Schrauben, die zum Körper passen
Zu Beginn der Skisaison herrscht Hochbetrieb in den alpenländischen Unfallkliniken. Einige Patienten haben danach Metall im Körper. Denn gerade komplizierte Knochenbrüche werden meist mit Schrauben und Platten aus Titan oder Stahl fixiert. Später müssen diese operativ entfernt werden. Das ist aufwendig und belastend für die Patienten. Bleiben die Schrauben im Körper, lösen sie bei empfindlichen Menschen Entzündungen oder Allergien aus.
Diese Beschwerden könnten bald Geschichte sein: Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM haben gemeinsam mit Partnern der Uni-Kliniken Gießen-Marburg und Bonn, sowie der Universität Bremen einen biokeramischen Schraubnagel entwickelt. Der sogenannte »Schragel« besteht aus Calciumphosphat, das im Wesentlichen der Zusammensetzung der Knochensubstanz entspricht.
Verminderte Verletzungsgefahr an Sehnen und Knochen
Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Million Euro. Wichtige Aufgabenstellungen waren laut Dr. Sebastian Hein vom IFAM, den Schraubnagel keramikgerecht zu designen und zu härten.
Im Gegensatz zur herkömmlichen medizinischen Schraube aus Titan oder Polymer wird der Schragel nicht in den Knochen geschraubt, sondern vorsichtig eingehämmert. Deshalb haben die Forscher eine spezielle Gewindeform für den Schragel entwickelt. So lässt er sich mit wenigen Rotationen einbringen und vermindert die Verletzungsgefahr an Sehnen und Knochen.
Der keramische Schraubnagel muss nicht entfernt werden, weil er in den Knochen einwächst: Die beiden hauptsächlich verwendeten Biokeramiken Calciumphosphat oder Hydroxylapatit sind dem Knochenmaterial sehr ähnlich. Das ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber Polymerschrauben, die sich im Körper auflösen. Abbauprodukte von Polymerschrauben verursachen Entzündungen.
Im Knochen können nach der Auflösung Hohlräume entstehen. Dadurch wird er instabil und kann leichter brechen. Keramikbasierte Schraubnägel lösen sich nicht auf, sondern verbinden sich mit dem Knochen. Im Idealfall forcieren sie laut Hein sogar den Knochenaufbau.
Patienten-spezifische Implantate
Die größte Herausforderung für das Entwickler-Team von IFAM und Uni Bremen war, eine maximale Festigkeit des Materials zu erreichen, da Keramiken brechen können. Mit Hilfe der Spritzgusstechnik gießen die Forscher Hydroxylapatit-Pulver in Schragel-Formen und erhitzen es.
Ohne Lufteinflüsse ergeben sich so optimal dichte Bauteile. Gerade für die Serienfertigung ist dieses Verfahren sehr günstig und lässt ein flexibles Design zu. Das Hydroxylapatit-Pulver kann aber auch im Zusammenhang mit 3D-Druckern eingesetzt werden. So lassen sich Patienten-spezifische Implantate erstellen.
Sebastian Hein rechnet damit, dass der Schragel bald bei Operationen eingesetzt wird, denn Calciumphosphat wurde bereits auf seine Biokompatibilität getestet und ist schon seit einigen Jahren als medizinischer Werkstoff in Gebrauch. Hinzu kommt, dass die Ärzte bei Operationen an Schafen die Schragel viel schneller und exakter einhämmern konnten als Standardschrauben. »Ein Effekt mit dem wir gar nicht gerechnet hatten«, sagt Dr. Hein. Die Operationszeit verkürzt sich dadurch und der Patient muss weniger lang unter Narkose bleiben.
Vom 14. bis 17. November präsentieren die Forscher den Schragel auf der Messe MEDICA in Düsseldorf am Stand von Fraunhofer-IFAM (Halle 10, Stand G05).
https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2016/oktober/schrauben–…
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Messenachrichten
Neueste Beiträge
Selen-Proteine …
Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…
Pendler-Bike der Zukunft
– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…
Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung
Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…