Hören mit Licht

Designstudie: Optogenetisches Cochlea Implantat als Kombination aus Medizinprodukt und Gentherapeutikum.
Bild: umg/Keppeler/Moser

Land Niedersachsen fördert weitere vorklinische Entwicklung des optischen Cochlea-Implantats.

Das Land Niedersachsen und die VolkswagenStiftung bewilligen Forschenden der Universitätsmedizin Göttingen, der Leibniz Universität Hannover und der Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging und Hearing4all Mittel aus dem Förderprogramm zukunft.niedersachsen. Förderung des Projekts zur Entwicklung des optischen Cochlea-Implantats für die Wiederherstellung des Hörens beim Menschen im Rahmen der Ausschreibung „Durchbrüche“ mit rund 0,7 Mio. Euro.

(mbexc/umg) Elektrische Cochlea-Implantate (CIs) werden weltweit von mehr als einer Million Menschen genutzt. Die Innenohr-Implantate ermöglichen den Betroffenen ein Sprachverstehen in ruhiger Umgebung. Doch Nutzer*innen haben Schwierigkeiten, Sprache bei Hintergrundgeräuschen zu verstehen, den emotionalen Tonfall von Sprache zu interpretieren oder Melodien in Musik zu genießen. Daher besteht ein großer klinischer Bedarf, das Hören mit CI zu verbessern. Im Fokus der Forschung steht das „Hören mit Licht“ mit einem optischen CI. Dieses verspricht Nutzer*innen, Sprache in geräuschreicher Umgebung deutlich besser zu verstehen und auch Sprachmelodien zu erkennen.

Das Land Niedersachsen unterstützt ein kooperatives Projektvorhaben von Forschenden und Unternehmen in Niedersachsen, um die Entwicklung des optischen Cochlea-Implantats weiter voran zu treiben. „Nicht nur aufgrund ihrer hohen translationalen Relevanz zur Bekämpfung der Schwerhörigkeit, sondern auch aufgrund der vielfältig dokumentierten wissenschaftlichen Exzellenz in hochkompetitiven Wettbewerben auf europäischer und Bundesebene zählt die Hörforschung zu den Aushängeschildern von Forschung Made in Niedersachsen“, betont Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. „Es freut mich daher besonders, dass wir mit dieser Förderung weitere Impulse dafür setzen können, dass die klinische Erprobung und Anwendung dieser herausragenden Forschung einen wichtigen Schritt weiter voranschreitet.“

In der Zusammenarbeit von Universitätsmedizin Göttingen (UMG), der Leibniz Universität Hannover (LUH), der Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) und Hearing4all, sowie des Göttinger Start-Up Unternehmens OptoGenTech GmbH und des CI Herstellers Advanced Bionics GmbH fokussiert das Projektvorhaben nun auf ein Kernstück des optischen Cochlea-Implantats: Für die Elektronik zum Betreiben der Laserdioden soll ein hochintegrierter und verlustleistungsarmer Chip entwickelt und in die Elektronik des optischen CI aufgenommen werden. Das Projekt soll den Weg zur ersten klinischen Prüfung des optischen CI ebnen. Die Beteiligung der beiden Unternehmen ist für das Gelingen des Projekts und dessen spätere wirtschaftliche Verwertung von großer Bedeutung. Der Forschungsansatz erhält eine Förderung in Höhe von rund 0,7 Millionen Euro über das Förderprogramm „Durchbrüche: Unterstützung von Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“ aus Mitteln von zukunft.niedersachsen (früher: Niedersächsisches Vorab).

Geleitet wird das Forschungsvorhaben von Prof. Dr. Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften der UMG und Sprecher des Göttinger Exzellenzclusters MBExC, sowie von Prof. Dr.-Ing. Holger Blume, Institut für Mikroelektronische Systeme der LUH und Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters Hearing4all am Standort Hannover. Weiter beteiligt ist Prof. Dr.-Ing. Bernhard Wicht, Institut für Mikroelektronische Systeme, Fachgebiet Mixed-Signal-Schaltungen, von der Leibniz Universität Hannover. Das niedersächsische Kooperations-Projekt baut auf umfangreichen Vorarbeiten der Projektpartner, bereits bestehenden CI-Komponenten und einer bereits etablierten Zusammenarbeit auf. Für ihre Pionierarbeiten zur Entwicklung des optischen CI, die das „Hören mit Licht“ durch Kombination eines herkömmlichen, elektrischen CI mit moderner Optogenetik ermöglichen soll, haben Professor Moser und sein Team bereits weltweit Aufmerksamkeit erhalten.

Das optische Cochlea-Implantat auf dem Weg zur klinischen Prüfung

Da Licht räumlich wesentlich besser begrenzt werden kann als elektrische Reize, verspricht die optische Stimulation des Hörnervs die Grenzen der derzeitigen elektrischen CIs zu überwinden. Durch die Kombination eines optischen CI mit einer Gentherapie wird eine fundamentale Verbesserung der Frequenzauflösung erreicht. Dabei wird die Gentherapie genutzt, um einen Licht-aktivierbaren Ionenkanal („molekularer Lichtschalter“) in Spiralganglionneuronen der Cochlea einzuschleusen und diese lichtempfindlich zu machen. Was im Tiermodell bereits erfolgreich umgesetzt wurde, gilt es nun für die Anwendung beim Menschen weiter zu entwickeln.

Bis zum geplanten Start der ersten klinischen Studie im Jahr 2027 besteht jedoch noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Die bewilligten Fördermittel sollen die Entwicklung und Integration eines verlustleistungsarmen Chips ermöglichen, der für das Betreiben der Laserdioden des optischen CIs benötigt wird. Dabei werden die Laserdioden entsprechend der Tonfrequenz aktiviert und das Licht der Dioden über Wellenleiter an die der Tonfrequenz entsprechende Stelle der Hörschnecke geleitet. Das dort ausgekoppelte Licht stimuliert dann die lichtempfindlich gemachten Hörnervenzellen.

Hintergrund: Schwerhörigkeit

Die Schwerhörigkeit ist die häufigste Sinnesbehinderung des Menschen: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden 466 Millionen Menschen (davon 34 Millionen Kinder) weltweit an einer behandlungsbedürftigen Schwerhörigkeit. Ursächlich für die häufigste Form der Schwerhörigkeit sind defekte oder abgestorbene Hörsinneszellen. Bisher ist es nicht möglich, diese Sinneszellen zu reparieren oder wiederherzustellen. Die klinische Versorgung beruht daher auf Hörgeräten bei leicht- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit und Cochlea-Implantaten (CI) bei hochgradiger Schwerhörigkeit und Taubheit.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Auditorische Neurowissenschaften
Prof. Dr. Tobias Moser
Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen
Telefon 0551 / 39-63071; tmoser@gwdg.de

Leibniz Universität Hannover
Institut für Mikroelektronische Systeme (IMS)
Fachgebiet Architekturen und Systeme
Prof. Dr.-Ing. Holger Blume
Appelstr. 4, 30167 Hannover
Telefon 0511 / 762-19640; blume@ims.uni-hannover.de

Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging (MBExC)
Dr. Heike Conrad (Kontakt – Pressemitteilungen)
Telefon 0551 / 39-61305
heike.conrad@med.uni-goettingen.de

Weitere Informationen:

http://www.auditory-neuroscience.uni-goettingen.de
https://mbexc.de/
https://hearing4all.de
https://www.uni-hannover.de
https://www.ims.uni-hannover.de

www.umg.eu

Media Contact

Stefan Weller Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…