Internationaler Psychosomatik-Kongress in Marburg
Termin und Ort: 21. bis 24. Februar 2002, Philipps-Universität Marburg, Aula der Alten Universität, Lahntor 3
Psychosomatische Beschwerden sind eine Herausforderung in allen Bereichen der Medizin. Die Philipps-Universität Marburg veranstaltet aus diesem Grund im Rahmen ihrer 475-Jahr-Feier einen Kongress, der sich vor allem „unklaren“ körperlichen Beschwerden widmet. Somatoforme Störungen, Fibromyalgie, Chronic Fatigue-Syndrom oder Reizdarm sind nur einige Beispiele, unter welchen Namen psychosomatische Beschwerden in den verschiedenen Arztpraxen auftauchen. Auf dem internationalen Kongress in Marburg vom 21. bis 24. Februar sollen deshalb nicht nur Wissenschaftler zu Wort kommen, sondern es sollen auch neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten für Praktiker herausgestellt werden.
Die Veranstaltung in der Aula der Alten Universität steht unter der Schirmherrschaft des Weltpsychiatrieverbandes WPA. Dessen Präsident, Professor Okasha aus Ägypten, wird neben einer Einführung auch die internationale Perspektive der so genannten „somatoformen Störungen“ darstellen. In mehreren Referaten wird auf die besondere Situation von psychosomatischen Patienten in der allgemeinärztlichen Versorgung eingegangen, und es werden neue, kostengünstige Verfahren vorgestellt, die auch im Rahmen der Primärversorgung umzusetzen sind. Dies ist nicht zuletzt deswegen besonders wichtig, da viele Hausärzte sich im Umgang mit psychosomatischen Patienten wenig ausgebildet empfinden.
In verschiedenen Vorträgen werden weitere neue diagnostische und therapeutische Wege im Umgang mit Patienten mit psychosomatischen Beschwerden aufgezeigt und deren wissenschaftliche Effektivität dargestellt. Um nicht nur kurze Zusammenfassungen über neue Möglichkeiten zu erhalten, sondern das praktische Vorgehen auch ausführlich vorgestellt zu bekommen, gibt es die Möglichkeit, an „Praktiker-Workshops“ teilzunehmen. Internationale Experten stellen in vierstündigen Workshops dar, welches Vorgehen sie bei dieser Patientengruppe empfehlen. Diese Workshops werden in englischer und deutscher Sprache angeboten.
In verschiedenen Arbeiten zu Behandlungsmethoden kann aufgezeigt werden, dass es zwischenzeitlich wissenschaftliche geprüfte und erfolgreiche Verfahren gibt. Unabhängig voneinander haben Wissenschaftler in Boston sowie in London und in Deutschland die Wirksamkeit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Verfahren bestätigen können. Aber auch über psychodynamische Verfahren wird anlässlich des Kongresses berichtet. Für die Psychopharmakotherapie liegen derzeit nur wenig kontrollierte Studien bei den entsprechenden Krankheitsbildern vor, so dass für die Zukunft zu hoffen ist, dass auch in diesem Bereich Hilfen für Betroffene zur Verfügung gestellt werden.
Ärzte und Psychologen von allen Kontinenten haben ihre Teilnahme zugesagt. Dadurch ist es möglich, die kulturabhängige Erscheinungsform psychosomatischer Beschwerden z. B. in Indien, Nigeria, China oder westlichen Kulturen miteinander zu vergleichen. Anhand von praktischen Fallbeispielen soll aufgezeigt werden, wie in den unterschiedlichen Gesundheitssystemen mit diesem Erkrankungsbild umgegangen wird. Bei den kulturvergleichenden Studien wurde festgestellt, dass psychosomatische Beschwerden überall auf der Welt vorkommen. So berichten z. B. die Referenten aus Afrika, Asien und Amerika vom häufigen Auftreten unklarer Bauchschmerzen und orthopädischer Beschwerden. Während die Gesamthäufigkeit psychosomatischer Beschwerden wenig unterschiedlich ist, ergeben sich jedoch Besonderheiten bei einzelnen Symptomen. So berichten die Wissenschaftler aus Indien von spezifischen sexuell-getönten Symptomen bei Männern, die in Deutschland unbekannt sind. In Japan ist demgegenüber eine starke Angst vor zu ausgeprägtem Körpergeruch ein häufiges Symptom, welches Menschen zum Arzt führt.
Vielen Psychosomatik-Patienten wird dadurch Unrecht getan, dass ihnen ihre Beschwerden nicht geglaubt werden und alles als eingebildet abgetan wird. Demgegenüber kann belegt werden, dass auch psychosomatische Beschwerden eine körperliche Komponente haben. Bei funktionellen Magen-Darmbeschwerden ist z. B. oftmals die Aktivierung des Darms verändert. Bei anderen Krankheitsbildern zeigen sich immunologische Besonderheiten sowie auffällige Konzentrationen bestimmter Neurotransmitter. Diese biologischen Komponenten von psychosomatischen Beschwerden werden oftmals durch psychologische Merkmale (z. B. erhöhte Selbstbeobachtung, körperliche Schonung) noch verstärkt.
Der Kongress in Marburg verspricht somit zu einem außergewöhnlichen Ereignis im Bereich Psychosomatik in Deutschland zu werden. Zur Teilnahme können sich alle interessierten Ärzte, Psychologen und sonstige Mitarbeiter im Gesundheitswesen anmelden.
Kontakt:
Prof. Dr. Winfried Rief, Fachbereich Psychologie, Philipps-Universität Marburg, Gutenbergstr. 18, 35032 Marburg, Tel.: 06421 / 282 3657, E-Mail: info@somatoform.com.
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