Studierende entwickeln smarten Spiegel mit Sprachsteuerung

Projektleiter Kai Knispel stellt die Widgets über sein Smartphone ein.
Foto: Susi Freitag / FH Bielefeld

Wie ein Tablet an der Wand: „Smart Mirror“ als Ergebnis einer Projektarbeit im Mechatronik-Modul.

Spieglein, Spieglein an der Wand, wie wird das Wetter heute? Diese Frage könnte man seinem Spiegelbild morgens beim Zähneputzen stellen, nachdem man per Sprachsteuerung das Radio eingeschaltet hat und auf der blitzenden Oberfläche die Nachrichten oder Börsenkurse gelesen hat. Das klingt nach Science Fiction? Ist aber ganz real: So ein „Smart Mirror“ hängt in Gütersloh.

Freie Auswahl bei der Projektarbeit

Entwickelt wurde der Spiegel von fünf Studierenden der Fachhochschule (FH) Bielefeld, die am Campus Gütersloh praxisintegriert Mechatronik/Automatisierung studieren. Oder besser gesagt: studiert haben, denn sie sind bereits seit Februar 2020 „Bachelor of Engineering“. Sina Sampl, Julius Polldavid, Dennis Eller, Kai Knispel und Simon Steinhüser hatten im Modul „Dokumentation mechatronischer Systeme“ freie Hand bei der Auswahl eines Projekts.

„Wir wollten ein innovatives Produkt entwickeln, das auch einen privaten Nutzen hat“, erinnert sich Kai Knispel, der zum Projektleiter auserkoren wurde. So startete die Gruppe mit einem Lasten- und Pflichtenheft und mit der Projektplanung: „Wir mussten dokumentieren, wie wir die Anforderungen technisch umsetzen, Kosten- und Zeitpläne erstellen und eine Risikoanalyse durchführen“, erklärt Kai Knispel. Im Modul „Mechatronische Systeme“ folgte ab September 2019 die Umsetzung. Projektabschluss war im Januar 2020, also vor Corona.

Die ehemaligen Studierenden waren während ihres praxisintegrierten Studiums alle bei der Beckhoff Automation GmbH & Co. KG in Verl beschäftigt und sind dort auch weiterhin tätig. In dem praxisintegrierten Studienmodell waren sie jeweils für drei Monate in der Theoriephase an der FH und dann drei Monate in der Praxisphase im Unternehmen. Dort, bei Beckhoff, haben sie an dem Projekt gearbeitet. „Wir haben in der Praxisphase begonnen und bis in die Theoriephase daran gearbeitet. Nebenbei haben wir auch die Bachelorarbeit geschrieben. Gearbeitet haben wir an dem Projekt nachmittags nach Feierabend und am Wochenende sowie in der Theoriephase an den dafür vorgesehenen Tagen. Die im sechsten Semester erstellte Zeitplanung hat uns bei der Umsetzung sehr geholfen“, beschreibt Kai Knispel das straffe Arbeitspensum.

Von Grund auf selbstständig entwickelt

Zwar gab es bereits Anleitungen für ähnliche Spiegel im Internet, doch die Gruppe hat den gesamten Spiegel von Grund auf komplett selbstständig entwickelt – sowohl die Hardware als auch die Software. Knispel erklärt die Anforderungen: „Ein Teil des Spiegels sollte als Anzeige genutzt werden, ein weiterer Teil sollte als reine Spiegelfläche dienen. Auch eine Kamera sollte integriert sein, und der Spiegel sollte eine Gesichtserkennung sowie eine Sprachsteuerung beinhalten, damit er von mehreren Nutzern personalisiert eingesetzt werden kann. Diese Features gibt es bei anderen interaktiven Spiegeln nicht.“

Eine weitere Besonderheit: Der Spiegel schaltet sich bei Bewegung automatisch ein. „Das war etwas knifflig, denn normale Bewegungsmelder funktionieren nicht hinter Glas“, erinnert sich Knispel. Ein spezieller Bewegungsmelder mit Mikrowellentechnologie war die Lösung.

Sprachsteuerung und individuelle Gestaltung

Über selbst programmierte Widgets, die jeder Nutzer oder jede Nutzerin individuell gestalten kann, zeigt der Spiegel verschiedene Informationen an: Wetter, Uhrzeit als Digital-, Analog- oder Wörteruhr, Kalender, Radio, Spritpreise, Routenplanung, Radarfallen, Bundesligatabelle, Witze, Nachrichten, Spruch des Tages, Aktien, Rohstoffpreise und Wechselkurse. Dank webbasierter Oberfläche kann jeder Benutzer seine Oberfläche von jedem Endgerät aus konfigurieren. Ein praktisches Feature ist auch die Fotofunktion – um den Hinterkopf und die Frisur von allen Seiten zu begutachten.

Die integrierte Sprachsteuerung basiert auf einem eigenständig angelernten neuronalen Netz, das auch ohne Internet funktioniert. Sie regelt Radio, Foto und Benutzerverwaltung. Auch an einen HDMI-Eingang zum Anzeigen einer externen Quelle haben die Studierenden gedacht. Eine LED-Beleuchtung vorn und hinten am Spiegel lässt sich als optisches Element ebenfalls durch die Sprache steuern: Der vordere Streifen ist dimmbar, der hintere LED-Streifen gibt ein optisches Feedback bei erkanntem Sprachbefehl. Im „Partymodus“ sorgen beide Streifen für Lichteffekte.

Vielfältige Hardware verbaut

Doch woraus genau setzt sich der Smart Mirror zusammen? „Das Gehäuse des Spiegels besteht aus Edelstahl, der vordere Rahmen ist aus schwarz lackiertem Holz mit eingelassenem LED-Streifen“, berichtet Knispel. „Den 110 mal 62 Zentimeter großen Spezialspiegel haben wir von der Firma Pilkington bekommen.“ Außerdem sind verbaut: zwei 24-Zoll-Displays, ein Einplatinencomputer Raspberry Pi 4 für die Steuerung, ein spezieller Bewegungsmelder mit Mikrowellentechnologie, der auch durch Glas funktioniert, eine Kamera, ein HDMI-Switch zum Anzeigen des Smartphones oder einer anderen Bildquelle, weiße und bunte LED-Streifen sowie zwei Netzteile zur Stromversorgung.

Das Material wurde zum Teil von der FH Bielefeld finanziert, zum Teil wurden Komponenten von Beckhoff Automation zur Verfügung gestellt. Der Smart Mirror hängt nun im Hochschulgebäude in Gütersloh, um hoffentlich bald wieder vor Ort potenziellen Studierenden zu zeigen, wie spannend es sein kann, eigene mechatronische Projekte umzusetzen. Ideen gibt es sicher genug!

Über das praxisintegrierte Studium an der FH Bielefeld

Im praxisintegrierten Studium sind die Studierenden über die gesamte Studiendauer in einem Unternehmen beschäftigt. Dadurch wachsen sie von Beginn an in das Unternehmen hinein und können die akademische Ausbildung mit der beruflichen Praxis kombinieren. Ziel ist, das in der Theorie erlernte Wissen in der Praxis anzuwenden und umgekehrt. Die Arbeitsweise in Unternehmen und damit auch spezielle Praxisanforderungen sind ihnen dadurch vertraut.

Weitere Informationen:

Video bei YouTube zu dem Projekt

Media Contact

Verena Kukuk Ressort Hochschulkommunikation
Fachhochschule Bielefeld

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