Die Suche nach einer aktiven und stabilen Oberfläche
Die Idee, Wasserstoff mittels Elektrolyse zu gewinnen, ist über 200 Jahre alt. Die Idee, Wasserstoffherstellung zur Energiespeicherung zu nutzen und so zum Gelingen der Energiewende beizutragen, ist auch nicht neu.
Und doch gibt es einen Grund, warum die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff bislang kein Faktor bei der Energiewende ist: Die Elektrolyse kostet einerseits selbst noch zu viel Energie, andererseits sind die Materialen, aus denen handelsübliche Elektroden geschaffen sind, teuer. Platin und Iridium zum Beispiel zählen zu den weltweit seltensten Materialien.
Mittlerweile gibt es erste Ansätze, anderes Material einzusetzen, erste Versuche werden mit Oxidformen von Eisen und Nickel angegangen. Einen verfolgt Dr. Christoph Bäumer vom Lehrstuhl für Werkstoffe der Elektrotechnik II der RWTH Aachen. Bäumer baut in seinem Projekt auf das Verständnis und die Veränderung der Oberflächen der Katalysatoren. Dort findet die entscheidende Reaktion bei der Gewinnung von Wasserstoff statt. „Aber sie ist noch nicht gut genug definiert worden“, sagt Bäumer.
Die Hoffnung, kostengünstige und effiziente Katalysatoren aus reichlich vorhandenen Materialien zu entwickeln, ist groß. Deswegen wird er seitens der Europäischen Union mit einem sogenannten Individual Global Fellowship im Rahmen der Marie Skłodowska-Curie-Actions (kurz: Marie-Curie-Fellowship) in den kommenden zweieinhalb Jahren gefördert.
Dabei wird er einerseits am Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik der RWTH Aachen bei Professor Rainer Waser und am Department for Material Science and Engineering der Stanford University (Professor William Chueh) seine Versuche initiieren. Andererseits werden am Peter Grünberg Institut für elektronische Materialien am Forschungszentrum Jülich (Professorin Regina Dittmann), also einer Einrichtung der Helmholtz-Gemeinschaft, neue Materialien entwickelt. Bäumer will für seine Forschung atomar definierte Katalysator-Schichten während der Elektrolyse untersuchen. „So wollen wir verstehen, wie ein Material entwickelt werden kann, das gleichermaßen aktiv und stabil ist. Bislang ging entweder das eine oder das andere“, erklärt er.
Seit 2008 hat die RWTH Aachen zwölf Marie-Curie-Fellowships eingeworben. Sieben im siebten Forschungsrahmenprogramm FP7 der EU, fünf (drei Global und zwei European Fellowships) weitere mit dem aktuellen Horizon-2020-Programm. Bäumers Antrag in der Chemie war einer von 71 geförderten, seine Bewertung von 96,4 Prozent ist spitze.
„Für einen jungen Forscher ist diese Förderung eine große Chance. Sie gibt Sicherheit, und ich kann das Beste aus den drei Forschungswelten, in denen ich mich bewegen werde, mitnehmen“, sagt Bäumer. Das Fördervolumen beträgt 214.000 Euro.
Die Untersuchung von atomar definierten Oxidschichten beschäftigt ihn seit vielen Jahren. Bei seiner Promotion an RWTH und FZ Jülich betrachtete er sie noch in einem anderen Kontext. Dort ging es um die Verwendung als Datenspeicher, also um Computerbauelemente, um Festplatten der nächsten Generation. Ein Thema, für das Professor Rainer Waser mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet wurde. In beiden Fällen – bei der Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse wie auch bei Datenspeichern – geht es um ähnliche Prozesse, sogenannte Valenzwechsel (also Zustandsänderungen), der Materialien.
„Diese Forschung an den mikroskopischen Mechanismen ist absolut grundlegend und hat andererseits eine, beziehungsweise in diesem Fall sogar zwei klare Anwendungsperspektiven. Damit passt unsere Forschung in idealer Weise in die Mission der Helmholtz-Gemeinschaft“, erklärt Professor Waser.
Die ersten Experimente haben nun im Reinraum des Aachener Instituts begonnen. Viel Zeit wird Christoph Bäumer in den nächsten Monaten in den Laboren in Aachen, Stanford und Jülich verbringen. Er hat dabei immer sein Ziel vor Augen: „Ich will ein fundamentaleres Verständnis der Prozesse bei der Wasserspaltung aufbauen“, sagt er. Darauf basierend könnte die Zusammensetzung des Materials so eingestellt werden, dass es möglichst aktiv und stabil bleibt. So könnte Wasserstoff tatsächlich ein maßgeblicher Faktor bei der Energiewende werden.
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