Neue Erkenntnisse zum "künstlichen Schlaf"
Sie soll den Organismus möglichst wenig belasten, andererseits aber dafür sorgen, dass der Patient keine Schmerzen verspürt und von der Operation nichts mitbekommt: Eine gelungene Narkose ist immer auch eine Gratwanderung für den Anästhesisten, insbesondere da ihre Mechanismen bis heute nicht komplett verstanden sind. Vom 28. bis zum 30. Juni diskutieren in Bonn international führende Anästhesie-Experten über neue Erkenntnisse zum „künstlichen Schlaf“. Tagungsort ist das Gustav-Stresemann-Institut am Langen Grabenweg 68.
Die Wissenschaftler wollen verstehen, wie Narkosemittel auf molekularer und zellulärer Ebene sowie auf Netzwerke von Neuronen wirken und wie sie unterschiedliche Reaktionen im menschlichen Organismus hervorrufen können. So nimmt man heute an, dass die Medikamente die Funktion bestimmter Eiweiße im Gehirn beeinflussen, die das Bewusstsein und die Schmerzempfindung verarbeiten. Dass dabei nur wenige sogenannte „Anästhesie-Schalter“ wie zum Beispiel Rezeptoren für die Gamma-Aminobuttersäure eine wesentliche Rolle spielen, ist umstritten. Viele Wissenschaftler glauben heute stattdessen, dass noch eine ganze Reihe weiterer Schlüsseleiweiße im Gehirn existieren, deren Wirkung durch die Narkosemittel verändert wird.
Seit der ersten Äthernarkose 1846 in Boston hat die Anästhesie enorme Fortschritte gemacht. Wurde der Patient früher ausschließlich mit gasförmigen Narkotika in den Tiefschlaf versetzt, setzt der Anästhesist heute einen fein abgestimmten Mix von Anästhesiegasen und verschiedenen intravenös gespritzten Medikamenten ein, um Nebenwirkungen und andere Belastungen für den Körper möglichst gering zu halten. Mit Erfolg, denn das Anästhesierisiko ist heutzutage statistisch kaum mehr nachweisbar: Weniger als einer von 250.000 Patienten stirbt bei einer Narkose.
Die Anästhesietiefe ist bis heute immer noch nicht verlässlich direkt messbar. In der Vergangenheit konnte es daher vorkommen, dass Patienten während der Operation erwachten oder ihr Schmerzempfinden zurückkehrte. Selbst der erfahrene Anästhesist kann von solchen Situationen überrascht werden, denn nicht immer kommt es zum Beispiel zu einem Warnzeichen wie einem plötzlichen Blutdruckanstieg, auf den er mit weiterer Medikamentengabe reagieren kann. Ein besseres Verständnis der Mechanismen könnte aber dazu beitragen, diese Zwischenfälle gänzlich zu verhindern. Informationen zum Tagungsprogramm finden sich im Internet unter http://mac2001.uni-bonn.de/
Ansprechpartner für Redaktionen: Prof. Dr. Bernd W. Urban, Klinik für Anästhesiologie an der Universität Bonn, Tel.: 0228/287-6703, Fax: 0228/287-5157, E-Mail: bwurban@uni-bonn.de
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