EU-Forschungspreis für Jenaer Materialforscher Lothar Wondraczek

Prof. Dr. Lothar Wondraczek von der Universität Jena wurde mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet. Foto: Anne Günther/FSU

Sie gehören zu den höchstdotierten Forschungsförderpreisen, die die EU vergibt: die sog. ERC-Grants. Mit einem solchen Preis, einem ERC Consolidator Grant, ist auch Prof. Dr. Lothar Wondraczek von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgezeichnet worden.

Der Lehrstuhlinhaber für Glaschemie II erhält rd. zwei Millionen Euro, mit denen er in den nächsten fünf Jahren im Rahmen des Forschungsprojektes UTOPES hochfunktionale Glaswerkstoffe entwickeln will.

„Die Vergabe dieses Grants an Prof. Wondraczek belegt, dass die Friedrich-Schiller-Universität mit ihm einen exzellenten Wissenschaftler berufen hat, von dem in Zukunft noch Großes zu erwarten ist“, unterstreicht Jenas Uni-Präsident Prof. Dr. Walter Rosenthal die Bedeutung dieser raren Auszeichnung.

„Der Gewinn eines ERC-Grants ist sicher ein Ritterschlag für meine Arbeitsgruppe, vor allem aber auch einzigartiger Impulsgeber für die Verwirklichung einer ganzen Reihe von mittel- und langfristigen Forschungsideen auf dem Weg zu völlig neuen Arten nichtkristalliner Materialien“, freut sich Prof. Wondraczek.

Auf dem Weg zu neuen Materialzuständen

Gläser gehören zu den kulturhistorisch ältesten von Menschen verwendeten Werkstoffen. Materialchemische und prozesstechnische Entwicklungen an Gläsern haben immer wieder zu großen gesellschaftlichen Veränderungen geführt, betont Wondraczek und ergänzt: „Ohne Glas gäbe es keine optische Telekommunikation, keine großformatigen Displays oder Touch-Panels, keine effizienten Solarmodule oder auch einfach keine Fenster in Gebäuden oder Gefäße zur dauerhaften und geschützten Aufbewahrung von Nahrungsmitteln und Medikamenten.“

Gleichzeitig stellen Gläser die Wissenschaft noch immer vor große Probleme. Denn Glas existiert in einem Zustand des Ungleichgewichtes und der strukturellen Unordnung, dessen Dynamik und Eigenschaftsbildung in herkömmlichen Modellen nicht erfasst werden kann.

Dieses grundlegende Problem wird zunehmend zum limitierenden Faktor bei der Entwicklung der nächsten Generation hochfunktionaler Glaswerkstoffe wie sie beispielsweise in der optischen Datenverarbeitung, in ultradünnen Displays, Batterien und hybriden Solarmodulen oder in der optischen Energieübertragung benötigt würden.

Ziel des neuen Forschungsvorhabens „UTOPES“ (Unifying Concepts in the Topological Design of Non-Crystalline Materials) ist es, diese Grenze zu überwinden. „Dafür werden wir Prozesse entwickeln, mit deren Hilfe Materialzustände erreichbar sind, die heute nicht realisiert werden können. So hängen eine Reihe von Glaseigenschaften stark von den Prozessbedingungen ab, vor allem von der Zeit, in welcher eine Glasschmelze abgekühlt wird. Würde man ein Glas über Millionen von Jahren betrachten, so würden sich seine Eigenschaften ändern. Beispielsweise würde es optisch transparenter werden.

Es ist also klar, dass schon hier ein ganzes Feld möglicher Eigenschaftsvariationen derzeit nicht zugänglich ist, ganz einfach deshalb, weil wir nicht über die notwendige Zeit verfügen. Ziel ist es also, extrem langsame Reaktionen durch veränderte Prozesswege um ein Vielfaches zu beschleunigen“, beschreibt Wondraczek den Kerngedanken seiner Forschungsarbeiten und ergänzt:

„Mit wichtigen Anknüpfungspunkten in die optische Physik, aber auch in biomedizinische Anwendungsszenarien bietet der Standort Jena exzellente Bedingungen, heute – 80 Jahre nach Otto Schott – neuartige Glaswerkstoffe und Prozessstrategien zu entwickeln und schließlich auch in Anwendungen zu überführen“.

Der Materialwissenschaftler Prof. Dr.-Ing Lothar Wondraczek

Lothar Wondraczek ist der dritte Wissenschaftler der Universität Jena, der seit dem Start des europäischen Exzellenzprogrammes 2007 eine solche Auszeichnung des Europäischen Forschungsrates erhält. Der 37-jährige Glas-Experte ist seit 2012 Lehrstuhlinhaber am Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena, nachdem er bereits ab 2008 als einer der jüngsten MINT-Professoren Deutschlands an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrte. Zuvor war er in der französischen Forschungsabteilung eines amerikanischen Spezialglasherstellers tätig. Sein Forschungsfeld betrifft die Suche nach Ordnung in der Unordnung glasiger Materialien mit Anwendungspotenzial in den Bereichen Energie, Optik, Architektur und Gesundheit.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing Lothar Wondraczek
Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Universität Jena
Fraunhoferstr. 6
07743 Jena
Tel.: 03641 / 948500
E-Mail: lothar.wondraczek[at]uni-jena.de

http://www.uni-jena.de

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