Ausstellungseröffnung in Kaliningrad – die Rettung der legendären Prussia-Sammlung

Die erste Prussia-Ausstellung
Am 20. Dezember 2001 wird die erste bedeutende Prussia-Ausstellung seit 1945 in Kaliningrad präsentiert*- ein Datum von großem Interesse für die europäische Archäologie. Das Museum für Geschichte und Kunst im ehemaligen Königsberg hat diese erst kürzlich wiederentdeckte Sammlung erschließen können. Fachlich wurde das Museum durch das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum für Archäologie unterstützt, die finanzielle Unterstützung leistete die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

Die Besonderheiten des Prussia-Projektes
Die Sicherung dieser bedeutenden europäischen archäologischen Sammlung gelang durch die Kooperation zwischen deutscher und russischer Archäologie. Dabei stand alleine die Rettung des gemeinsamen Kulturgutes im Mittelpunkt, nicht die Frage, wessen Eigentum es ist.

Dieses Projekt belegt, dass es möglich ist, die russische Wissenschaft in die europäische zu integrieren: Nach über 40 Jahren Isolation der Kaliningrader Archäologie ist diese nunmehr Teil der europäischen geworden.

Als unabhängige Einrichtung konnte die ZEIT-Stiftung bei ihrer Förderung flexibler handeln als es staatsnahe Organisationen, Stiftungen oder gar die Politik kann.

Zur Geschichte der Prussia-Sammlung
Die Prussia-Sammlung (ab späte Steinzeit, ca. 3000 v. Chr.) wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst durch eine Laien-Archäologengruppe aus Königsberg zusammengetragen. Die Mitglieder der 1844 gegründeten „Altertumsgesellschaft Prussia“ wollten die archäologischen Quellen ihrer Vorfahren dokumentieren und damit zugleich ein Stück europäische Kulturgeschichte sichern. Aus dieser „Hobby-Archäologiesammlung“ wurde bald eine der berühmtesten in Europa: Sie umfasste 1945 rund 450.000 Gegenstände, darunter Waffen, Gebrauchsgegenstände und Schmuck, untergebracht im Königsberger Schloss.

Seit Mitte 1944 war absehbar, dass Ostpreußen dem Widerstand der Roten Armee nicht würde standhalten können. Man begann, die Prussia-Archäologiesammlung in den Westen zu bringen. Die großen Archivalienbestände sowie die Sammlungs-Studien gelangten nach Berlin (heute Museum für Vor- und Frühgeschichte) und Olsztyn (Polen). Mit dem Abtransport des bedeutendsten Sammlungs-Teiles, der im Schloss ausgestellten Schausammlung, begann man allerdings erst Anfang 1945, als schon der Kanonendonner vernehmbar war.

Ein gutes Dutzend Kisten mit den Gegenständen der Schausammlung wurde verpackt und Richtung Westen gebracht. Heute wissen wir, dass der Transport nur bis zum Stadtrand von Königsberg kam.

Man versteckte die Kisten in der nach dem deutschen Kaiser Friedrich III. benannten Befestigungsanlage („Fort III“). Diese Befestigungsanlage, Teil des gewaltigen Festungsringes um Königsberg, wurde in den Nachkriegsjahrzehnten von der Roten Armee und später von den russischen Streitkräften militärisch genutzt und erst im Sommer 1999 geräumt. Archäologen aus der Oblast Kaliningradskaya, die heute im Museum für Geschichte und Kunst beschäftigt sind, unternahmen stichartige Proben im Fort III. Sie förderten bemerkenswerte Funde zu Tage: Reste der legendären Prussia-Sammlung, darunter Bronze-Fibeln, Porzellan, Schwertspitzen und Steinwerkzeuge – insgesamt rund 16.000 Gegenstände, später nochmals 8.000 Gegenstände.

Die Funde wurden in die Archäologische Abteilung des Museums für Geschichte und Kunst Kaliningrad verbracht. Schnell wurde deutlich, dass die finanziellen Mittel und das Know-how des Museums nicht ausreichten, um diese gewaltigen Bestände zu restaurieren und archivarisch zu dokumentieren.

Die ZEIT-Stiftung führte Gespräche mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums für Archäologie in Schleswig, Herrn Professor Dr. von Carnap-Bornheim. Im August 2000 kam es zu einer Kooperation mit dem Museum für Geschichte und Kunst in Kaliningrad, um die berühmte Sammlung zu retten. Nach anfänglichem Zögern der russischen Seite entwickelte sich sehr schnell ein gutes Vertrauensverhältnis. Noch im Oktober 2000 wurde ein „Vertrag über die Einrichtung einer Prussia-Arbeitsstelle“ geschlossen, schon im Dezember 2000 kamen drei russische Archäologen (Anatolij Walujew, Konstantin Skworzow und Eugenij Kalaschnikow) nach Deutschland. Sie wurden auf Schloss Gottorf unter Leitung von Professor von Carnap-Bornheim speziell geschult und mit den modernsten Restaurierungsmethoden in der Archäologie vertraut gemacht. Anschließend sahen sie in Berlin die dort verwahrten Archivalien und Studiensammlungsbestände der Prussia-Sammlung.

Zurück in Kaliningrad, begannen die drei Archäologen noch im Dezember 2000 mit der Restaurierung der Prussia-Sammlung. Im Sommer 2001 hat es eine weitere Grabung im Fort III gegeben – mit der Entdeckung von rund 2.000 Gegenständen. Weitere Grabungen werden in den folgenden Jahren folgen.

Für das Prussia-Restaurierungsprojekt ist eine Laufzeit von zwei Jahren angesetzt. Das Projekt soll neben der Sicherung wertvollen Kulturgutes einen Beitrag zur Integration der Kaliningrader Archäologie in die europäische darstellen. Projektleiter Anatolij Walujew ist inzwischen regelmäßiger Gast bei Symposien und Tagungen in Deutschland und Polen. Eine polnische Delegation von Archäologen war im Sommer diesen Jahres zum ersten Mal nach 1941 im nördlichen Ostpreußen zu Besuch. Im Jahr 2002 sollen darüber hinaus deutsche Studenten aus Kiel an Grabungen mit russischen Kollegen in der Oblast Kaliningradskaya teilnehmen.

Das Projekt wird von einem Beirat begleitet. Ihm gehören an: Professor von Carnap-Bornheim (Schleswig), Professor Wojciech Nowakowski (Warschau), Anatolij Walujew, Konstantin Skworzow (beide Kaliningrad) und Dr. Philipp Adlung (Hamburg).

Die ZEIT-Stiftung hat das Projekt bislang mit DM 120.000 unterstützt.

Gerne übermitteln wir Ihnen Abbildungen der Ausstellungsgegenstände, bitte wenden Sie sich an Frauke Hamann, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Feldbrunnenstr. 56, 20148 Hamburg, Tel.: 040/41 33 68 71, Fax: 040/41 33 69 00, E-Mail: Hamann@zeit-stiftung.de.
Als Ansprechpartner vor Ort steht Ihnen Thoralf Plath
unter Tel. 0175/202 01 73 zur Verfügung.

* Die Eröffnung findet am 20. Dezember 2001 um 16 Uhr im Kaliningrader Museum für Geschichte und Kunst, Ul. Klinitscheskaja 21, statt. Sie läuft bis 31. Mai 2002, die Öffnungszeiten: tgl. 10.00 bis 18.00 Uhr, außer Mo.

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Wiebke Deneke idw

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