Pfiffige Werkstoffe für High-Tech-Produkte

Das Dröhnen bei einer Autobahnfahrt kann nervtötend sein. Oftmals versteht man weder die Fahrgäste auf dem Rücksitz noch das Pianissimo im Autoradio. Doch tatsächlich kann man Fahrzeugen die störenden Vibrationen austreiben. Möglich machen das »smart materials«, intelligente Materialien, die ihren Zustand blitzschnell an wechselnde Situationen anpassen können.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und vielversprechend – nicht nur für den Automobilbau, sondern auch für den Maschinenbau oder die Elektronikindustrie. Elf Fraunhofer-Institute haben sich deshalb zur »Allianz Adaptronik« zusammengeschlossen, in der sie neue »smarte« Lösungen zur Marktreife bringen.

Piezolager gegen Lärm im Auto
Die Schwingungen im Auto sind nur eines von vielen Beispielen. Die Forscher setzen dafür Piezo-Keramiken ein, ein Material, das elektrische Energie in Bewegung und umgekehrt Erschütterungen in elektrische Energie umwandelt. Derzeit testen sie in einem VW-Passat Piezo-Lager, die zwischen dem Fahrgestell und einem darauf sitzenden Metallrahmen der Karosserie befestigt werden. Normalerweise werden dafür Gummielemente verwendet, doch die schlucken die störenden Schwingungen nicht optimal. Erschütterungen und Vibrationen sind deshalb als Lärm im Auto zu hören. Die Piezo-Lager hingegen werden elektronisch exakt so angesteuert, dass sie sich den störenden Vibrationen entgegen stemmen. Damit neutralisieren sie quasi die Erschütterungen. Im Auto bleibt es ruhig. Den umgekehrten Weg gehen die Forscher in einem anderen Projekt. Darin entwickeln sie Piezo-Elemente, die feinste Schwingungen von Bauwerken, etwa vielbefahrenen Brücken, in elektrische Energie wandeln. Künftig sollen damit kleine Sensoren versorgt werden, die den Zustand der Brücke überwachen und Schäden per Funk an eine Zentrale melden.
Fest, zäh oder dünnflüssig auf Knopfdruck
Doch nicht nur Piezo-Keramiken können »smart« sein. Ein alternatives Material, mit dem sich die Fraunhofer-Forscher befassen, sind »magneto-rheologische Flüssigkeiten«. Diese Flüssigkeiten enthalten winzige Partikel, die sich in einem Magnetfeld zu festen Ketten anordnen. Die Flüssigkeit erstarrt. Je nach Stärke des Feldes ist die Flüssigkeit fest, zäh oder dünnflüssig. Die Allianz-Partner haben daraus eine Sicherheitskupplung für Maschinen entwickelt – für Fahrzeugantriebe oder auch Fräsmaschinen. Während des Betriebs ist die Flüssigkeit erstarrt. In diesem Zustand verbindet sie Antriebswelle und Fräskopf fest miteinander. Drückt man den Notaus-Knopf, schaltet sich das Magnetfeld ab. Die Substanz verflüssigt sich wieder. Die Antriebswelle dreht frei. Der Fräskopf steht.

In der Allianz arbeiten Spezialisten verschiedener Fachrichtungen zusammen: Materialentwickler, Strukturmechaniker, Elektroniker, System-Ingenieure, die alle Aspekte zu einem Ganzen zusammenfügen. Branchenkenner erwarten, dass mit dem derzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung in den nächsten zwei Jahren weitere Produkte mit smarten Materialien auf den Markt kommen. »Die Technik ist so weit. Es wird an weiteren spannenden Lösungen gearbeitet – vom Maschinenbau bis zum Konsumgütermarkt«, sagt der Leiter der Allianz, Tobias Melz vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. Auf der Hannover Messe stellt die Allianz auf einem Gemeinschaftsstand mit weiteren Adaptronik-Partnern verschiedene Entwicklungen vor – unter anderem einen Tisch mit Lagern zur Schwingungsdämpfung, ein Flugzeugbauteil mit piezo-keramischen Überwachungssensoren und ein Oberklasseauto mit smartem Innenleben.

Ansprechpartner:
Dr. Tobias Melz
Telefon +49 6151 705 252
tobias.melz@lbf.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF, Darmstadt

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Birgit Niesing Fraunhofer-Gesellschaft

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