High Energy and Particle Physics Prize 2017
In fast allen Experimenten an Teilchenbeschleunigern, in denen die elementaren Bausteine der Materie und die Eigenschaften der fundamentalen Kräfte untersucht werden, kommen heute Siliziumdetektoren mit hoher Ortsauflösung zum Einsatz. Prof. Dr. Robert Klanner vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg, Dr. Erik Heijne vom europäischen Forschungszentrum CERN und der kürzlich verstorbenen Dr. Gerhard Lutz vom Max-Planck-Institut für Physik (MPP) verhalfen dieser Technologie in den 1980er Jahren zum Durchbruch.
Für ihre Beiträge zur Entwicklung von Silizium-Mikrostreifen-Detektoren und deren Einsatz zum Nachweis kurzlebiger Elementarteilchen erhalten die drei Physiker bei einer Festveranstaltung am 10. Juli 2017 während der Konferenz der Europäischen Physikalischen Gesellschaft zur Teilchenphysik in Venedig den High Energy and Particle Physics Prize 2017. Der Preis, der seit 1989 alle zwei Jahre von der Europäischen Physikalischen Gesellschaft verliehen wird, genießt in Fachkreisen höchstes Ansehen: Unter den Preisträgern sind 12 Nobelpreisträger.
„Ich freue mich sehr über diese große Anerkennung“, sagt Prof. Robert Klanner. „Dass dieser renommierte Preis für eine technische Entwicklung vergeben wurde, verstehe ich auch als Ansporn für Nachwuchswissenschaftler, die auf dem Gebiet der Detektorentwicklung arbeiten und deren große Leistungen nicht immer ausreichend gewürdigt werden.“
Aufgabe von Teilchenphysik-Detektoren ist es, die in Wechselwirkungen erzeugten Teilchen möglichst genau zu vermessen. Zur Vermessung der Spuren geladener Teilchen werden mehrere Lagen aus Siliziumdetektoren, die zurzeit genauesten elektronischen Detektoren, um den Wechselwirkungspunkt angeordnet. Aus den präzise vermessenen Spurpunkten können Impuls und Richtung der Teilchen bestimmt werden.
So tragen diese Detektoren wesentlich zum Fortschritt im Verständnis des Aufbaus der Materie und letztlich des Ursprungs und der zeitlichen Entwicklung unseres Universums bei. Auch an der Entdeckung des legendären Higgs-Teilchen waren Silizium-Detektoren maßgeblich beteiligt. Der Erfolg der Siliziumstreifenzähler in Experimenten der Teilchenphysik war auch Ausgangspunkt für die Entwicklung innovativer Röntgendetektoren, die heute an Synchrotronstrahlungsquellen wie PETRA III oder dem Europäischen Freie-Elektronen-Laser (European XFEL) in Hamburg verwendet werden.
Die drei Preisträger entwickelten in den frühen 1980er Jahren Siliziumstreifen-Detektoren mit einer Ortsauflösung von fünf Mikrometern. Mit diesem Wert – der etwa dem Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares entspricht – waren sie 20 Mal genauer als andere damals verfügbare elektronische Detektoren.
Aus sechs solcher Detektoren wurde am Max-Planck-Institut für Physik in München ein Teleskop gebaut, mit dem im CERN-Experiment NA11 Teilchen mit der Quantenzahl Charm, die bereits nach weniger als dem Millionstel einer Millionstel Sekunde nach ihrer Erzeugung zerfallen, genau vermessen werden konnten – der Siegeszug der Siliziumdetektoren hatte begonnen.
1984 nahm Robert Klanner eine Stelle als Wissenschaftlicher Leiter bei DESY an und arbeitete am ZEUS Experiment an der Hadron Elektron Ring Anlage HERA. 1996 folgte er einem Ruf an die Universität Hamburg. Als Direktor des Instituts für Experimentalphysik baute er das Detektorlabor weiter aus und trieb die Entwicklung der Silizium-Technologie weiter voran. Neben dieser Position übernahm er auch die Leitung des Fachbereichs Physik.
Von 1999 bis 2005 war er Forschungsdirektor für Teilchenphysik bei DESY und von 2005 bis 2011 Vorstandsmitglied der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Bis heute tragen Hamburger Experimentalphysiker zum Bau großer, hochpräziser Silizium-Detektoren etwa am LHC des CERN bei. Seit Prof. Klanners Pensionierung 2010 leitet Prof. Dr. Erika Garutti das international führende Labor.
„1980 waren wir überzeugt, dass die Entwicklung der Siliziumstreifen-Detektoren zahlreiche neue Forschungsmöglichkeiten eröffnen wird“, erinnert sich Prof. Klanner. „Trotzdem haben die neuen Detektorkonzepte, die unsere Entwicklung angestoßen hat, der Bau von Silizium-Spurdetektoren mit einer Fläche bis zu 200 Quadratmetern, und das breite Spektrum von Anwendungen auch außerhalb der Teilchenphysik, meine Erwartungen weit übertroffen. Dies ist sowohl unkonventionellen innovativen Ideen, aber auch der rasanten Entwicklung der Mikroelektronik zu verdanken.“
Für Rückfragen:
Maike Nicolai
Universität Hamburg
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