Deutsche Ionentriebwerke sollen ESA-Satelliten "Artemis" retten

Die Entwicklung begann vor 40 Jahren im I. Physikalischen Institut der Universität Gießen – Pressegespräch und Pressepräsentation am Mittwoch, 27. Februar 2002, um 11 Uhr

Ionentriebwerke, die seit 1962 am I. Physikalischen Institut (Abteilung von Prof. Dr. Horst Löb) der Justus-Liebig-Universität Gießen entwickelt und von der Firma Astrium (früher MBB bzw. Dasa) in Ottobrunn gebaut und qualifiziert werden, sollen jetzt den 700 Millionen Euro teuren ESA-Satelliten „Artemis“ in seine Sollbahn bringen. Zu einem Pressegespräch mit Pressepräsentation am Mittwoch, den 27. Februar 2002, um 11.00 Uhr im I. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (Heinrich-Buff-Ring 16, 4. Stock, Abteilung von Prof. Dr. Karl-Heinz Schartner) laden wir Sie recht herzlich ein. Besichtigt werden können:
· der große Gießener Vakuumprüfstand
· das neue Triebwerk RIT XT der Firma Astrium im Betrieb
· Hardware-Modelle verschiedener Triebwerke, u.a. das RITA 10.

Am 12. Juli 2001 wurde in Kouru der 3,1 Tonnen schwere ESA-Satellit „Artemis“ von einer Ariane 5-Rakete gestartet. Der laut ESA „most advanced telecommunication satellite yet developed by ESA“ soll u.a. eine Laserverbindung zum französischen Umweltsatelliten „Spot 4“ herstellen. Artemis kostete rund 700 Mio EUR und wurde nicht versichert. Durch einen Fehler in der Ariane 5-Oberstufe „strandete“ Artemis in einer 31.000 km hohen Kreisbahn. Damit fehlen noch 5000 km bis zur geostationären 24-Stunden-Bahn.

Glücklicherweise befinden sich an Bord von Artemis kleine Ionentriebwerke. Sie waren ursprünglich nur zur Bahnkontrolle vorgesehen, d.h. zur Kompensation der solaren und lunaren Störkräfte. Die ESA hat nun entschieden, diese Ionentriebwerke – weltweit erstmalig – zunächst zum Anheben des Satelliten in die Sollbahn zu benutzen. Dies erfolgt auf einer Spiralbahn, die sich täglich um ca. 25 km aufweitet, so dass das gesamte Manöver rund 200 Tage beanspruchen wird.

Der große Vorteil der Ionentriebwerke: Ihre im Vergleich zu chemischen Aggregaten mehr als zehnmal höheren Strahlgeschwindigkeiten führen zu einer entsprechenden Treibstoffersparnis. Mit weniger als 20 kg Xenon-Treibstoff kann der tonnenschwere Satellit 5000 km angehoben werden. Die eigentliche Schubphase begann am 19. Februar 2002 mit dem Einschalten zweier deutscher „RITA-Ionentriebwerke“. Die Radiofrequenz-Ionentriebwerke der Typenreihe RIT wurden seit 1962 am I. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen in der Abteilung von Prof. Dr. Horst Löb konzipiert, optimiert und zum Labor-Prototypen entwickelt. Der Treibstoff Xenon wird in ihnen durch eine elektrodenlose Hochfrequenz-Entladung ionisiert – so dass Elektrodenprobleme wie bei den konkurrierenden „Kaufman-Triebwerken“ gar nicht auftreten können – und dann durch drei vielfach gelochte Hochspannungselektroden auf 35 km/s beschleunigt. Seit 1970 befasst sich die Firma Astrium (früher MBB bzw. Dasa) in Ottobrunn mit der Industrialisierung der RIT-Aggregate. Sie baut die kompletten Flugeinheiten und qualifiziert sie. Die Funktionstests werden im großen Gießener Hochvakuum-Prüfstand (er simuliert 30 m3 „Weltraum“) durchgeführt, wobei sich die Kooperation zwischen Universität und Industrie hervorragend bewährt.

Im Jahr 1992 wurde ein Astrium-Triebwerk „RITA 10“, wie es jetzt auf Artemis zum Einsatz kommt, an Bord des Satelliten EURECA weltraumgetestet. Zur Zeit wird ein weiteres Aggregat der Firma in einem Prüfstand des Europäischen Technologiezentrums ESTEC in Noordwijk (NL) auf seine Lebensdauer getestet. Es läuft bereits problemlos seit 17.200 Stunden und nähert sich dem „Weltrekord“ der NASA. Ferner betreiben Astrium-Ingenieure und Mitarbeiter des I. Physikalischen Instituts gerade in Gießen ein 13,5mal schubstärkeres Aggregat RIT-XT. Mit diesem hätte man beispielsweise die Artemis-Aufspiralmission in zwei Wochen durchführen können. Die Forschungsarbeiten am I. Physikalischen Institut (inzwischen in der Abteilung von Prof. Dr. Karl-Heinz Schartner) konzentrieren sich zur Zeit auf Strahldiagnostik, Komponentenoptimierungen und Modellrechnungen.

Kontaktadresse:

Prof. i.R. Dr. Horst Löb
Prof. Dr. Karl-Heinz Schartner
I. Physikalisches Institut
Heinrich-Buff-Ring 16
35392 Gießen
Tel.: 0641/99-33130, 99-33131 und 99-33140
Fax: 0641/99-139
E-Mail: Karl-Heinz.Schartner@exp1.physik.uni-giessen.de

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Christel Lauterbach idw

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