Handschuh bekennt Farbe

Der Sensorhandschuh färbt sich in Gegenwart eines Gefahrstoffs blau. (© Fraunhofer EMFT) <br>

Mitarbeiter in der chemischen Produktion, der Halbleiterindustrie oder in Labors sind häufig schädlichen Stoffen ausgesetzt. Das Problem: Viele der aggressiven Substanzen sind von den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar, dies macht den Umgang mit ihnen so gefährlich.

Von empfindlicher Messtechnik bis hin zu Wärmebildkameras gibt es daher eine breite Auswahl an Lösungen, mit denen Arbeitgeber ihre Angestellten vor Gefahrstoffen schützen. Künftig wird dieses Spektrum um eine pfiffige Lösung erweitert, die einfach zu handhaben ist und ohne Stromzufuhr auskommt: Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien EMFT in Regensburg haben einen Handschuh entwickelt, der erkennt, ob sich toxische Stoffe in der Umgebungsluft befinden.

Der Schutzhandschuh wird mit den geeigneten Sensormaterialien ausgerüstet und zeigt das Vorhandensein von Gefahrstoffen durch eine Farbänderung an. Dabei passen die Wissenschaftler die Materialien auf die entsprechenden Analyten, und damit an die Anwendung, an. Der Farbwechsel, zum Beispiel von farblos (ohne Gefahrstoff) zu blau (mit Gefahrstoff) warnt den Mitarbeiter umgehend. »Durch Synthese der passenden Sensorfarbstoffe können wir Gase wie zum Beispiel Kohlenmonoxid oder Schwefelwasserstoff nachweisen.
Die Schutzkleidung ist aber nur ein möglicher Anwendungsbereich. Sensormaterialien könnten auch zur schnellen Prüfung von Gasleitungen auf Lecks eingesetzt werden«, erläutert Dr. Sabine Trupp, Leiterin der Fraunhofer EMFT Gruppe Sensormaterialien. Die Forscherin und ihr Team präsentieren das Kleidungsstück für den Arbeitsschutz vom 14. bis 16. Mai auf der Messe Sensor + Test in Nürnberg am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand (Halle 12, Stand 537).

Maßgeschneiderte Indikatorfarbstoffe

Ausgelöst wird der Warnhinweis durch einen in den Handschuh integrierten Indikatorfarbstoff, der auf das Vorliegen von Analyten – in diesem Fall sind das die Gefahrstoffe – mit einem Farbwechsel reagiert. Um Textilien mit sensorisch aktiven Farbstoffen auszurüsten, nutzen die Experten von der EMFT verschiedene Techniken: Die Sensorfarbstoffe werden mit den üblichen Färbe- und Druckverfahren auf der Kleidung aufgebracht, beispielsweise durch das Fixieren im Tauchbad. Zuvor passen die Forscher die Farbmoleküle durch gezielte chemische Modifikation an die jeweiligen Fasereigenschaften des Textils an. Alternativ lassen sich die Textilien aber auch mit Sensorpartikeln beschichten, die mit Sensorfarbstoffen ausgestattet wurden. Hierfür integrieren die Wissenschaftler die Farbstoffmoleküle entweder in kommerzielle Pigmente oder sie bauen diese vollständig synthetisch auf. Die Verarbeitung der Pigmente erfolgt dann nach den üblichen Textilveredelungsverfahren; beispielsweise eignen sich die Sensorpartikel auch für den Siebdruck. »Für welche Variante wir uns entscheiden, richtet sich nach den Anforderungen der geplanten Anwendung«, sagt Trupp.

Die Herausforderung liegt vor allem in der maßgeschneiderten Entwicklung der Sensorfarbstoffe. »Das Farbstoffmolekül muss gezielt einen speziellen Analyten erkennen, nur dann erfolgt eine chemische Reaktion. Außerdem muss der Farbstoff sicher haften, er darf nicht ausgewaschen werden. Auch bei der Farbwahl richten wir uns nach den Wünschen des Kunden. All diese Aspekte gilt es beim Aufbau der Moleküle und der Pigmenteigenschaften zu beachten«, erläutert Trupp.

Die Expertin hat bereits neue Ideen, wie sich die Lösung weiterentwickeln ließe. Beispielsweise könnte ein in Textilien integriertes miniaturisiertes Sensormodul Gefahrstoffe registrieren, die Messwerte speichern und auch an eine zentrale Einheit übertragen. So ließe sich über einen längeren Zeitraum hinweg dokumentieren, wie häufig eine Person in einem gefährdeten Umfeld giftigen Konzentrationen ausgesetzt war.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten sieht die Forscherin in der Lebensmittelbranche: In Folien oder Flaschenverschlüsse integrierte Farbindikatorsysteme sollen künftig den Qualitätszustand von verpackten Lebensmitteln sichtbar machen. Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum stellt keine Garantie dar. Durch Fehler beim Abpacken, bei der Lagerung oder durch Unterbrechungen in der Kühlkette verdirbt Ware oft vorzeitig, vom Verbraucher unbemerkt. Besonders öl- und fetthaltige Produkte, aber auch Fleisch, Fisch und Fertigspeisen sind hiervon betroffen.

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Dr. rer. nat.SabineTrupp Fraunhofer Forschung Kompakt

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