Composites-Innovationen für die Windkraftbranche / Rotorblätter im Visier der Großkonzerne
Neben Materialexperten und Verarbeitern stellen auf der Messe zahlreiche Maschinen- und Anlagenhersteller ihr Können unter Beweis und geben einen Einblick in die Composites-Innovationen für die Windkraftbranche – darunter Verbundwerkstoff-Spezialisten wie u.a. SGL, Dow, 3A Composites, BASF, Gurit, Zoltek und das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie (ICT). Die Innovationen reichen von neuen Kernmaterialien wie Hochleistungsschäumen oder CFK-Laminaten bis zu Produktionstechniken mit Einsparpotentialen bei Material, Gewicht und Kosten.
Und sie dreht sich doch: Allen Problemen wie etwa den unklaren politischen Weichenstellungen zum Trotz ist die Windkraftbranche auch 2012 rapide gewachsen und hat dabei einen historischen Meilenstein gesetzt. Erstmals wurden On- und Offshore-Anlagen mit einer Kapazität von mehr als 100 Gigawatt auf dem europäischen Kontinent betrieben. Dies schreibt die European Wind Energy Association (EWEA) in ihrem jährlichen Report. Demnach kamen 2012 in Europa Windräder mit einer Kapazität von insgesamt 12,7 Gigawatt hinzu, so dass die installiert Gesamtleistung von 97 Gigawatt im Jahr 2011 auf knapp 110 Gigawatt stieg – so viel Energie, wie 39 Atomkraftwerke zusammen produzieren und genug Strom, um damit 57 Millionen Haushalte zu versorgen.
Rosige Aussichten für die Verarbeiter von Faserverbundkunststoffen könnte man meinen, zählt doch die Windkraftbranche traditionell zu ihren größten Abnehmern. Doch das stimmt nur bedingt. So konstatieren die Experten der AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe in ihrem aktuellen Composites-Marktbericht nach einer Stagnation Jahr 2011 für 2012 den im GFK-Markt relativ stärksten Einbruch um insgesamt neun Prozent bei den so genannten offenen Verfahren (Handlaminieren, Faserspritzen). Dies sind jedoch genau die Techniken, die bei der Herstellung von Rotorblättern – gerade bei kleineren Unternehmen, die Einzelfertigung betreiben und nur geringe Stückzahlen herstellen – eine wichtige Rolle spielen.
Neben dem Problem der geringen Automatisierung kommt nach Ansicht der AVK-Fachleute hinzu, dass der Ausbau der Offshore-Windparks vor allem aus Wirtschaftlichkeitsgründen sowie Finanzierungs- und Technikschwierigkeiten derzeit nicht voran kommt. „Weiterhin wird die Produktion der immer noch überwiegend aus GFK gefertigten Windkraftflügel teilweise ins Ausland verlagert und es gibt wegen der erforderlichen Materialeigenschaften der immer größer werdenden Rotorblätter teilweise eine Substitution durch CFK, für die diese das Haupteinsatzgebiet sind“, heißt es in dem Bericht weiter. Demnach wird der größte Anteil (23 Prozent) an CFK für Rotorblätter in Windkraftanlagen eingesetzt. Die Fasern werden hier zu 77 Prozent als UD-Prepreg, zu 20 Prozent als Pultrusionsmaterial und zu rund drei Prozent als Gewebe verwendet.
Wachstumsmarkt für CFK
Für CFK – und das ist die gute Nachricht – ist die Windkraftindustrie ein absoluter Wachstumsmarkt. 2011 betrug das Wachstum hier rund 23 Prozent. Bis 2015 wird den Experten zufolge mit einem Jahresbedarf an Carbonfasern von rund 22.700 Tonnen, für 2020 gar von rund 54.270 Tonnen gerechnet. Dazu würden vor allem die immer größer werdenden Windkraft-Anlagen (bis zu 10 Megawatt) und die damit verbundenen länger werdenden Rotorblätter (bis zu 100 Meter) beitragen. Die Hoffnung der Branche: Mehr automatisierte CFK-Verarbeitung im großen Stil, statt mühsamer Handarbeit bei der Herstellung von Rotorblättern aus GFK.
Joint Venture: SGL und Samsung arbeiten zusammen
Ein gerade gegründetes Joint Venture scheint genau diesen Weg zu beschreiten. Im Juni gaben die CFK-Spezialisten der SGL Group eine strategische Partnerschaft mit dem koreanischen Industrie-Giganten Samsung bekannt, dass neben anderen Anwendungen auch einen Fokus auf die Herstellung von Rotorblättern für Windenergieanlagen richten wird. Auf der internationale Messe COMPOSITES EUROPE, die vom 17. bis 19. September 2013 in Stuttgart stattfindet, präsentiert sich die SGL Group als Aussteller. Verbundwerkstoffe für die Windkraftbranche spielen auf der Fachschau traditionell eine bedeutende Rolle. Neben den Verarbeitern stellen auf der Messe zahlreiche Maschinen- und Anlagenhersteller ihr Können unter Beweis und zeigen an ihren Messeständen hochmoderne Fertigungstechnik.
Vorrangiges Ziel des Joint Ventures, das unter dem Namen „Samsung SGL Carbon Composite Materials“ firmieren wird, ist die Entwicklung von neuen industriellen Anwendungen basierend auf CFK-Verbundwerkstoffen für Samsung und den koreanischen Markt. Dessen Schwerpunkt liegt derzeit auf Prepregs und Sportartikeln. In Zukunft soll er jedoch auf die unterschiedlichsten Branchen ausgeweitet werden, darunter auf die Windenergie-, Elektronik- und Automobilindustrie. „Durch die langfristige Zusammenarbeit mit der SGL Group wird unsere exklusive Versorgung mit Carbonfaser-Verbundwerkstoffen sichergestellt. Wir haben uns für SGL entschieden, weil das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette von Carbonfasern bis hin zu CFK-Komponenten beherrscht“, sagte Yoosung Chung, Präsident & CEO von Samsung Petrochemical.
Wie aktiv die Koreaner im Bereich Composites sind, zeigt auch ein Joint Venture zwischen Samsung Heavy Industries und dem dänischen Unternehmen SPP Technology. Im Rahmen dieser Kooperation wurde kürzlich das mit 83,5 Metern derzeit weltgrößte Rotorblatt für Windkraftanlagen entwickelt. Der Rekord-Flügel ist Teil eines Rotors, der später gigantische 171,2 Meter Durchmesser haben wird und eine 7-Megawatt-Turbine antreibt. Nach Tests beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) soll der Rekord-Flügel ab 2015 in Südkoreas erstem Offshore-Windpark zum Einsatz kommen. Insgesamt zwölf solcher Riesen-Windräder werden dann 84 Megawatt Leistung erzeugen. Die Kernmaterialien ProBalsa150 und Divinycell H80 für das Rotorblatt liefert mit Diab ein Unternehmen, das ebenfalls auf der COMPOSITES EUROPE vertreten ist. Jede Schale wird in einem Werkzeug produziert, bei dem die Verarbeitungsverfahren VARTM (vacuum assisted resin transfer moulding), Prepreg und Handlaminieren zum Einsatz kommen.
Dow und 3A Composites entwickeln gemeinsame Lösungen
Auch bei einer weiteren Kooperation, die sich mit der Entwicklung von Kernmaterialien für die Windkraftbranche beschäftigt, sind zwei COMPOSITES-EUROPE-Aussteller beteiligt: Der US-Chemieriese Dow will zusammen mit den Verbundwerkstoff-Spezialisten von 3A Composites in einer strategischen Partnerschaft produktivere und zuverlässigere Lösungen für den Windenergie-Sektor entwickeln. Dow bringt dabei seine Kompetenzen in der Materialforschung ein, 3A Composites sein technisches Know-how bei kundenspezifischen Composites-Anwendungen für die Branche. „Aus Dows Forschungstiefe und unserem Ansatz, maßgeschneiderte Lösungen zu bieten, entsteht eine einzigartige Fähigkeit, zuverlässige Innovationen für die Wind-Industrie zu entwickeln und zu produzieren“, so Roman Thomassin, CEO von 3A Composites.
BASF: Hochleistungsschaum Kerdyn
Ein weiterer Großkonzern, der sich intensiv mit Materialien für die Windkraftbranche beschäftigt, ist BASF. Das Unternehmen, das auch zu den Ausstellern der COMPOSITES EUROPE gehört, hat unter dem Handelsnamen Kerdyn einen Hochleistungsschaum in Plattenform auf der Basis von PET entwickelt, der im Inneren von Rotorblättern zum Einsatz kommt und ihnen zusätzliche Stabilität verleiht. Durch seine hohe Temperaturbeständigkeit und Chemikalienresistenz ist der Werkstoff sehr gut als Verbundwerkstoff geeignet. Weiterer Vorteil: Als Kernmaterial bieten PET-Schäume außerordentlich gute mechanische Eigenschaften und sie vertragen sich mit vielen verschiedenen Verarbeitungsprozessen.
BASF bietet damit eine ganze Bandbreite an Produkten für die Rotorblattherstellung. Für die Vakuuminfusion von immer größer werdenden Windflügeln wurde Baxxodur 5100 entwickelt. Dieses niedrigviskose System führt zu einer schnellen und vollständigen Tränkung der Fasern und lässt sich im Vergleich zu Standardsystemen auch deutlich länger verarbeiten. Der auf Epoxidharz basierende Strukturkleber Baxxodur 4100 eignet sich für schnelle Verklebungen und ist vom Germanischen Lloyd für die Rotorblattherstellung zertifiziert. Bei der Beschichtung von Windflügeln ist die Beständigkeit gegen Erosion und UV-Strahlen wesentlich. BASF bietet dafür Relest Wind Inmould Gelcoats. Diese semitransparenten Zwei-Komponenten-Lacke sind sehr leicht schleifbar und durch eine eingefärbte Härterkomponente mit Mischkontrollfunktion sicher anzuwenden. Die integrierten UV-Absorber der neusten Generation verhindern eine Schädigung des Substrates durch UV-Licht.
Gurit zeigt Einsparpotentiale bei Material, Gewicht und Kosten
Mit Gurit stellt sich auf der COMPOSITES EUROPE zudem ein Unternehmen vor, das zahlreiche neue Materialien und Technologien für die Windkraftbranche entwickelt hat. Eine davon heißt Uvotec. Dabei wird dank einer speziellen chemischen Rezeptur bei Balsaflex-Kernmaterialien die Oberflächenbeschaffenheit so verändert, dass sich beim Infusionsprozess die Menge des absorbierten Harzes signifikant reduzieren lässt, ohne negative Auswirkungen auf die Haftungseigenschaften der Häute. Einsparungen bei Material, Gewicht und Kosten sind die Folge. Pro Quadratmeter lässt sich demnach die Harzaufnahme um 1,3 Kilogramm reduzieren, heißt es vom Unternehmen. Hinzu kommt ein breites Portfolio weiterer Kernmaterialien für die Windkraftbranche wie Corecell T-Schaum, G-PET, PVCell G-Schaum und weitere Balsaflex-Lösungen.
Zoltek präsentiert neue CFK-Laminate
Aus Ungarn kommt mit Zoltek ein weiteres namhaftes Unternehmen auf die COMPOSITES EUROPE. Der Spezialist für Kohlefaserverbundwerkstoffe hat CFK-Laminate entwickelt, die als pultrudierte Profile zur strukturellen Verstärkung moderner Windflügel-Schalen zum Einsatz kommen. Basis ist die Produktlinie Panex 35. Das Material ist in verschiedenen Stärken und Formen erhältlich und bietet verbesserte Eigenschaften wie größere Faservolumen, eine minimierte Zahl von Hohlräumen und stabile Faserausrichtung. Mit dem neuen Zwischenprodukt strebt Zoltek zudem an, einen Trend bei der Herstellung von Rotorblättern zu kreieren, indem „vorgehärtete“ oder „produktionsfertige“ CFK-Materialien als Strukturbauteile angeboten werden.
Das Unternehmen will mit der Entwicklung seine Position als führender Zulieferer von Kohlefasern für die Windkraftbranche festigen und weiter ausbauen. Derzeit sind weltweit 20.000 Tonnen CFK von Zoltek in Windrädern verbaut. „Wir wollen mit unserem Zwischenprodukt die Produktion von Windrädern vereinfachen und die Kosten für die Hersteller signifikant reduzieren. Wir erwarten zudem, dass unser Material die Entwicklung längerer Rotorblätter mit höherer Leistung beschleunigt und den Durchbruch für Composites auch in anderen Bereichen ermöglicht, etwa bei Tiefsee-Bohrungen und bei der Ölförderung“, so Zsolt Rumy, Geschäftsführer und Vorstand bei Zoltek.
Mit dem Fraunhofer Institut für Chemische Technologie (ICT) präsentiert sich auf der COMPOSITES EUROPE darüber hinaus ein Mitglied des kürzlich gegründeten Konsortiums WALiD (Wind Blade Using Cost-Effective Advanced Composite Light-Weight Design), bei dem elf Partner die Entwicklung von Faserverbundkunststoffen zum Einsatz in Offshore-Windkraftanlagen vorantreiben wollen. Das Projekt, das von der Europäischen Union mit knapp vier Millionen Euro gefördert wird, läuft über vier Jahre. Ziel ist es, die Windräder leichter, stabiler und dabei günstiger zu machen. Dazu sollen kosteneffizientere Designs und Materialien für alle konstruktionsrelevanten Bauteile entwickelt werden.
Über die COMPOSITES EUROPE:
Zusammen mit der Internationalen AVK-Tagung hat sich die COMPOSITES EUROPE nach sieben erfolgreichen Veranstaltungen als die führende Kraft im deutschen Messemarkt für faserverstärkte Kunststoffe bewiesen. Mehr als 400 Aussteller aus 27 Nationen werden vom 17. bis 19. September auf dem Stuttgarter Messegelände erwartet. 7.121 Fachbesucher kamen vor zwei Jahren zur Messe nach Stuttgart, 8.131 waren es im letzten Jahr, als die Messe in Düsseldorf zeitgleich mit der ALUMINIUM Weltmesse stattfand.
Veranstaltet wird die COMPOSITES EUROPE vom Messeveranstalter Reed Exhibitions in Kooperation mit dem europäischen Branchenverband EuCIA, der AVK, dem VDMA Forum CompositeTechnology und der internationalen Fachzeitschrift Reinforced Plastics.
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