Fraunhofer-Gesellschaft zeigt virtuelle Fabrik der Zukunft auf der Research & Technology

Ein Besuchermagnet der diesjährigen HANNOVER MESSE könnte die virtuelle Fabrik der Zukunft auf dem Stand der Fraunhofer-Gesellschaft auf der Research & Technology in Halle 2 werden. Mit einem 3-D-Webpresenter wird der Rundgang durch die Fabrik von morgen Wirklichkeit.

Besucher können sich anhand der virtuellen Referenzfabrik über die Innovationsallianz „Green Carbody Technologies – InnoCaT“ informieren, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt wird. Die Allianz hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamten Fertigungsprozesse am Beispiel der Fahrzeugkarosserie hinsichtlich Ressourcenverbrauch sowie Energieeinsatz erheblich zu verbessern und darüber hinaus bewertbar und planbar zu gestalten.

„In der Referenzfabrik erhält der Besucher einen Überblick über die ganzheitliche Planung sowie die Prozesse, Maschinen und Anlagen, an denen die Allianz in den letzten drei Jahren geforscht hat“, erläutert Prof. Matthias Putz, Gesamtkoordinator der Innovationsallianz und Hauptabteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz.

Die virtuelle Umgebung ist an ein Werk in der Automobilproduktion angelehnt. Im Werkzeugbau, Presswerk, Karosseriebau oder der Lackiererei werden zahlreiche Energie- und Ressourceneinsparpotenziale aufgezeigt. Der 3-D-Webpresenter ist eines der Highlights am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand (D18 in Halle 2).

InnoCaT ist ein Beispiel für die intensive Vernetzung der Fachmessen auf der HANNOVER MESSE. Unternehmen wie Siemens, Phoenix, Rittal, Kuka, Volkswagen und Lütze präsentieren auf ihren Ständen in der Industrial Automation weitere InnoCaT4-Ergebnisse.

Vier zentrale Aufgaben für Fabrik der Zukunft

Die Fabrik der Zukunft soll mit Hilfe spontan vernetzbarer und echtzeitfähiger Software funktionieren. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Art und Struktur der Wertschöpfung. „Ziel aller Anstrengungen muss es daher sein, Produktion und Wertschöpfung am Standort Deutschland zu erhalten und zu stärken“, erklärt Dr. Olaf Sauer vom Geschäftsfeld Automatisierung am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Karlsruhe.

Nach einer Studie des Ifo-Instituts für die Europäische Kommission stärken zusätzliche produktbezogene Dienstleistungen die globale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus. Schlüssel zu solchen produktbegleitenden Dienstleistungen sind Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die den traditionellen Maschinen- und Anlagenbau immer stärker durchdringen. Sauer sieht insbesondere vier Herausforderungen, die es zu lösen gilt: Interoperabilität, Datenkomplexität, Nutzerzentrierung und Sicherheit.

Simultanübersetzer für moderne Produktionsanlagen benötigt

In hochkomplexen Herstellungsprozessen benötigen alle „Akteure“ eine Art Simultanübersetzer für die verschiedenen Datenformate, um miteinander operieren zu können. In produktionsnahen IT-Systemen entstehen ebenso wie aus Sensoren riesige Datenbestände. Mit der zunehmenden Komplexität moderner Produktionsanlagen wächst der Bedarf nach einer automatischen Erkennung von Anomalien, Verschleiß und Fehlern.

Darüber hinaus benötigt jeder Nutzer maßgeschneiderte Informationen für seine spezifischen Aufgaben. Intelligente Datenfusion, Filterung und Entscheidungsunterstützung bilden dafür die Grundlage. Zudem müssen sensible Daten frühestmöglich gegen Abhörversuche und Manipulationen geschützt werden. Dafür sind Mechanismen wie Verschlüsselung, Signieren von Daten sowie Authentifizierung unerlässlich. Passende Lösungen zeigt das IOSB auf der Research & Technology in Halle 2 mit einem Demonstrator, der „Secure plug&work“ -Konzepte veranschaulichen soll.

Gesten-Erkennungsverfahren im Auftrag der BMW Group

Eine hohe Bedeutung für Produktionsbetriebe hat die Qualitätssicherung von Prozessketten – nur so lassen sich Probleme frühzeitig erkennen und Mehrkosten senken. Besonders effizient gehen hier Forscher des IOSB vor: Eine kleine Zeigegeste reicht, um entdeckte Fehler in Karosserieteilen wie zum Beispiel bei der Lackierung ins Prüfsystem einzugeben und zu dokumentieren. Das berührungslose Gesten-Erkennungsverfahren wird ebenfalls in Halle 2 (Stand D18) präsentiert.

Visuelles Feedback auf die Eingabe erhält der Mitarbeiter über einen Monitor, der eine 3-D-Rekonstruktion des Stoßfängers anzeigt.

Was auf den ersten Blick futuristisch wirkt, könnte schon bald Alltag in der Qualitätssicherung werden. Das Verfahren wurde im Auftrag der BMW Group entwickelt. Künftig soll sie aktuell zeitaufwändige Prüfverfahren ablösen.

„Bislang muss sich der Prüfer alle aufgespürten Fehler merken, seinen Arbeitsplatz verlassen, zum PC-Terminal gehen, mehrere Eingabemasken bedienen und dann die Position der Fehler sowie die Fehlerart festhalten. Das ist umständlich, zeitintensiv und fehleranfällig“, sagt Alexander Schick, Wissenschaftler am IOSB. Die Gestensteuerung verbessert die Arbeitsbedingungen des Prüfers entscheidend und bewirkt eine deutliche Zeitersparnis – der Mitarbeiter kann am Arbeitsplatz stehen bleiben und direkt mit dem Untersuchungsobjekt interagieren. „Ist der Stoßfänger in Ordnung, wischt er von links nach rechts über ihn. Im Schadensfall zeigt er auf die Position des Fehlers“, erläutert Schick.

Fehlersuche leichtgemacht

Basis für die berührungslose Gestenerkennung sind 3-D-Daten. Der komplette Arbeitsplatz muss daher zuvor in 3-D rekonstruiert werden.

Das umfasst sowohl den Menschen als auch das Objekt, mit dem er sich beschäftigt. „Wie sieht die Person aus, wo befindet sie sich, wie bewegt sie sich, was tut sie, wo ist das Objekt – all diese Informationen sind erforderlich, um die Zeigegesten korrekt mit dem Stoßfänger verknüpfen zu können“, erläutert der IOSB-Wissenschaftler.

Um die Gestensteuerung zu ermöglichen, setzen die Experten ein 3-D-Körpertracking ein, das die Körperhaltung der Person in Echtzeit erfasst. Auch das Karosseriebauteil wird „getrackt“. Die Anforderungen an die Hardware sind dabei gering: Ein Standard-PC sowie zwei Microsoft- Kinect-Systeme – bestehend aus Kamera und 3-D-Sensoren – genügen, um die Rekonstruktion zu realisieren.

Die entsprechenden Algorithmen, welche mehrere 2-D- und 3-D-Bilder fusionieren, haben Schick und sein Team speziell für diesen Anwendungsfall entwickelt und an die Anforderungen der BMW Group angepasst. Die Technologie lässt sich nachträglich mit geringem Aufwand in bestehende Produktivsysteme integrieren. Personenbezogene Daten werden mit diesem Verfahren nicht erfasst.

Unterschiedliche Innovationen und Exponate der Fraunhofer-Gesellschaft zahlen auf der Research & Technology auf das Leitthema der HANNOVER MESSE – Integrated Industry – ein. Aber auch Lösungen für die intelligente Datenverarbeitung in Krisenmanagement-Systemen sind Gegenstand der Fraunhofer-Präsentationen in Halle 2: die Früherkennung von drohenden Havarien bei Tiefseebohrungen, ein neues Breitband-Sensorsystem zur Überwachung der Trinkwasserqualität und ein Sensornetzwerk mit mobilen Robotern für das Katastrophenmanagement, die durch Erdbeben, Überschwemmungen oder Industrieunfälle ausgelöst werden.

Über die HANNOVER MESSE

Das weltweit bedeutendste Technologieereignis wird vom 8. bis 12.
April 2013 in Hannover ausgerichtet. Die HANNOVER MESSE 2013 vereint elf Leitmessen an einem Ort: Industrial Automation, Motion, Drive & Automation, Energy, Wind, MobiliTec, Digital Factory, ComVac, Industrial Supply, SurfaceTechnology, IndustrialGreenTec und Research & Technology. Die zentralen Themen der HANNOVER MESSE 2013 sind Industrieautomation und IT, Energie- und Umwelttechnologien, Antriebs- und Fluidtechnik, Industrielle Zulieferung, Produktionstechnologien und Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung. Russland ist Partnerland der HANNOVER MESSE 2013.
Ansprechpartnerin für die Redaktion:
Silke Gathmann
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