Hannover Messe: Ingenieure fertigen maßgeschneiderte Metall-Bauteile mit elektrischem Strom
Der Fertigungstechniker Professor Dirk Bähre und sein Team an der Saar-Uni entwickeln die Technik im deutsch-französischen Projekt „Initiative Precise“ gemeinsam mit Forschungsinstituten und Unternehmen aus der Region weiter. Ihre an der Praxis orientierten Forschungsergebnisse fließen direkt in die Entwicklung neuer Produkte.
Vom 7. bis 11. April präsentieren die Forscher ihr Know-how am saarländischen Forschungsstand auf der Hannover Messe. (Halle 2, Stand C 48)
Je härter und fester ein Metall ist, umso schwerer ist es, daraus Bauteile mit vielen „Ecken und Kanten“ herzustellen. Nutzt man herkömmliche Verfahren, ist die Produktion solcher Spezialkonstruktionen teuer, aufwändig und langwierig. Die Bearbeitung hinterlässt Spuren wie Rillen oder Kratzer.
Das Material wird extremen Belastungen ausgesetzt: Große Kräfte wirken auf den Werkstoff oder er wird mit hohen Temperaturen traktiert. „So können Haarrisse entstehen, die später zu Schäden führen“, sagt Professor Dirk Bähre von der Universität des Saarlandes. Und vor allem: Was die Form der Bauteile angeht, sind der freien Gestaltung enge Grenzen gesetzt.
Ganz ohne Kraftaufwand und sonstige extreme Einwirkungen auf den Werkstoff kommt das Verfahren aus, das Forscher und Unternehmen aus dem Saarland und der französischen Grenzregion in der „Initiative Precise“ weiterentwickeln und optimieren.
„Das elektrochemische Abtragen macht es möglich, maßgefertigte Metall-Bauteile in hoher Stückzahl günstig herzustellen. Das Besondere dabei ist, dass ihre Form dabei ganz frei gestaltet werden kann“, sagt Bähre, der das deutsch-französische Projekt koordiniert. Selbst komplizierteste Geometrien können in härtestem Metall umgesetzt werden. „Das Verfahren PhoGaTool, das wir in unserem Netzwerk von Chemikern, Mikrosystem- und Fertigungstechnikern entwickelt haben und jetzt auf der Hannover Messe zeigen, ist einfach, kostengünstig und hochpräzise“, bringt der Fertigungstechniker auf den Punkt.
„Unsere Region ist ein starker Standort in der elektrochemischen Metallbearbeitung. Wir bündeln diese Kompetenzen in Forschung, Entwicklung und Anwendung, um die Technik weiterzuentwickeln und direkt in Produkte zu überführen.“ Der entscheidende Vorteil: „Die beteiligten Unternehmen kennen die Anforderungen für zukünftige Innovationen. Mit diesem Wissen können wir gezielt forschen, um diese Zukunftsvisionen in Produkte umzusetzen“, erklärt Bähre.
Die Werkstoffe, die die Forscher in Form bringen, sind zum Beispiel Titan, Gusseisen, Hartmetalle, Nickel oder hochfeste Stahllegierungen. Sie alle nehmen, umspült von einer Elektrolytlösung, bis auf den Tausendstel Millimeter exakt die gewünschte Geometrie an. Diese „Wunschform“ steht am Beginn des Prozesses: „Von ihr wird mit Hilfe der so genannten Photolithographie ein Negativ erstellt“, sagt Diplom-Ingenieur Martin Swat, Mitarbeiter von Professor Bähre.
Durch Belichtung wird dabei die Struktur einer Vorlage Schicht für Schicht ohne Nähte oder Rillen in Fotolack übertragen. Hierbei arbeiten Bähre und sein Ingenieur-Team mit Chemikern der Saar-Uni zusammen. „Die Photolithographie gibt uns völlige Freiheit, was die Form angeht“, erläutert Martin Swat. „In mehreren Arbeitsschritten wird eine dreidimensionale Vorlage erstellt, die metallisch beschichtet wird und als Werkzeug für das folgende elektrochemische Abtragen dient“, erklärt er.
Hierzu nutzen die Ingenieure den elektrischen Strom: Dieser fließt zwischen dem Werkzeug, also der so erstellten „Wunschform-Vorlage“ (Kathode), und dem zu bearbeitenden Werkstoff-Rohling (Anode), die aufeinander gebracht und von einer stromleitenden Flüssigkeit, dem Elektrolyt, umspült werden.
Hierdurch und mithilfe von Stromimpulsen werden winzige Metallteilchen vom Rohling peu à peu abgetragen, und eine Positivform mit glatten Oberflächen entsteht: das hochpräzise umgesetzte gewünschte Bauteil – Haarrisse oder dergleichen können hierbei nicht entstehen. „Auf diese Weise können etwa Motorenteile fürs Auto, die sich kraftstoffsparend auswirken, medizinische Implantate oder auch Rasiererköpfe wirtschaftlich hergestellt werden“, erläutert Professor Bähre.
Die Prozesskette zur Herstellung solcher hochpräzisen Werkzeuge zeigen die Forscher auf der Hannover Messe am saarländischen Forschungsstand.
Die EU fördert die „Initiative Precise“ im Interreg-Programm IV A (Großregion) aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung mit 1,3 Millionen Euro.
Pressefoto für den kostenlosen Gebrauch: http://www.uni-saarland.de/pressefotos
Film zum Projekt: http://initiative-precise.eu/film/
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Dirk Bähre, Lehrstuhl für Fertigungstechnik:
Tel. 0681 / 302-3075; E-Mail: d.baehre@mx.uni-saarland.de
Dipl.-Ing. Martin Swat:
Tel. 0681/302 4639; E-Mail: m.swat@mx.uni-saarland.de
http://www.lft.uni-saarland.de/de/home.html
Der saarländische Forschungsstand (Halle 2, Stand C 48) ist vom 7. bis 11. April auf der Hannover Messe erreichbar unter Tel.: 0681-302-68500 sowie 0162 2137298.
Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Telefoninterviews in Studioqualität sind über Rundfunk-Codec möglich (IP-Verbindung mit Direktanwahl oder über ARD-Sternpunkt 106813020001). Interviewwünsche bitte an die Pressestelle (0681/302-64091 oder -2601).
Der saarländische Forschungsstand wird organisiert von der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer der Universität des Saarlandes (KWT). Sie ist zentraler Ansprechpartner für Unternehmen und initiiert unter anderem Kooperationen mit Saarbrücker Forschern. Die Universität des Saarlandes wird als „EXIST-Gründerhochschule“ vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. http://www.uni-saarland.de/kwt
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