Silizium als neues Speichermaterial für die Akkus der Zukunft
Längere Laufzeiten, größere Reichweiten und kürzere Ladevorgänge – Entwicklungen wie die Elektromobilität oder die Miniaturisierung von Elektronik erfordern neue Speichermaterialien für Akkus. Mit seiner enormen Speicherkapazität hätte Silizium entscheidende Vorteile gegenüber Materialien in herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. Doch aufgrund seiner mechanischen Instabilität war es bisher kaum möglich, Silizium für die Speichertechnologie zu nutzen.
Ein Forschungsteam vom Institut für Materialwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) will in Zusammenarbeit mit der Firma RENA Technologies GmbH Anoden aus 100 Prozent Silizium sowie ein Konzept für ihre industrielle Herstellung entwickeln. Durch gezieltes Strukturieren ihrer Oberfläche auf Mikroebene kann das Team das Speicherpotenzial von Silizium komplett ausschöpfen.
Damit bieten sie einen völlig neuen Ansatz für aufladbare Batterien sowie für die Energiespeicherung von morgen. Herstellung und Einsatzmöglichkeiten von Siliziumanoden stellen die Partner in dieser Woche auf der Hannover Messe vor (23.-27. April) am Stand der CAU vor (Halle 2, C07).
Silizium zählt schon lange zu den Hoffnungsträgern für die Elektromobilität, sagt Materialwissenschaftlerin Dr. Sandra Hansen. „Theoretisch ist Silizium das beste Material für Anoden in Akkus. Es kann bis zu zehnmal mehr Energie speichern als Graphit-Anoden in herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien.“ Elektroautos könnten damit längere Strecken fahren, Handyakkus länger halten und das Aufladen deutlich schneller funktionieren. Ein weiterer Vorteil des Halbmetalls ist seine unbegrenzte Verfügbarkeit, immerhin besteht herkömmlicher Sand fast ausschließlich aus Siliziumoxid. „Silizium ist nach Sauerstoff das zweithäufigste Element der Erde und damit eine nahezu unbegrenzte, kostengünstige Ressource“, so Hansen weiter.
Doch bisher war die Lebensdauer von Siliziumanoden zu gering, um sie in Akkus einzusetzen. Grund ist die hohe Empfindlichkeit des Materials. Beim Aufladen bewegen sich Lithium-Ionen zwischen Anode und Kathode hin und her. Silizium, als das Material mit der höchsten Energiedichte, nimmt besonders viele Lithium-Ionen auf. Dadurch dehnt es sich um 400 Prozent aus und würde auf Dauer zerbrechen.
Am Kieler Institut für Materialwissenschaft wird seit fast 30 Jahren an Silizium geforscht. Die bisherigen Erkenntnisse sollen – kombiniert mit den Silizium-Erfahrungen von RENA Technologies GmbH aus der Solartechnik – dazu beitragen, Anoden aus 100 Prozent Silizium für Akkus herzustellen. So ließe sich ihr Speicherpotenzial maximal ausschöpfen. Anoden in herkömmlichen, aufladbaren Batterien bestehen bisher gerade einmal aus etwa 10 bis 15 Prozent Silizium.
Im vergangenen Jahr startete dazu das gemeinsame Forschungsprojekt „Entwicklung und Charakterisierung von großflächigen, porösen Si-Film-Anoden für Lithium-Schwefel-Silizium-Energiespeichern“ (PorSSi), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt einer Million Euro gefördert wird (Details siehe unten). Ziel des Projektes ist es, eine leistungsfähige Siliziumbatterie entstehen sowie ein Konzept zu ihrer kostengünstigen, industriellen Herstellung.
„Die Kooperation von CAU und RENA vereint die jahrzehntelangen Erfahrungen der Grundlagenforschung höchst effizient mit der industriellen Prozess- und Anlagenentwicklungs-Expertise“, betont Dr. Holger H. Kühnlein, Senior Vice President Technology der RENA Technologies GmbH. „So bekommen wir Erkenntnisse aus der universitären Grundlagenforschung schnellstmöglich in die industrielle Anwendung“, ergänzt Professor Rainer Adelung, Leiter der Arbeitsgruppe Funktionale Nanomaterialien an der CAU, in der viele der bisherigen Erkenntnisse zu Silizium gewonnen wurden. Adelung: „Das ist wirklicher Innovationstransfer.“
Kontakt:
Dr. Sandra Hansen
Projektleitung CAU
Tel: 0431-880-6180
E-Mail: sn@tf.uni-kiel.de
Weitere Informationen zum Projekt:
Um eine sinnvolle Reichweite für Elektroautos zu erreichen, benötigen Akkus eine hohe Lebensdauer und stabile Ladezyklen. „Um die Zyklenfestigkeit von Siliziumbatterien zu erhöhen, müssen wir genau verstehen, was passiert, wenn sie sich beim Laden ausdehnen“, sagt Hansen. In ihrer Doktorarbeit fand sie heraus, dass sich Silizium weitaus flexibler verhält, wenn es in Form eines dünnen Drahtes hergestellt wird und somit der hohen Volumenausdehnung besser standhalten kann. Diese Erkenntnisse werden nun auf poröses Silizium übertragen – sein freies Volumen lässt mehr Raum zum Ausdehnen. Damit dabei die Kontakte zur Elektrode nicht abreißen, hat Hansen eine Möglichkeit mitentwickelt und patentiert, beides stabil zu verbinden. Den Gegenpart zur Anode, die Kathode, will das Team aus Schwefel herstellen. „Eine Schwefelkathode bietet die maximal mögliche Speicherkapazität. Wir kombinieren in diesem Projekt also zwei Materialien, die eine wirklich hohe Leistungsfähigkeit der Batterie versprechen“, sagt Hansen.
Mit einer speziellen Qualitätskontrolle während der Herstellung will Hansen die Lebensdauer von Siliziumanoden weiter verbessern: Gefertigt werden sie aus einem sogenannten Wafer. Per lithografischem Ätzverfahren wird die Oberfläche dieser flachen Scheibe auf Nanoebene strukturiert, um ihr bestimmte Eigenschaften zu geben. Mit einer weiterentwickelten Methode aus der Solartechnik unterzieht Hansen die Oberfläche anschließend einer optischen Prüfung über einen zeitlichen Verlauf. So lässt sich feststellen, an welchem Punkt im Herstellungsprozess ungleichmäßige Stellen in der Oberfläche entstanden sind, die die Leistung der Anode verringern.
„Noch dauert dieser Prozess recht lange und ist sehr teuer. Wenn wir es schaffen, ihn von einer Siliziumscheibe auf eine poröse Folie zu übertragen, könnte man sie in nur wenigen Minuten ätzen“, sagt Hansen. Durch die Zusammenarbeit mit der Firma RENA fließen die Forschungserkenntnisse direkt in die Entwicklung von neuen Ätzungsanlagen. Ein Prototyp wird im Laufe des Projektes mit dreijähriger Laufzeit gefertigt und an der Technischen Fakultät in Kiel aufgebaut.
Projektinformationen:
Projekttitel: Entwicklung und Charakterisierung von großflächigen, porösen Si-Film-Anoden für Lithium-Schwefel-Silizium-Energiespeichern (PorSSi)
Förderdauer: 01.09.2017 – 31.08.2020
Fördersumme: Eine Millionen Euro (500.000 Euro in Kiel)
Projektpartner: RENA Technologies GmbH
Koordination: Benedikt Straub, RENA Technologies GmbH
Projektleiter: Sandra Hansen, Universität Kiel
BMBF-Förderlinie: „Batteriematerialien für zukünftige elektromobile und stationäre Anwendungen (Batterie 2020)“
Patentinformation:
Titel: Verfahren zur Herstellung von Flächenableiterelektroden und Halbzeug zur Durchführung des Verfahrens
Nr. WO 2016/037610A1
Erfinder: Sandra Hansen (geb. Nöhren), Jörg Bahr und Jürgen Carstensen
Bisherige Publikationen zum Projektthema:
Hansen et al., J. Power Sources 2018, 381, 8-17, 10.1016 https://doi.org/10.1016/j.jpowsour.2018.01.085
Hansen et al., J.Power Source, 2017, https://doi.org/10.1016/j.jpowsour.2017.03.025
Hansen et al., J.Electrochem.Soc. 2016, https://doi: 10.1149/2.0811614jes
Hansen et. al., Nachrichten aus der Chemie, 66, 2018.
Bildmaterial zum Download ist vorhanden:
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2018/2018-114-1.jpg
Aus Siliziumscheiben wie dieser stellt das Kieler Forschungsteam Anoden für ihre neuartigen Siliziumbatterien her. Ein Ätzverfahren verleiht den ursprünglich blanken Scheiben eine poröse Oberfläche. Sie lässt sich besonders gut mit einer Kupferelektrode verbinden. Die so entstandene hauchdünne Anode kann wie eine Folie abgezogen werden.
Foto/Copyright: Julia Siekmann, Uni Kiel
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2018/2018-114-2.jpg
Im Labor an der Technischen Fakultät baut Hansen erste Prototypen von Siliziumbatterien zusammen, um zu testen, wie viele Ladezyklen sie standhalten. In dieser sogenannten „Glove Box“ befindet sich kein Sauerstoff, denn an der Luft würde das Lithium der Batterie oxidieren.
Foto/Copyright: Julia Siekmann, Uni Kiel
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2018/2018-114-3.jpg
Beim Laden der Batterie dehnt sich Silizium um 400 Prozent aus, das empfindliche Material könnte dabei zerbrechen. Weitaus flexibler ist es in Form von solchen Mikrodrähten wie Hansen in ihrer Doktorarbeit zeigen konnte. Aber diese Art der Herstellung ist noch zu teuer für die industrielle Produktion.
Foto/Copyright: Sandra Hansen
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2018/2018-114-4.jpg
Noch bis Ende dieser Woche stellt Dr. Sandra Hansen ihren Ansatz zur Herstellung von Siliziumanoden auf der Hannover Messe vor.
Foto/Copyright: Claudia Eulitz, Uni Kiel
CAU@Hannover Messe
Auch 2018 stellt die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) auf der Hannover Messe ihre exzellente Forschung vor. Unter dem Motto „Ways to Solutions“ zeigt die Landesuniversität: Wissenschaft wirkt auf vielfältige Weise in die Gesellschaft. Sie trägt zum Austausch bei, löst knifflige Probleme und entwirft neue Szenarien. All das erwartet Gäste in der Halle 2 (Research & Technology). Diesmal gemeinsam mit den Partnern: Land Schleswig-Holstein, Landeshauptstadt Kiel und European XFEL. Im Zentrum des Messeauftritts stehen Präsentationen und Exponate rund um die Themen Spitzenforschung, Wissenstransfer, Patente und Gründungsinitiativen. Vorträge und Podiumsdiskussionen runden das abwechslungsreiche Programm während der Messewoche ab. Alle Informationen unter: http://www.uni-kiel.de/hannovermesse
http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2018-114-siliziumakku
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