Wirtschaftsforum: Mit neuen Forschungsergebnissen dem Nachwuchsmangel in den technischen Berufen wirkungsvoll begegnen
Bisherige Annahmen über Ursachen und Lösungsansätze dieser Herausforderung sind jedoch teils unzutreffend; viele Therapievorschläge haben sich als wenig wirksam erwiesen.
Beim Wirtschaftsforum, einer gemeinsamen Veranstaltung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Deutschen Messe AG zum Auftakt der Hannover Messe, werden heute neueste Erkenntnisse der Forschung präsentiert – und bei einer Podiumsdiskussion führende Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zum Dialog geladen.
„Die systematische Auswertung der bislang vorliegenden Studien zum Nachwuchsmangel in den technischen Berufen für das Nachwuchsbarometer Technikwissenschaften ergibt ein beunruhigend klares Bild“, sagt Prof. Dr. Ortwin Renn, Ordinarius für Technik- und Umweltsoziologie an der Universität Stuttgart und Projektleiter des Nachwuchsbarometers Technikwissenschaften. „Die Analyse der Metastudien zeigt, dass wir handeln müssen – und dabei einige Vorstellungen der Vergangenheit über Bord werfen müssen.“ Vier Trends und Erkenntnisse bestimmen demnach die derzeitige Situation und künftige Entwicklung:
1. Deutschland wird in den nächsten zwei Jahrzehnten unter Fachkräftemangel in den technischen Berufen leiden. Zyklische Schwankungen werden die grundsätzliche Entwicklung allenfalls überlagern. Insgesamt wird sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage über die Jahre sogar noch verschärfen – es sei denn, es gelingt, eine echte Trendwende einzuleiten.
2. Der Zuzug von qualifizierten Kräften aus anderen Ländern kann den Nachwuchsmangel aus verschiedenen Gründen nicht deutlich kompensieren. In Europa wird vielmehr jetzt schon ein Wettbewerb um qualifizierte Kräfte, insbesondere aus Osteuropa, ausgetragen. In Ländern wie Indien und China ist die Binnen-Nachfrage ebenfalls hoch. Und: Deutschland ist bei ausländischen Fachkräften zumindest derzeit kein Land erster Wahl.
3. Die häufig als Ursache benannte angebliche geringe Technikakzeptanz und unterstellte große Technikfeindlichkeit in Deutschland ist dagegen kein gravierendes Problem. Tatsächlich ist die Haltung gegenüber technischen Entwicklungen teils positiver als in anderen Industriestaaten. Erhebungen zur Risikowahrnehmung zeigen zudem, dass in anderen Ländern die bisher nur aus Deutschland bekannten Risikodebatten inzwischen nachgeholt werden.
4. Die ingenieurwissenschaftlichen Berufe haben hierzulande aber ein gravierendes Imageproblem. Das von Abiturienten wahrgenommene Tätigkeitsfeld stimmt oft nicht mit der Realität überein; infolge dessen kommt es zu falschen Erwartungen, aus denen hohe Abbrecherquoten resultieren. Gründe für das Imageproblem und dessen Einfluss auf die Studien- und Berufswahl sind jedoch noch in weiten Teilen unerforscht.
Eine Konsequenz aus den Erkenntnissen, die bislang gewonnen wurden: Um dem strukturellen Problem wirkungsvoll begegnen zu können, ist eine Erforschung der tieferen Ursachen und Motive erforderlich. Hier setzt das Nachwuchsbarometer Technikwissenschaften an, das die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ins Leben gerufen haben. Das Projekt wird als Bestandteil der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Prof. Dr.-Ing. Joachim Milberg, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, sieht den Wert des Nachwuchsbarometers vor allem im Zusammenspiel mit weiteren Projekten der Akademie, die die gesamte Bildungskette berücksichtigen: „Der Nachwuchsmangel mit seinen Folgen ist kein unabwendbares Schicksal.
Das zu geringe Interesse an technisch geprägten Berufen mit Hochschulabschluss ist vielmehr ein Arbeitsauftrag an uns, wirksame Therapien zu entwickeln. Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften hat sich deshalb vorgenommen, im ersten Jahr als nationale Akademie dem Thema Nachwuchsförderung ganz besonders viel Gewicht zu geben. Unser Ziel ist klar: Wir wollen dazu beitragen, dass eine Trendwende erreicht werden kann, die sich mittelfristig auch in statistisch messbaren Ergebnissen niederschlägt.“
Eine hochrangig besetzte Diskussionsrunde unter dem Titel „Nachwuchsmangel – was läuft schief in Deutschland?“ wird beim Wirtschaftsforum auch die Antworten von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf die Herausforderung Nachwuchsmangel aufzeigen – und zum besseren Verständnis dieser Herausforderung beitragen. Es diskutieren: Roland Berger (Chairman Roland Berger Strategy Consultants), Ortwin Renn (Ordinarius für Technik- und Umweltsoziologie, Universität Stuttgart), Andreas Storm (Parlamentarischer Staatssekretär Bundesministerium für Bildung und Forschung), Eberhard Veit (Sprecher des Vorstands Festo AG) und Heinrich Weiss (Vorsitzender der Geschäftsführung SMS Group).
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