Wie das Immunsystem Krebs erkennt: Meyenburg-Preis 2015 geht an Ton Schumacher

Die Idee, Krebs mit den Waffen des körpereigenen Immunsystems zu bekämpfen, ist bestechend. Doch erst seit es 2010 gelang, mit Wirkstoffen bestimmte „Bremsen“ des Immunsystems zu lösen, können Krebsmediziner mit Immuntherapien Behandlungserfolge erzielen.

Inzwischen gibt es Medikamente gegen verschiedene solcher „Immunbremsen“, die bei zahlreichen, teilweise auch fortgeschrittenen Krebsarten das Überleben von Patienten verlängern.

Wie unterscheiden die Abwehrzellen zwischen gesundem Gewebe und Krebszellen? Die in Krebszellen zahlreichen Erbgut- Mutationen können dazu führen, dass Proteine in veränderter Form gebildet werden. Da diese Protein-Varianten während der Krebserkrankung neu entstehen, werden sie als „Neoantigene“ bezeichnet.

Forscher postulieren seit langem, dass sie ideale Zielscheiben für die Abwehrzellen darstellen, denn diese neuen Strukturen erkennt das körpereigene Immunsystem als fremd hat noch keine Toleranz gegen sie entwickelt. Das würde auch bedeuten, dass Tumoren mit besonders vielen Mutationen eher durch Immuntherapie zu kontrollieren wären.

Den Beweis für diesen Zusammenhang konnte Ton Schumacher erbringen: Unter anderem verglich er in einer Studie das Tumorerbgut vieler Lungenkrebs-Patienten und fand heraus, dass die Immuntherapien dann am besten wirkten, wenn die Krebszellen besonders viele Neoantigene enthalten.

„Die Bedeutung von Ton Schumachers Ergebnissen lässt sich gar nicht hoch genug einschätzen“, sagt Christof von Kalle, Vorstandsmitglied der Meyenburg-Stiftung. „Denn nur wenn verstehen, wogegen das Abwehrsystem genau reagiert, können wir vorhersagen, wem eine Immuntherapie vermutlich hilft und wie man sie weiter verbessern kann.“

So lassen sich zum Beispiel Abwehrzellen, die gegen Neoantigene reagieren, im Blut der Patienten nachweisen. Daran können Ärzte frühzeitig überprüfen, ob eine Immuntherapie voraussichtlich anschlagen wird und der Patient genügend spezifische Killerzellen gegen den Tumor aktiviert.

Die Tumor-Neoantigene, gegen die sich das Immunsystem richtet, unterscheiden sich von Patient zu Patient. Deshalb wollen Immunologen in Zukunft die wichtigen Neoantigene der individuellen Tumoren ermitteln. Anschließend lassen sich dem Patienten entnommene Abwehrzellen so verändern, dass sie die Neoantigene erkennen und den eigenen Tumor angreifen können.

Ton Schumacher promovierte von 1988-1992 am The Netherlands Cancer Institut im Labor von Hidde Ploegh, mit dem er im Anschluss als Postdoc für kurze Zeit ans Massachusetts Institute of Technology wechselte. Danach forschte Schumacher in der Arbeitsgruppe von Peter Kim am Whitehead Institute in Cambridge, USA. Seit 1996 arbeitet er am Netherlands Cancer Institute, zur Zeit als “Senior Member”.

Ton Schumacher wurde unter anderem mit dem Pioneer Award, dem Amsterdam Inventor Award und dem „Stand up to Cancer-Dream Team Award“ ausgezeichnet. Er ist EMBO-Mitglied und erhielt 2010 einen “Advanced Grant“ des europäischen Forschungsrats ERC.

Die Meyenburg-Stiftung unter dem Dach des Deutschen Krebsforschungszentrums vergibt die Auszeichnung seit 1981. Dr. Marion Meyenburg, die Tochter des Stifterehepaars Wilhelm und Maria Meyenburg, wird den diesjährigen Preis zum Ende des Symposiums persönlich überreichen. Die Auszeichnung, die jährlich für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Krebsforschung vergeben wird, gehört zu den am höchsten dotierten Wissenschaftspreisen in Deutschland.

Der Stellenwert dieser Auszeichnung zeigt sich auch daran, dass bereits zahlreiche Meyenburg-Preisträger mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden: Andrew Fire, Meyenburg-Preisträger 2002, wurde im Jahr 2006 der Medizin-Nobelpreis verliehen. 2009 erhielt Elizabeth Blackburn, Meyenburg-Preisträgerin des Jahres 2006, den Nobelpreis für Medizin. Shinya Yamanaka, Meyenburg-Preisträger 2007, wurde 2012 ebenfalls mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Stefan Hell, Meyenburg-Preisträger 2011, erhielt den Nobelpreis für Chemie 2014.

Das Symposium beginnt um am 11. November 2015 um 14:30 Uhr im Hörsaal des Deutschen Krebsforschungszentrums. Einer der Redner ist Michel Sadelain vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York, der maßgeblich an der Entwicklung der CAR-T-Zell-Immuntherapien beteiligt war. Abwechslung zur Wissenschaft verspricht die Poetry Slam Show von Max Kennel und Julian Heun.

Interessierte sind herzlich zum Symposium eingeladen.

Ein Foto von Peter Ton Schumacher steht im Internet zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2015/bilder/TonSchumacher.jpg

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

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