Strukturierte Doktorandenausbildung ist gefragt – DFG fördert deutschlandweit 26 neue Graduiertenkollegs

Mit dem Beschluss, 26 neue Graduiertenkollegs einzurichten, entspricht die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den weiterhin steigenden Antragszahlen in ihrem Nachwuchsprogramm. In seiner Sitzung vom 15. Dezember 2005 wählte der zuständige Bewilligungsausschuss die neuen Kollegs aus 52 positiv begutachteten Anträgen aus. Innerhalb der letzten drei Jahre haben sich die Antragszahlen somit fast verdreifacht. Während 2003 noch 73 Neuanträge bei der DFG eingingen, erhöhte sich ihre Zahl 2004 bereits auf 136. Im Jahr 2005 lagen der DFG nun insgesamt 205 Neuanträge vor. Derzeit fördert die DFG insgesamt 265 Graduiertenkollegs, darunter 39 internationale.

„Wir müssen diese Entwicklung finanziell nachhalten“, betonte DFG-Generalsekretär Dr. Reinhard Grunwald und verwies auf die Erhöhung der Mittel für das Programm von etwa 68 Millionen Euro im Jahr 2004 auf rund 72 Millionen Euro im Jahr 2005. Für 2006 ist ein weiterer Anstieg auf 79 Millionen Euro geplant. Die DFG beabsichtigt zudem, inhaltliche Änderungen am Förderinstrument vorzunehmen. Eine vom Senat der DFG eingerichtete Arbeitsgruppe wird bis Juni 2006 Vorschläge zur Weiterentwicklung des Programms erarbeiten. Bis Ende 2006 nimmt die DFG deshalb keine Neuanträge mehr an.

Fünf neue Graduiertenkollegs im Profil

Universität Duisburg-Essen

Mit Nanopartikeln versehene Bauelemente für die Elektronik zu entwickeln, ist Ziel des Graduiertenkollegs „Nanotronics – Photovoltaik und Optoelektronik aus Nanopartikeln“. An der Universität Duisburg-Essen werden die Doktorandinnen und Doktoranden zunächst die wissenschaftlichen Grundlagen der Nanotronik erforschen, die neueste Anwendungsmöglichkeiten für die Umwandlung von Strahlungsenergie in elektrische Energie (Photovoltaik) sowie für die Technologie zur Nutzbarmachung von Licht (Optoelektronik) bereithält. Im Rahmen von Schulungen und einem dreimonatigen Aufenthalt im Science-to-Business-Center der Degussa AG sollen die Promovierenden dann ihre Forschungsergebnisse in die Praxis umsetzen. Die Zusammenarbeit mit dem Industriepartner ermöglicht ihnen unter anderem, sich für das Berufsleben in der marktorientierten Produktentwicklung zu qualifizieren.

Technische Universität Chemnitz / Fudan University, Shanghai, China / Shanghai Jiao Tong University, China

Auch im Internationalen Graduiertenkolleg „Materialien und Konzepte für fortschrittliche Metallisierungssysteme“ geht es um Forschung zur Nanotechnologie. Gemeinsam mit ihren chinesischen Partnern der Fudan und der Shanghai Jiao Tong University wollen Chemiker, Physiker sowie Elektro- und Informationstechniker der Technischen Universität Chemnitz neueste Materialien auf Nanometerebene sowie ihre Anwendbarkeit in der industriellen Massenproduktion untersuchen. Das Kolleg ermöglicht dabei vor allem jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, über Themen an der Schnittstelle von grundlagen- und anwendungsorientierter Nanoelektronik zu promovieren und so Erfahrungen in einem Bereich der internationalen Spitzenforschung zu sammeln. Für die deutschen und chinesischen Teilnehmer sieht das Ausbildungsprogramm überdies Seminare, Workshops und Sommerschulen vor sowie einen etwa dreimonatigen Aufenthalt im jeweiligen Gastland.

Humboldt-Universität zu Berlin

Verfassung jenseits des Staates: Von der europäischen zur globalen Rechtsgemeinschaft? Dieser Frage will das gleichnamige Graduiertenkolleg an der Humboldt-Universität zu Berlin nachgehen. Im Zentrum der Überlegungen stehen dabei die juristischen Konsequenzen, die die zunehmende Vernetzung und Abhängigkeit der Menschen untereinander in Zeiten der Globalisierung mit sich bringen. Ziel ist es, existierende Rechtsformen anhand der Praxis zu hinterfragen und weiterzudenken. Für die teilnehmenden Doktoranden bedeutet dies, ihre Dissertationsthemen nicht nur aus juristischer, sondern auch aus politikwissenschaftlicher und historischer Sicht zu bearbeiten. Experten öffentlicher Institutionen und Zivilgesellschaften aus Deutschland, der Europäischen Union sowie der Vereinten Nationen begleiten dabei die Ausbildung und ermöglichen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Stagen in den jeweiligen Organisationen, damit sie Berufserfahrung im internationalen Bereich sammeln können.

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Anhand von Modellpflanzen wie Reis, Moos oder der Ackerschmalwand will das Graduiertenkolleg „Signalsysteme in pflanzlichen Modellorganismen“ die Regelungs- und Signalmechanismen analysieren, die für die Entwicklung einer Pflanze von entscheidender Bedeutung sind. Die Projektleiter rekrutieren zunächst interessierte Studierende mittels Praktika. Die ausgewählten Doktoranden der Biologie und Bioinformatik profitieren dann nicht nur von der Einbettung des Kollegs in das „Biovalley-Netzwerk“, einem Forschungsverbund zwischen den Universitäten Freiburg, Straßburg und Basel, sondern auch von den internationalen Kontakten der leitenden Wissenschaftler. Kongressreisen und Laboraufenthalte in Zusammenarbeit mit Universitäten in den Niederlanden, Südafrika, Ungarn und den USA sind geplant, um die interdisziplinären und interkulturellen Fähigkeiten des Nachwuchses zu fördern.

Medizinische Hochschule Hannover / Karolinska Institut, Schweden

Das Internationale Graduiertenkolleg „Strategien menschlicher Krankheitserreger zur Etablierung akuter und chronischer Infektionen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Medizinischen Hochschule Hannover, des Karolinska Instituts in Schweden und der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig. Vorrangig wollen Wissenschaftler hier das Problem der Beharrlichkeit von Erregern bei entzündlichen Vorgängen untersuchen, wobei nicht nur in theoretischen, sondern auch in klinisch orientierten Projekten Lösungen erarbeitet werden sollen. Mögliche Promotionsthemen reichen dabei von der biochemischen Zusammensetzung der Erreger über deren genetische Vielfältigkeit bis hin zu so genannten Escape-Mechanismen, mit denen Erreger den Abwehrmechanismen des Menschen ausweichen. Neben der Arbeit an ihrer Dissertation werden die deutschen und schwedischen Doktoranden zusätzlich an Laborkursen, Sommerschulen, Präsentations- und Rhetorikseminaren sowie Vorträgen im Gast- und Heimatland teilnehmen.

Die neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen

  • RWTH Aachen: „Algorithmische Synthese reaktiver und diskret-kontinuierlicher Systeme“
  • RWTH Aachen und University of Pennsylvania (USA): „Brain-behaviour Relationship of Normal and Disturbed Emotions in Schizophrenia and Autism“
  • Universität Bayreuth und Universität Erlangen-Nürnberg: „Stabile und metastabile Mehrphasensysteme bei hohen Anwendungstemperaturen“
  • Freie Universität Berlin und Humboldt-Universität zu Berlin: „Der Einfluss von Entzündungen auf die Funktion des Nervensystems“
  • Humboldt-Universität zu Berlin, Boston University (USA) und Kyoto University (Japan): „Genomische und systembiologische Analyse molekularer Netzwerke“
  • Humboldt-Universität zu Berlin: „Verfassung jenseits des Staates: Von der europäischen zur globalen Rechtsgemeinschaft?“
  • Humboldt-Universität zu Berlin: „Modellbasierte Software-Entwicklung für selbstorganisierende dezentrale Informationssysteme“
  • Technische Universität Chemnitz, Fudan University, Shanghai, und Shanghai Jiao Tong University (China): „Materialien und Konzepte für fortschrittliche Metallisierungssysteme“
  • Universität Darmstadt: „Qualitätsverbesserung im E-Learning durch rückgekoppelte Prozesse“
  • Universität Duisburg-Essen: „Nanotronics – Photovoltaik und Optoelektronik aus Nanopartikeln“
  • Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau: „Freunde, Gönner, Getreue. Praxis und Semantik von Freundschaft und Patronage in historischer, anthropologischer und kulturvergleichender Perspektive“
  • Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau: „Signalsysteme in pflanzlichen Modellorganismen“
  • Universität Hamburg: „Maßgeschneiderte Metall-Halbleiter-Hybridsysteme“
  • Universität Hamburg und Tsinghua University, Beijing (China): „Intersensorische Interaktion in natürlichen und künstlichen kognitiven Systemen“
  • Medizinische Hochschule Hannover und Karolinska Institut, Stockholm (Schweden): „Strategien menschlicher Krankheitserreger zur Etablierung akuter und chronischer Infektionen“
  • Universität Jena: „Alternativen und Elementmobilisierung an Mikroben-Mineral-Grenzflächen“
  • Universität Karlsruhe: „Analysis, Simulation und Design nanotechnologischer Prozesse“
  • Universität Konstanz und Universität Zürich (Schweiz): „Zell-basierte Charakterisierung krankheitsbedingter Mechanismen der Gewebszerstörung und -reparatur“
  • Universität zu Köln: „Globale Strukturen in Geometrie und Analysis“
  • Universität Leipzig: „Bruchzonen der Globalisierung“
  • Philipps-Universität Marburg: „Intra- und interzellulärer Transport und Kommunikation“
  • Universität Rostock: „Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs“
  • Universität Saarbrücken: „Calcium-Signale und zelluläre Nanodomänen“
  • Universität Saarbrücken: „Strukturbildung und Transport in komplexen Systemen“
  • Eberhard-Karls-Universität Tübingen und University of Dundee (Großbritannien): „Der PI3K-Signalweg bei Tumorwachstum und Diabetes“
  • Universität Würzburg: „Steuerung elektronischer Eigenschaften von Aggregaten n-konjugierter Moleküle“

Seit 1990 fördert die DFG in Graduiertenkollegs besonders qualifizierte Doktorandinnen und Doktoranden in allen wissenschaftlichen Disziplinen. Jeweils 15 bis 25 von ihnen arbeiten in einem meist interdisziplinären Forschungs- und Studienprogramm unter der Anleitung von Professorinnen und Professoren, die in Forschung und Lehre besonders ausgewiesen sind. Derzeit schließen rund sechs Prozent aller Doktoranden in Deutschland ihre Promotion in Graduiertenkollegs ab. Absolventen von Graduiertenkollegs sind in der Regel umfassender qualifiziert und durchschnittlich zwei Jahre jünger als andere Doktoranden. Der Anteil der ausländischen Promovierenden ist mit 28 Prozent an den Graduiertenkollegs fast dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

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