Europäischer Innovationspreis für Fraunhofer
16.000 große Papiersäcke füllt das geheimnisvolle Erbe der Stasi. Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, der ehemaligen Geheimpolizei der DDR, zerrissen kurz vor dem Mauerfall im Herbst 1989 etwa 40 Millionen Seiten mit Aufzeichnungen. Das Ergebnis: etwa 600 Millionen Papier- schnipsel, die Informationen über Mitarbeiter und Opfer der Stasi enthalten. Die in kleinste Teile zerrissenen Seiten von Hand zusammenzufügen, ist nur in Ansätzen möglich und würde Jahrhunderte dauern.
Eine umfassende und zudem deutlich schnellere Rekon- struktion wird durch den ePuzzler möglich, den Forscher am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruk- tionstechnik IPK in Berlin entwickelt haben. Die Software wertet mit Hilfe komplexer Algorithmen die digitalisierten Schnipsel aus, die ein Scanner zuvor erfasst hat: Auf Basis von Merkmalen wie Form, Farbe, Textur, Linierung und Schriftbild werden passende Nachbar-Teile gesucht und anschließend virtuell gepuzzelt. »Auf diese Weise schränken wir zunächst den Suchraum in der gigantischen Schnipsel- menge ein und beschleunigen damit den eigentlichen Puzzleprozess erheblich«, erläutert Projektleiter Jan Schneider vom IPK.
Für die Technik, die Licht in das Dunkel der deutsch-deutschen Geschichte bringen kann, wurden Projektinitiator Dr. Bertram Nickolay und sein Team jetzt mit dem EARTO-Preis für besondere wirtschaftliche und soziale Innovationen geehrt. Der Preis wird in diesem Jahr zum fünften Mal von der European Association of Research and Technology Organisations vergeben. »Für mein Team und mich ist es eine große Ehre, den EARTO-Preis zu erhalten. Neben der Herausforderung, weltweit technisches Neuland zu betreten, hat uns bei der Entwicklung der Rekonstruktionstechnologie auch immer die gesellschaftliche Relevanz vorangetrieben«, resümiert Nickolay.
Damit der ePuzzler seine Arbeit akkurat erledigen kann, muss er allerdings noch lernen. Der Prototyp wird seit März 2013 im produktiven Betrieb trainiert und optimiert. Im nächsten Schritt wollen die Fraunhofer-Forscher Techniken entwickeln, die das Scannen der Schnipsel weitestgehend automatisiert.
Interessant ist die neue Technik übrigens nicht nur für die Rekonstruktion der Stasi-Akten, sondern auch für die Wiederherstellung sowie Erhaltung kulturell und gellschaftlich relevanter Dokumente und Objekte.
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