Der gläserne Patient
INI-GraphicsNet stellt auf der MEDICA neue Augmented-Reality-Systeme vor
Die bildgebenden Verfahren der Informationstechnik haben die medizinische Diagnostik schon revolutioniert: Aus Ultraschall-, Röntgen- oder Magnetresonanz-Aufnahmen lassen sich sehr detaillierte und anschauliche dreidimensionale Modelle erzeugen, die neue Einblicke ins Innere des Kranken ermöglichen.
Zur Zeit ist die Computerunterstützung bei der Intervention, das heißt beim Eingriff ins Körperinnere mit Hilfe von Instrumenten, erst in Ansätzen verwirklicht. Durch die Technologie der „Augmented Reality“ (AR), der so genannten Erweiterten Realität, ist es möglich, dem Mediziner in sein Sichtfeld vom Rechner erzeugte Informationen einzublenden und damit die reale Umgebung zu überlagern. Mit Hilfe von halbtransparenten Brillen oder Displays blickt der Arzt ins Innere des Patienten, kann Organe, Gewebeteile oder Knochen genau betrachten – ohne den Kranken zu berühren oder den Blick von der Eingriffsstelle abzuwenden.
Wie die Technologie der Augmented Reality die Ärzte vor, während und nach einer Intervention optimal unterstützten kann, zeigen Forscher des INI-GraphicsNet auf der MEDICA 2001 in Düsseldorf vom 21. bis 24. November 2001. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD und das Zentrum für Graphische Datenverarbeitung e.V. (ZGDV) in Darmstadt demonstrieren ihre integrierten AR-Lösungen für unterschiedliche medizinische Anwendungen auf dem Gemeinschaftsstand in Halle 14, Stand A05/06.
Ein Szenario aus dem Projekt AR-X-Ray: Zur Behandlung eines Patienten setzt der Chirurg die teiltransparente Datenbrille auf. Sogleich erhält er die anatomischen Strukturen, aus Computertomografie (CT)-Daten ermittelt, lagerichtig über dem Kopf des Patienten eingeblendet. Auf Wunsch erscheinen grafische Zusatzinformationen, beispielsweise ein optimaler Zuweg, den der Arzt so bereits in der Operationsplanung festgelegt hat. Oder das System AR-X-Ray zeigt dem Chirurg millimetergenaue Navigationsdaten an, die im helfen die Instrumente exakt zu führen. Die aktuelle Lage der Weichteile und deren Bewegungen (Deformationen) sollen permanent registriert und die eingeblendeten Daten – ob aus CT, Ultraschall, Magnetresonanz oder anderen bildgebenden Verfahren gewonnen – in Echtzeit angepasst werden. „Mit dem gezielten Einsatz der AR-Technologie kann die Genauigkeit und Qualität einer Operation erhöht und gleichzeitig das Risiko für den Patienten minimiert werden“, erläutert Ulrich Bockholt, Projektleiter in der Abteilung „Visualisierung und Virtuelle Realität“ am Fraunhofer IGD.
Dass die Augmented-Reality-Technologie auch die Diagnose und Therapie des Blasenkrebses verbessern und damit die derzeit hohe Rückfallquote senken kann, soll das Projekt AR-Urolo zeigen: Wissenschaftler des Fraunhofer IGD und der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken entwickeln gemeinsam eine neue Bildverarbeitungs-Software, um die etablierte Weißlicht-Endoskopie „aufzurüsten“. Das interdisziplinäre Experten-Team nutzt die unterschiedlichen optischen Eigenschaften, die zwischen dem Blasentumor und dem gesunden Gewebe der Blasenschleimhaut bestehen. Mit einer innovative Computersoftware ist es zukünftig möglich, diese und weitere Charakteristika zu kombinieren, zu entschlüsseln und direkt auf der AR-Brille, einem Display oder Endoskop-Monitor sichtbar zu machen. So kann der Tumor während der Operation ermittelt, markiert und den Urologen über das Endoskopiebild angezeigt werden. „Mit der verbesserten Endoskopie ist es den Ärzten möglich, das Blasenkarzinom vollständig zu entfernen. Auch die kleinen Satellitentumore, flachen Tumorausläufer und Tumorvorstufen – verantwortlich für viele Rückfälle – sollen damit entdeckt werden können“, beschreibt Ulrich Bockholt das Projektziel. Dieses neue Verfahren hat keinen Einfluss auf die Endoskopie- und Operationstechnik – der Patient wird nicht zusätzlich belastet.
Ein frei schwenkbares, halbtransparentes Display kann zum Ausgabemedium der Zukunft werden. Im Projekt MEDARPA realisieren die Partner nicht nur ein derartiges „Augmented Reality“-Fenster zum Patienten, sondern weitere neue Visualisierungs- und Interaktionsverfahren, für den medizinischen Arbeitsplatz der Zukunft. Vor der Operation werden die einzelnen Datensätze des Patienten aus Ultraschall, CT und Röntgenaufnahme im Rechner zu dreidimensionalen Modellen zusammengefügt und stehen dem Arzt vor und während des Eingriffs zur Verfügung. „Der Chirurg kann sich die relevanten grafischen Patientendaten über ein halbtransparentes Display einblenden lassen, die er aktuell benötigt und erhält so Einblick in tiefer liegende Strukturen“, so beschreibt Michael Schnaider, Leiter der Abteilung „Visual Computing“ am ZGDV, die Vorteile der innovativen Ausgabetechnik. Somit kann der Arzt seine chirurgischen Instrumente präziser setzen. Das ist insbesondere in der Neurochirurgie und der Endoskopie wichtig, denn hier ist bei Eingriffen millimetergenaues Vorgehen unerlässlich. Die Ergebnisse von MEDARPA könnten die Endoskopie wie auch für die minimal invasive Chirurgie entscheidend verbessern. Unter der Führung des Zentrums für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) in Darmstadt forschen im MEDARPA-Projekt Partner wie das Fraunhofer IGD, die MedCom GmbH, die Städtischen Kliniken Offenbach, die Universitätsklinik Frankfurt und das Klinikum Nürnberg Nord. Sie entwickeln neue Lösungen für die Bereiche Herzchirurgie, Pulmologie und Radioonkologie.
MEDICA 2001 Messe Düsseldorf
Halle 14, Stand A05/06
Fraunhofer IGD
Ulrich Bockholt
ZGDV
Michael Schnaider
Telefax: 06151/155-199
E-Mail: ulrich.bockholt@igd.fraunhofer.de
michael.schnaider@zgdv.de
Kurzprofil INI-GraphicsNet:
Das internationale Netzwerk der Graphischen Datenverarbeitung (INI-GraphicsNet) besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, dem Zentrum für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) e.V., beide in Darmstadt und Rostock, und dem Fachgebiet Graphisch-Interaktive Systeme (GRIS) der Technischen Universität Darmstadt. Weitere Institutionen des Netzwerkes sind das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Computergraphik in Chemie und Pharmazie (AGC) in Frankfurt, das Fraunhofer Center for Research in Computer Graphics (CRCG) in Providence, Rhode Island (USA), das Fraunhofer Centre for Advanced Media Technology (CAMTech) in Singapur und das Centro de Computaç“o Gráfica (CCG) in Guimar“es (Portugal).
Innerhalb des Netzverbundes sind an den sechs Standorten über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 560 wissenschaftliche Hilfskräfte beschäftigt. Bei einem Haushalt von über 41 Millionen EURO bildet das INI-GraphicsNet weltweit den größten Forschungsverbund auf dem Gebiet der Graphischen Datenverarbeitung.
Media Contact
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