Fest wie Stahl und formbar wie Kunststoff: Metallische Massivgläser
Ralf Busch, Professor für metallische Werkstoffe an der Saar-Universität, und sein Team experimentieren mit unterschiedlichen Metall-Legierungen, um Werkstoffe mit idealen Eigenschaften zu entwickeln. Die Materialklasse der metallischen Gläser sowie erste technologische Anwendungen stellen die Werkstoffwissenschaftler vom 4. bis zum 8. April auf dem saarländischen Forschungsstand der Hannover Messe vor.
Glas gehört zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit. Schon vor mehr als drei Jahrtausenden wurde es aus geschmolzenen Quarz (Siliziumdioxid) und anderen Zusätzen hergestellt. Dabei nutzte man ein Verfahren, das auch heute noch aktuell ist: Beim Abkühlen wird die Silikatschmelze immer zähflüssiger, sodass sie sich formen und beispielsweise zu Flaschen blasen lässt. Bei weiterer Abkühlung „gefriert“ die viskose Masse zu Quarzglas.
„Als Glas bezeichnet man eingefrorene Flüssigkeiten“, erklärt Ralf Busch, Professor für metallische Werkstoffe an der Universität des Saarlandes. „Kühlt beispielsweise Silikatschmelze normal ab, dann entsteht Glas. Im Glas liegen die Atome amorph, also ungeordnet, vor. Bei sehr langsamer Abkühlung wird die Schmelze dagegen zu Quarzkristall, in dem sich die Bausteine zu einem regelmäßigen Gitter angeordnet haben“, erläutert der Forscher.
Glas lässt sich nicht nur aus Quarz herstellen, sondern auch aus einer ganz anderen Gruppe von Werkstoffen: aus Metallen. Metallschmelzen, die beim Abkühlen nicht kristallisieren, sondern zu einem Glas einfrieren, sind das Spezialgebiet des Saarbrücker Werkstoffwissenschaftlers. „Schon vor fünfzig Jahren konnte man solche metallischen Gläser herstellen, die faszinierende Werkstoffeigenschaften hatten“, sagt Ralf Busch. „Dabei musste man allerdings die Metallschmelzen extrem hohen Abkühlraten von bis zu einer Million Grad pro Sekunde unterziehen.“ Man habe daher nur hauchdünne Folien aus den amorphen Metallen herstellen können, wie sie beispielsweise für Magnetstreifen in Diebstahlsicherungen in Kaufhäusern verwendet werden.
Später stießen Forscher auf Metallschmelzen, die für die Glasbildung besser geeignet waren: Sie fanden heraus, dass Mischungen aus großen und kleinen Metallatomen zähflüssig sind und viel langsamer kristallisieren. Daher musste man die Legierungsschmelze nicht mehr so schnell abkühlen, um metallisches Glas zu bilden. „Auf diese Weise lassen sich bis zu mehrere Zentimeter dicke metallische Massivgläser herstellen, die sich nun als Konstruktionswerkstoffe eignen“, sagt Professor Busch und erläutert die besonderen Eigenschaften dieser Materialien: „Das Material ist so fest wie hochfester Stahl und gleichzeitig äußerst elastisch. Es ist deshalb der beste bekannte Federwerkstoff.“ Die metallischen Schmelzen können im Prinzip genau so verarbeitet werden wie herkömmliches Silikatschmelzen oder auch wie Kunststoffe. Sie lassen sich beispielsweise zu Metallflaschen aufblasen. Ein weiterer Vorteil: Die Schmelze schrumpft nicht, wenn sich aus ihr ein Glas bildet. Anders als bei einer Kristallisation, bei der das Material Volumen einbüßt, kann man metallische Schmelzen in die Endform gießen, ohne dass eine Nachbearbeitung nötig wird.
Ralf Busch forscht mit seiner Arbeitsgruppe an der optimalen Zusammensetzung metallischer Legierungen, die einen besonders niedrigen Schmelzpunkt haben und beim Abkühlen nur zögernd kristallisieren. Solche Legierungen enthalten drei bis fünf Elemente des Periodensystems, beispielsweise Aluminium, Titan, Kupfer oder Nickel, berichtet er. Im Hinblick auf die technologische Umsetzung haben die Saarbrücker Wissenschaftler besonders mit Zirkon-Basislegierungen viel Erfahrung gesammelt. Bereits realisiert ist beispielsweise das Prinzip des Spritzgießens metallischer Massivgläser, das die Forscher auf der Hannover Messe vorstellen werden. Dabei arbeiten sie mit einem mittelständischen Feinguss-Unternehmen zusammen. Dieses Projekt wurde in den vergangenen zwei Jahren mit insgesamt 200.000 Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) unterstützt. „Bei dem neuen Verfahren wird das Metall wie ein Kunststoff direkt in die Dauerform gespritzt, was das sehr aufwändige Verfahren des ‚Gießens in verlorene Formen’ ersetzt“, erläutert Ralf Busch. Und: „Beim Spritzgießen kann man sehr komplexe Strukturen formen, die nicht mehr nachbearbeitet werden müssen.“
Das „Upscaling“ dieser neuen Technologie über den Labormaßstab hinaus wollen Busch und sein Team mit einem neuen Saarbrücker Steinbeis-Zentrum für amorphe Metalle realisieren. Ziel des Zentrums wird es sein, die Technologie zur Herstellung und Verarbeitung der metallischen Gläser der Industrie verfügbar zu machen.
Pressefotos unter: http://www.uni-saarland.de/pressefotos
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Ralf Busch
Lehrstuhl für metallische Werkstoffe
Tel. 0681 302-3208
E-Mail. r.busch@mx.uni-saarland.de
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