Prof. Dr. Peter Hennicke, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Prof. Dr. Joachim Luther, Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme, Freiburg, sowie Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen, Direktor des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Stuttgart.

Wissenschaftspreis 2005: Medizintechnik

Mit dem Wissenschaftspreis werden jährlich wissenschaftliche Forschungsarbeiten in wechselnden Disziplinen ausgezeichnet, die dazu beitragen, die Lücke zwischen Grundlagenforschung und Innovation in der Anwendung zu schließen.
Ab Juni dieses Jahres läuft die Ausschreibung des Wissenschaftspreises 2005 im Themenfeld Medizintechnik.

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Carolin Grape idw

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