Tiefer Blick ins Fliegenhirn
Wer schon einmal versucht hat, eine Stubenfliege zu fangen, weiß, wie schwer es einem die lästigen Insekten machen können: Sobald sie die Hand nahen sehen, reagieren sie mit einer blitzschnellen Ausweichbewegung – der Mensch zieht da meist den kürzeren. Doch wie schafft es das winzige Fliegenhirn, die Informationen, die das Auge liefert, so rasend schnell zu verarbeiten? Um Fragen wie diese dreht sich der internationale Neuroethologie-Kongress vom 29. Juli bis zum 3. August im Hauptgebäude der Universität Bonn. Die Forscher diskutieren dabei unter anderem auch den Einfluss der Gene auf das menschliche Verhalten.
Die alte Frage, ob menschliches Verhalten angeboren oder erlernt ist, beantworten die Wissenschaftler heute mit einem entschiedenen sowohl – als auch. „Die Gene geben nur die Grundregeln vor“, erklärt der Bonner Neurobiologe Prof. Dr. Horst Bleckmann. „Wie wir in bestimmten Situationen genau reagieren, wird innerhalb dieses genetisch festgelegten Rahmens von den individuellen Erfahrungen mitbestimmt.“ Besonders anschaulich wird das Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt am Beispiel der Singvögel, das auch auf dem Kongress diskutiert wird. Eine Grundkenntnis ihres arteigenen Gesangs ist in den Erbanlagen der Vögel verankert. Singvögel, die ohne Artgenossen isoliert aufgezogen werden, singen aber anders als ihre Verwandten in der freien Natur. Und auch die singen nicht alle gleich; vielmehr gibt es – wie beim Menschen – eine Vielzahl regionaler Dialekte, die dem Kenner sogar den ungefähren Geburtsort eines Tieres verraten. „Die konkrete Ausbildung des Gesangs ist nicht angeboren, sondern erfolgt durch Imitation der Eltern“, betont Bleckmann. Jüngste Forschungen auf diesem Gebiet haben übrigens erstaunliche Parallelen zum Spracherwerb bei Kindern aufgezeigt.
Dass auch Fische ausgefeilte Methoden der Kommunikation nutzen, ist dem Laien weniger bekannt. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel diskutieren die Neuroethologen in Bonn: die Fähigkeit schwachelektrischer Fische, sich mittels selbst erzeugter elektrischer Felder zu verständigen – eine Begabung, die im Laufe der Evolution unabhängig voneinander bei verschiedenen Fischarten entstanden ist. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Verarbeitung von Bildern und Gerüchen.
Zum Kongress, der alle drei Jahre stattfindet, haben sich mehr als 550 Wissenschaftler aus 26 Ländern angemeldet. Neben aktuellen Ergebnissen werden die Neuroethologen auch neue Versuchstechniken und Forschungsansätze vorstellen und diskutieren. Das vollständige Programm findet sich im Internet unter http://www.zoologie.uni-bonn.de/ICN2001/.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Horst Bleckmann, Institut für Zoologie der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-5453, Fax: 0228/73-5458, E-Mail: bleckmann@uni-bonn.de
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