Physiker ehren Nachwuchsforscher: herausragende Doktorarbeiten ausgezeichnet

Die Preisträger haben in Heidelberg, Cambridge, Dortmund und Bremen promoviert. In den preisgekrönten Dissertationen geht es um Quantenphänomene, Elementarteilchen, Schwarze Löcher und um die Optik von Schmetterlingsflügeln.

Verknüpfte Quantenteilchen: Dissertationspreis der Sektion „Atome, Moleküle, Quantenoptik und Plasmen“ (SAMOP) verliehen im Rahmen der DPG-Tagung in Dresden:

Dr. Christian Groß von der Universität Heidelberg erhielt für seine Doktorarbeit im Bereich der experimentellen Quantenphysik den mit 1.500 Euro dotierten „SAMOP-Dissertationspreis“. Der 30-jährige Physiker beschäftigte sich für seine Promotion mit der nichtlinearen Interferometrie und Verschränkung von „Bose-Einstein-Kondensaten“. Bose-Einstein-Kondensate sind extrem kalte Teilchenwölkchen, die im Labor künstlich hergestellt werden. In der physikalischen Grundlagenforschung dienen sie als Modellsysteme: Sie ermöglichen die Untersuchung komplexer Quantenphänomene – insbesondere solcher, an denen viele Teilchen beteiligt sind – unter bestmöglichen Bedingungen. In diesem Zusammenhang gelang es Groß über 100 Atome miteinander zu verschränken. Diese große Anzahl ist ein bislang weltweiter Rekord. Die Verschränkung ist ein Quanteneffekt, durch den sich Atome in solcher Weise miteinander verknüpfen lassen, dass sie ein aufeinander abgestimmtes Verhalten zeigen. Die Forschungsergebnisse von Christian Groß sind von grundsätzlicher Bedeutung für die Entwicklung der Quanteninformationstechnologie. So beruht etwa die Funktionsweise von zukünftigen Quantencomputern – diese können komplizierte Rechenprobleme weitaus schneller lösen als herkömmliche Computer – maßgeblich auf der Verschränkung.

Optische Tricks der Natur: Dissertationspreis der Sektion „Kondensierte Materie“ (SKM) verliehen im Rahmen der DPG-Tagung in Dresden:

Dr. Mathias Kolle (29) erhielt für seine Doktorarbeit über die optischen Eigenschaften von Blütenblättern und Schmetterlingsflügeln den mit 1.500 Euro dotierten „SKM-Dissertationspreis“. Der deutsche Physiker promovierte an der britischen University of Cambridge und ist inzwischen an der US-amerikanischen Harvard University tätig. Mathias Kolle fand heraus, dass die schillernden Blütenfarben diverser Pflanzenarten unter anderem durch die Oberflächenbeschaffenheit der Blüten entstehen: Mikroskopische Rippen und Furchen auf der Blattoberfläche wirken wie so genannte Beugungsgitter, die das einfallende Licht in seine Spektralfarben auffächern. Dadurch ändert sich die Färbung der Blütenblätter, je nachdem aus welcher Richtung sie betrachtet werden. Bienen sind in der Lage, die variierenden Farben wahrzunehmen, wie Kolle gemeinsam mit Kollegen aus der Biologie ebenfalls nachweisen konnte. Das Farbenspiel der Blüten dient möglicherweise als Lockmittel für bestäubende Insekten. Unter Einsatz von Nanofabrikationstechniken gelang es Kolle überdies, jene Mikrostrukturen künstlich nachzubilden, die die Farbenpracht des tropischen Schmetterlings Papilio blumei hervorrufen. Künstliche optische Materialien, die nach diesem Prinzip geschneidert sind, könnten möglicherweise dazu verwendet werden, Geldscheine oder Ausweisdokumente zu markieren und fälschungssicherer zu machen.

Teilchen und Schwarze Löcher: Dissertationspreis der Fachverbände „Gravitation und Relativitätstheorie“ (GR), „Physik der Hadronen und Kerne“ (HK) und „Teilchenphysik“ (T) verliehen im Rahmen der DPG-Tagung in Karlsruhe. Diese Auszeichnung wurde zweigeteilt:

Dr. Sebastian Klein (31) erhielt für seine Doktorarbeit über den inneren Aufbau der Kernbausteine eine Hälfte des mit insgesamt 1.500 Euro dotierten „GR-HK-T-Dissertationspreises“. Klein, der an der Technischen Universität Dortmund promovierte, war für seine Dissertation am Forschungszentrum DESY in Zeuthen tätig und ist inzwischen als Wissenschaftler an der RWTH Aachen beschäftigt. Für seine Doktorarbeit befasste er sich mit der mathematischen Beschreibung der dynamischen Struktur der Kernbausteine. Deren Aufbau ist keineswegs statisch: Sie enthalten vielmehr ein tobendes Konglomerat so genannter Quarks und Gluonen. Klein ist es gelungen, den Einfluss schwerer Quarks auf die Struktur der Kernbausteine deutlich genauer als bisher zu berechnen. Seine Ergebnisse spielen bei der Interpretation von Teilchenkollisionen eine große Rolle, wie sie derzeit am Large Hadron Collider (LHC) im Forschungszentrum CERN in Genf bei bisher unerreichten Energien untersucht werden. Ein Hauptziel dieser Experimente ist der Nachweis beziehungsweise Ausschluss der Existenz des so genannten Higgsbosons, das im „Standardmodell“ der Teilchenphysik den Ursprung der Masse strukturloser Elementarteilchen erklärt. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang Prozesse, an denen schwere Quarks beteiligt sind.

Dr. Eva Hackmann (30) von der Universität Bremen erhielt für ihre Doktorarbeit im Bereich der Gravitationsphysik eine Hälfte des mit insgesamt 1.500 Euro dotierten „GR-HK-T-Dissertationspreises“. In ihrer Dissertation untersuchte Eva Hackmann wie sich Objekte, zum Beispiel Sterne, um „Schwarze Löcher“ bewegen. Dabei konnte sie erstmals analytisch beschreiben, wie diese Bewegung um ein Schwarzes Loch in unserem, sich ausdehnenden Universum verläuft. Diese Ergebnisse betreffen nicht nur Schwarze Löcher, sondern auch die Bahnen von Satelliten.

Schwarze Löcher bilden sich als Überreste ausgebrannter Sterne oder befinden sich im Zentrum der meisten Galaxien. Ihre Schwerkraft ist so gewaltig, dass sie sämtliche Materie in ihrer Nähe aufsaugen und das Raumzeitgefüge in ihrer Umgebung so stark verzerren, dass sich Raumgebiete herausbilden, aus denen noch nicht einmal das Licht entweichen kann. Die Beschreibung der Bewegung von Objekten in der Nähe eines Schwarzen Loches beruht auf komplizierten Bewegungsgleichungen, den „Geodätengleichungen“, der Allgemeinen Relativitätstheorie. Für dieses mathematische Problem existieren Näherungslösungen. Doch nur exakte analytische Lösungen ermöglichen ein gesichertes und vollständiges Verständnis der Gravitationseffekte. Neben den Eigenschaften des Schwarzen Loches ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Diese Expansion wird im Rahmen der Relativitätstheorie durch Einführung einer „kosmologischen Konstante“ beschrieben, die Eva Hackmann in ihren Untersuchungen explizit berücksichtigte. In ihrer Dissertation konnte sie nun erstmals analytisch beschreiben, wie sich Objekte in der Nähe rotierender wie auch nicht-rotierender Schwarzer Löcher bewegen – in einem Universum, das von einer kosmologischen Konstante beschrieben wird. Diese Ergebnisse gelten generell für „Kerr-de Sitter“- beziehungsweise „Schwarzschild-de Sitter“-Raumzeiten: Sie betreffen daher nicht nur Schwarze Löcher, sondern können auch auf andere Situationen – wie die Bewegung von Satelliten – angewendet werden.

Media Contact

Dr. Marcus Neitzert idw

Weitere Informationen:

http://www.dpg-physik.de/

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