DFG fördert 15 neue Sonderforschungsbereiche
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 15 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss auf seiner Herbstsitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 128 Millionen Euro gefördert.
Hinzu kommt eine 20-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Forschungsprojekten. Vier der 15 eingerichteten Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen. Alle neuen Sonderforschungsbereiche werden ab 1. Januar 2016 für zunächst vier Jahre gefördert.
Zusätzlich zu den 15 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 13 Sonderforschungsbereichen für jeweils eine weitere Förderperiode. Ab Januar 2016 fördert die DFG damit insgesamt 249 Sonderforschungsbereiche.
Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen (in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen und unter Nennung der antragstellenden Hochschulen)
Die späte Wachstumsgeschichte der terrestrischen Planeten, hierzu zählen Merkur, Venus, Erde und Mars, ist von kritischer Bedeutung für das Verständnis der frühen Stofftrennungsprozesse und die Entwicklung der terrestrischen Planeten. Der Sonderforschungsbereich/Transregio „Die Akkretionsgeschichte der volatilen Elemente in den terrestrischen Planeten“ will das Verständnis der späten Wachstumsgeschichte von Erde, Mond und anderen terrestrischen Planeten in der Zeit zwischen 4,5 und 3,8 Milliarden Jahren verbessern. Dafür sollen bestimmte Prozesse wie die Rolle planetarer Kollisionen beim Verlust flüchtiger Elemente und bei der Kernbildung oder auch die Bildung und Entwicklung von Magmaozeanen erforscht werden.
(Sprecherhochschule: Freie Universität Berlin, Sprecher: Professor Dr. Harry Becker, außerdem antragstellend: Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Forscherinnen und Forscher der Kernstrukturphysik und der nuklearen Astrophysik arbeiten gemeinsam im Sonderforschungsbereich „Atomkerne: Von fundamentalen Wechselwirkungen zu Struktur und Sternen“. Ihr Ziel ist es, das Verständnis von Kernen und der Kernphysik in Sternen auf ein neues Niveau zu heben. Dafür werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich mit der systematischen Beschreibung von Atomkernen auf Basis effektiver Feldtheorien (EFTs) der starken Wechselwirkung befassen. EFTs eröffnen eine konsistente und systematische Beschreibung der Kernkräfte und der elektroschwachen Wechselwirkung in Kernen und Kernmaterie. Dieses Verständnis wird durch Experimente unter anderem am Darmstädter Beschleuniger S-DALINAC, der im Energiebereich der chiralen EFT führend ist, untersucht.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Darmstadt, Sprecher: Professor Dr. Achim Schwenk)
Biologische Membranen erhalten einen Nicht-Gleichgewichtszustand zwischen dem Inneren und Äußeren einer Zelle oder eines subzellulären Kompartiments und zwischen den Zellen multizellulärer Organismen. Eine Voraussetzung für Leben ist es daher auch, dass Membranen nicht statische Gebilde, sondern vielmehr sich ständig ändernde Grenzen darstellen, die auf externe und interne Reize antworten. Was bestimmt die Identität von Membranen und wie kontrollieren sie ihre dynamischen Prozesse in Raum und Zeit? Welche Rolle spielen hier ihre Bestandteile, besonders ihre Membranproteine und Membranproteinkomplexe? Dies sind Fragen, die im Sonderforschungsbereich „Identität und Dynamik von Membransystemen – von Molekülen bis zu zellulären Funktionen“ beantwortet werden sollen, um die Grundlage einer Vielzahl essenzieller biologischer Prozesse besser zu verstehen.
(Sprecherhochschule: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Sprecher: Professor Dr. Lutz Schmitt)
Selektive Autophagie ist ein Prozess, der in spezifischer Weise potenziell schädliche intrazelluläre Abfälle entfernt. Sie dient der zellulären Qualitätskontrolle, der Adaptation an Stressbedingungen sowie der Bereitstellung von Bausteinen für die Synthese neuer zellulärer Komponenten bei begrenzter Nährstoffversorgung. Der weitreichende Einfluss autophagischer Prozesse wurde erst in den vergangenen zehn Jahren erkannt, sodass viele Fragen offen bleiben. Der Sonderforschungsbereich „Molekulare und funktionale Charakterisierung der selektiven Autophagie“ will die molekularen und zellulären Mechanismen entschlüsseln, die eine reibungslose Funktion der Autophagie im gesamten Organismus sicherstellen. Überdies wird anhand verschiedener Krankheitsmodelle für Krebs, Parkinson, Infektion und Entzündung untersucht, wie das Autophagie-Netzwerk zur Entstehung und zum Fortschreiten von Erkrankungen beiträgt und wie dieses Wissen für neue therapeutische Ansätze genutzt werden kann.
(Sprecherhochschule: Goethe-Universität Frankfurt/Main, Sprecher: Professor Dr. Ivan Dikic)
Die Einteilung von Zellen in verschiedene Räume, sogenannte Kompartimente, stellt die spezifische Verteilung und Trennung von Nucleinsäuren, Proteinen und Metaboliten sicher. Zugleich müssen die intrazellulären Kompartimente aber in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren und Moleküle auszutauschen. In lebenden Zellen vermitteln zwei unterschiedliche Systeme diesen Austausch: Kompartimentspezifische Transportmaschinerien und Kontaktstellen. Der Sonderforschungsbereich „Transportmaschinerien und Kontaktstellen zellulärer Kompartimente“ erforscht, wie die Kombination dieser Systeme die spezifische Verteilung von Molekülen innerhalb der Zelle vermittelt und wie es damit gelingt, zelluläre Kompartimente funktionell zu einem übergeordneten Ganzen zusammenzuschließen.
(Sprecherhochschule: Georg-August-Universität Göttingen, Sprecher: Professor Dr. Peter Rehling)
Der Sonderforschungsbereich „Immunvermittelte glomeruläre Erkrankungen – Grundlagen und klinische Auswirkungen“ befasst sich mit den Ursachen einer Gruppe von Erkrankungen, die zu den häufigsten Auslösern für eine terminale Niereninsuffizienz in der westlichen Welt zählt. Immunvermittelte glomeruläre Erkrankungen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die primär eine schädigende Entzündungsreaktion in den Glomeruli, kleinen Gefäßknäueln des Nierengewebes, und sekundär auch in anderen Teilbereichen der Niere hervorrufen. Für die Entwicklung von effektiveren und sichereren Therapien sollen die zugrunde liegenden Pathomechanismen untersucht werden.
(Sprecherhochschule: Universität Hamburg, Sprecher: Professor Dr. Rolf A. K. Stahl)
Crossmodales Lernen bezeichnet die Integration komplexer Wahrnehmungen aus verschiedenen Sinnesorganen, wobei das Lernen innerhalb eines Sinnes durch die Informationen eines oder mehrerer anderer Sinne beeinflusst wird. So bildet Crossmodales Lernen die Grundlage für das menschliche Verstehen der Welt, beispielsweise beim Greifen und Handhaben von Objekten, beim Lesen- und Schreibenlernen oder auch beim Spracherwerb. Der deutsch-chinesische Sonderforschungsbereich/Transregio „Crossmodales Lernen: Adaptivität, Prädiktion und Interaktion“ zielt darauf ab, die neuralen, kognitiven und computergestützten Mechanismen Crossmodalen Lernens zu beschreiben. Beteiligt sind daran Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Künstlichen Intelligenz, Psychologie und aus den Neurowissenschaften.
(Sprecherhochschulen: Universität Hamburg, Tsinghua University, Beijing, Sprecher: Professor Dr. Jianwei Zhang, Professor Dr. Fuchun Sun)
Im Sonderforschungsbereich/Transregio „Spin+X: Spin in seiner kollektiven Umgebung“ befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Physik, Chemie, dem Maschinenbau und der Verfahrenstechnik mit Spin-Phänomenen. Diese sind, wenn auch noch nicht umfassend verstanden, bereits heute von zentraler Bedeutung für moderne technologische Anwendungen wie der Datenspeicherung oder der magnetischen Sensorik. Der Sonderforschungsbereich/Transregio widmet sich solchen Spin-Phänomenen, die das Ergebnis kollektiver Wechselwirkungen in größeren Systemen sind. Dabei untersucht er sowohl grundlegende Aspekte als auch funktionale Phänomene mit dem mittel- und langfristigen Ziel praktischer Anwendungen.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Kaiserslautern, Sprecher: Professor Dr. Martin Aeschlimann, außerdem antragstellend: Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Funktionale Materialien besitzen gegenüber konventionellen Werkstoffen verbesserte mechanische, thermische und elektrische Eigenschaften. Makromoleküle sind die wichtigsten funktionalen Materialien, sowohl in der Natur als auch in unserem täglichen Umfeld. Sie finden mehr und mehr Einzug in Hightech-Anwendungsbereiche wie Bildschirme, Displays und Datenspeicher. Ihre funktionale Vielfalt basiert sowohl auf der Anordnung und Natur der einzelnen Bausteine innerhalb eines Makromoleküls als auch auf der Anordnung und Verknüpfung der Makromoleküle in der Fläche und im Raum. Der Sonderforschungsbereich „Molekulare Strukturierung weicher Materie“ setzt sich das Ziel, die Herstellung polymerer Materialien mit einem bislang unerreichten Maß an Strukturkontrolle in ein, zwei und drei Dimensionen zu ermöglichen.
(Sprecherhochschule: Karlsruher Institut für Technologie, Sprecher: Professor Dr. Christopher Barner-Kowollik)
Pflanzen und Tiere einschließlich des Menschen beherbergen hoch spezifische Gemeinschaften von Mikroben. Die mit einem bestimmten Wirtsorganismus assoziierten Mikroben können die Fitness ihrer jeweiligen Wirte beeinflussen und letztlich einen Metaorganismus bilden, der sich aus dem vielzelligen Wirt und einer Gemeinschaft von assoziierten Mikroorganismen zusammensetzt. Störungen dieser partnerschaftlichen Beziehung haben bei Wirbellosen wie beim Menschen erhebliche Konsequenzen. Trotz ihrer essenziellen Bedeutung sind die molekularen und zellulären Mechanismen, die die Interaktionen in einem solchen Metaorganismus kontrollieren, in vielen Aspekten noch unverstanden. Hier setzt der Sonderforschungsbereich „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ an, indem er untersucht, warum und wie mikrobielle Gemeinschaften langfristige Assoziationen mit Wirtsorganismen bilden. In ausgewählten Wirtsorganismen soll auch an den evolutionären und ökologischen Auswirkungen auf den Lebenszyklus und die Fitness geforscht werden.
(Sprecherhochschule: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Sprecher: Professor Dr. Thomas C. G. Bosch)
Verräumlichung ist eine zentrale Dimension des sozialen Handelns, denn Räume werden von Menschen gemacht. Welcher Art sind diese Räume und wie verhalten sich Räume zueinander? Wird die durch Verräumlichung entstehende Ordnung von Räumen durch den Globalisierungsprozess komplexer? Welche sind die ordnenden Kräfte und welchen Prinzipien folgen sie? Diesen Fragen widmet sich der Sonderforschungsbereich „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“. Dabei wird Globalisierung als ein von verschiedenen Weltregionen ausgehender, global wirksamer Verräumlichungsprozess verstanden. Der SFB nimmt den Zeitraum seit dem späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, unterschiedliche Weltregionen wie auch verschiedene Gruppen von Akteuren in den Blick. Neben der Beschleunigung und Verdichtung von Entgrenzung und Verflechtungen stehen die Herstellung von Ordnungen durch Neuverräumlichung sowie deren Akteure im Fokus.
(Sprecherhochschule: Universität Leipzig, Sprecher: Professor Dr. Matthias Middell)
Innerhalb der letzten 25 Jahre wurde ein überproportionaler Anstieg der bodennahen Lufttemperatur in der Arktis beobachtet – er übertrifft die durchschnittliche globale Erwärmung um das Doppelte. Dieses Phänomen wird als arktische Verstärkung bezeichnet. Sie führt zu dramatischen Veränderungen in der Arktis, die erhebliche Auswirkungen auch auf das globale Klimasystem haben. Allerdings können Klimamodelle diesen Effekt bis heute nicht korrekt reproduzieren. Daher hat es sich der Sonderforschungsbereich/Transregio „Arktische Verstärkung: Klimarelevante Atmosphären- und Oberflächenprozesse und Rückkopplungsmechanismen: (AC)3“ zum Ziel gesetzt, die Schlüsselprozesse, die zur arktischen Verstärkung beitragen, zu identifizieren, zu untersuchen und zu bewerten. So soll das Verständnis der wesentlichen Rückkopplungsmechanismen vertieft und gleichzeitig deren relative Bedeutung für die arktische Verstärkung quantifiziert werden. Durch die Verbindung von Beobachtungs- und Modellstudien sollen zudem die Vorhersagen der künftigen arktischen Klimaentwicklung verbessert werden.
(Sprecherhochschule: Universität Leipzig, Sprecher: Professor Dr. Manfred Wendisch, außerdem antragstellend: Universität Bremen, Universität zu Köln)
In den letzten Jahrzehnten wurden viele Mechanismen der Tumorentstehung aufgeklärt und effiziente Krebstherapien entwickelt. Jedoch stellen die häufigen Rückfälle mit resistenten Tumorzellen eine immense klinische Herausforderung dar. Der Sonderforschungsbereich „Genetische und epigenetische Evolution von hämatopoetischen Neoplasien“ untersucht deshalb die zugrunde liegenden Prozesse aus evolutionsbiologischer Perspektive, um die Krebsentwicklung besser diagnostizieren und behandeln zu können. In enger Zusammenarbeit werden Vertreterinnen und Vertreter aus der klinischen Praxis, der Molekularbiologie, Bioinformatik, Populationsgenetik und der Evolutionsbiologie Tumorerkrankungen des blutbildenden Systems, wie Leukämien und Lymphome, erforschen, anhand derer sich die Krebsentstehung besonders gut verfolgen lässt.
(Sprecherhochschule: Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprecher: Professor Dr. Heinrich Leonhardt)
Milliarden von Nutzern verbringen große Teile ihres Lebens im Internet und hinterlassen dort ihre Daten. Deren weite Verbreitung, einfache Zugänglichkeit und Persistenz bergen weitreichende Risiken. In diesem Zusammenhang ist Onlinedatenschutz ein weitgehend ungelöstes Problem. Der Sonderforschungsbereich „Methoden und Instrumente zum Verständnis und zur Kontrolle von Datenschutz“ konzentriert sich zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Grundlage für umfassenden Onlinedatenschutz auf zwei Aspekte: Verstehen und Kontrollieren des Datenschutzes. Damit soll auch ein ganzheitlicher Ansatz für die Forschung auf diesem Gebiet geschaffen und die bestehenden Grenzen zu weiteren relevanten Teilbereichen der Informatik überwunden werden.
(Sprecherhochschule: Universität des Saarlandes, Sprecher: Professor Dr. Michael Backes)
Digitale Medien lassen sich nach dem gemeinsamen Verständnis der im Sonderforschungsbereich „Medien der Kooperation“ beteiligten Forscherinnen und Forscher aus den Geistes-, Kultur-, Sozial- und Ingenieurwissenschaften nicht mehr als Einzelmedien verstehen. Nötig sind vielmehr neue analytische und theoretische Zugänge: Medien basieren auf Technologien und Medieninfrastrukturen und sie bringen zugleich öffentliche Kontroversen um ihre Gestaltung und Regulierung mit sich. Der Verbund thematisiert die kooperative Ausgestaltung von Medien und erforscht die Rolle von medialen Infrastrukturen für die Hervorbringung von Öffentlichkeiten. Mit seinem interdisziplinären Forschungsprogramm will der Sonderforschungsbereich einen Beitrag zum Verständnis der digitalen Gegenwartskultur leisten.
(Sprecherhochschule: Universität Siegen, Sprecher: Professor Dr. Erhard Schüttpelz)
Weiterführende Informationen
Medienkontakt:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2443, presse@dfg.de
Weitere Informationen erteilen die Sprecherinnen und Sprecher der Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Klaus Wehrberger, Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster, Tel. +49 228 885-2355, Klaus.Wehrberger@dfg.de
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und den geförderten Sonderforschungsbereichen auch unter:
www.dfg.de/sfb
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