Dem Immunsystem auf der Spur
DFG fördert innovative, immunologische Forschung an der Universitätsmedizin Mainz.
Im Rahmen eines Reinhart Koselleck-Projekts stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Wissenschaftlern des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz eine Fördersumme in Höhe von 750.000 Euro zur Verfügung. Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman untersucht die Arbeitsgruppe neuartige genetische Verfahren, die zu einem besseren Verständnis von bisher unerforschten Mechanismen des Immunsystems beitragen sollen. Die innovativen Techniken könnten dabei helfen, neue Therapiemöglichkeiten für entzündliche Erkrankungen des ZNS, wie der Multiplen Sklerose (MS), zu eröffnen.
Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie steht das Immunsystem stark im öffentlichen Interesse. Noch sind allerdings viele Details über die Funktionsweise der körpereigenen Abwehrkräfte nicht oder nur unzureichend erforscht. Der weltweite Tag der Immunologie am 29. April soll die immunologische Forschung und deren Bedeutung für das Gesundheitswesen ins Bewusstsein rufen. Aus diesem Anlass weist die Universitätsmedizin Mainz auf ein innovatives Projekt auf dem Gebiet der Immunologie hin, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als Reinhart Koselleck-Projekt über einen Gesamtzeitraum von fünf Jahren mit Mitteln im Umfang von 750.000 Euro gefördert wird.
Mit dem Forschungsprojekt TRACINg (T-Cell Reactivation by Antigen Presenting Cells In the Central Nervous System – T-Zell-Reaktivierung durch Antigen-präsentierende Zellen im zentralen Nervensystem) wollen die Wissenschaftler des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz dazu beitragen, wichtige und weitestgehend unerforschte Mechanismen bei der Entstehung von entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) aufzudecken. Im Zentrum steht dabei das detaillierte Verständnis von zellulären Begegnungen im ZNS.
Ein funktionierendes Immunsystem ist lebensnotwendig. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den Körper vor Schadstoffen, Krankheitserregern und krankmachenden Zellveränderungen zu schützen. Bei Autoimmunerkrankungen des ZNS, wie beispielsweise der Multiplen Sklerose (MS), kommt es zu einer Fehlfunktion des Immunsystems: Das Abwehrsystem bekämpft fälschlicherweise körpereigene Zellen und löst Entzündungsprozesse aus.
Eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen des ZNS spielen die autoreaktiven T-Zellen. Das sind Immunzellen, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten. Um eine Autoimmunreaktion auszulösen, müssen die T-Zellen zunächst im ZNS auf sogenannte Antigen-präsentierende Zellen (APCs) treffen. Welche APCs zu welchem Zeitpunkt der Erkrankung den T-Zellen im ZNS begegnen, wo genau das Aufeinandertreffen stattfindet und welche Auswirkung es auf den Krankheitsverlauf hat, konnte bislang nicht untersucht werden, da geeignete Verfahren fehlen.
Diese Lücke wollen die Mainzer Wissenschaftler schließen. Im ersten Teil des Reinhart Koselleck-Projekts untersuchen sie die Anwendung des LIPSTIC (Labelling Immune Partnerships by SorTagging Intercellular Contacts)-Systems. Dieses basiert auf einem Verfahren, bei dem T-Zellen nach Interaktion mit APCs eine Markierung auf der Oberfläche der APCs hinterlassen. Die Markierung kann sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise können die zellulären Begegnungen zeitlich und räumlich dargestellt und die APCs bestimmt werden.
Das LIPSTIC-System wird bisher für die Darstellung von immunologischen Prozessen in den Lymphknoten angewendet. Im Rahmen des Reinhart Koselleck-Projekts prüfen die Forscher, ob das Verfahren auch für die Visualisierung von Zell-Interaktionen im Bereich des ZNS eingesetzt werden kann. „Die Übertragung in den Bereich der Neuroimmunologie ist insbesondere durch die vergleichsweise geringe Anzahl an zellulären Begegnungen im ZNS herausfordernd. Die Ergebnisse von Vorversuchen sehen jedoch bereits vielversprechend aus“, berichtet Doktorandin Lisa Johann.
Ziel des zweiten Teilprojekts ist es, eine völlig neuartige, genetische Technik zu entwickeln. Dafür werden im Tiermodell der MS, der Experimentellen Autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE), T-Zellen generiert, die nach der Begegnung mit APCs ein fluoreszierendes Eiweiß produzieren. Die dann gelb leuchtenden T-Zellen können anschließend auf ihrem Weg durch das ZNS verfolgt und im Detail untersucht werden.
„Die Besonderheit bei den von uns erforschten innovativen Verfahren ist, dass sie ein direktes Sichtbarmachen der interzellulären Begegnungen ermöglichen, ohne diese zu beeinflussen. Unser Projekt soll in erster Linie der Grundlagenforschung dienen. Langfristig könnten unsere Erkenntnisse dazu beitragen, neue Ansätze für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen des ZNS zu entwickeln“, betont Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz.
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-9129, E-Mail: waisman@uni-mainz.de
Pressekontakt:
Veronika Wagner, Unternehmenskommunikation, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-8391, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de
Über das Reinhart Koselleck-Programm der DFG
Mit dem Reinhart Koselleck-Programm soll durch besondere wissenschaftliche Leistung ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit eröffnet werden, in hohem Maß innovative oder im positiven Sinn risikobehaftete Projekte durchzuführen. Die Mittel werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung gestellt. Namensgeber des Programms ist der im Jahr 2006 verstorbene Reinhart Koselleck. Koselleck war einer der bedeutendsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts, der in Deutschland zu den Begründern der modernen Sozialgeschichte gehörte.
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 350.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. 3.400 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie mehr als 600 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.500 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor.
Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-9129, E-Mail: waisman@uni-mainz.de
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