Molekularbiologische Strategien in der Pflanzenschutzmittelforschung
Arbeitskreis Phytopharmakologie tagt am 25. und 26. Februar 2003 im IFZ für Umweltsicherung an der Universität Gießen
Die 23. Tagung des Arbeitskreises Phytopharmakologie der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft e. V zum Thema „Molekularbiologische Strategien in der Pflanzenschutzmittelforschung“ findet am 25. und 26. Februar 2003 im Interdisziplinären Forschungszentrum für Umweltsicherung (IFZ) der Justus-Liebig-Universität Gießen statt. Zu der Tagung, die traditionell ein nationales Forum für Hochschul- und Industrieforschung im Bereich von grüner Biotechnologie und chemischem Pflanzenschutz bietet, werden etwa 80 Teilnehmer aus Wissenschaft und Industrie erwartet. Der Arbeitskreis bietet besonders auch für Studierende und Nachwuchswissenschaftler eine gute Gelegenheit, Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern aus Industrie und Hochschule zu knüpfen. Die Tagung des Arbeitskreises wird organisiert das im IFZ für Umweltsicherung angesiedelte Institut für Phytopatholgie und Angewandte Zoologie (Abteilung Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz). Verantwortlicher Wissenschaftler ist Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel.
In diesem Jahr werden vier Schwerpunktthemen in wissenschaftlichen Vorträgen und Diskussionsforen behandelt: Biochemische Wirkungsmechanismen von neuen Pflanzenschutzmitteln, neue molekulare Zielmoleküle, so genannte Targets für wirksame Mittel, der Einsatz verbesserter Nachweisverfahren und die Optimierung der Anwendungstechniken für chemische Wirkstoffe.
Ein besonderes Diskussionsthema bietet sich diesmal im Bereich der Risikoabschätzung bei der Einführung einer neuen Generation von genetisch veränderten Pflanzen mit verbesserten agronomischen Eigenschaften an. Neben der Neuentwicklung verbesserter chemischer Pflanzenschutzmittel wird nach Auffassung der Wissenschaftler zukünftig die Gentechnik einen wichtigen Beitrag zur Sicherung von Ertrag und Qualität von Nahrungsmitteln liefern.
Die Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft (DPG) hat in diesem Jahr ganz bewusst den Standort Gießen für ihre Tagung ausgewählt, da zum einen die interdisziplinäre Forschung im Gießener IFZ für Umweltsicherung heute beispielgebend für eine moderne umweltorientierte Forschung im Bereich von Agrar- und Ernährungswissenschaften ist. Zum Anderen ist diese Tagung auch eine Art Auftakt für die zahlreichen Veranstaltungen an der Universität Gießen im Rahmen des Liebig-Semesters 2003.
Ein modern ausgerichteter Pflanzenschutz ist ein zentrales Element zur Verbesserung der Welternährungssituation: Trotz reduzierter Wachstumsraten steigt die Weltbevölkerung weiter – und das um etwa 200.000 Menschen pro Tag. Legt man die aktuellen Wachstumsraten zugrunde, so werden im Jahr 2015 über 7 Mrd. Menschen und im Jahr 2050 etwa 9,5 Mrd. Menschen auf der Erde leben (http://www.worldbank.org). Der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt also weiter an, und die Sicherung und qualitative Verbesserung von Ernteerträgen ist eines der zentralen Ziele bei der Bekämpfung des Welthungers. Die weltweite Produktion der nach Ansicht der Welternährungsorganisation FAO wichtigsten Nahrungsquelle, dem Getreide, ist von 1965 bis 1989 jährlich um 1,5 % gewachsen. Im Jahr 1999 betrug die gesamte Produktion etwa 1,9 Mrd. t davon 585 Mill. t Weizen und 259 Mill. t Gerste. Schätzungen der FAO zufolge wird der Bedarf von Getreide bis zum Jahr 2020 um etwa 30% steigen.
Die Produktion von Getreide, wie auch die aller anderen Kulturpflanzen, ist weltweit bedroht durch biotische und abiotische Schadfaktoren. Eine grobe Schätzung der weltweiten jährlichen Verluste durch virale, bakterielle und pilzliche Erkrankungen oder auch durch Unkräuter geht von einer Größenordnung von 30 % bezogen auf eine „ungestörte“ Produktion unter optimalen Bedingungen aus. Die Verluste durch ungünstiges Klima, wie z. B. Trockenheit und Hitze, sowie reduzierte Bodenqualitäten durch Versalzung und Verlust von Mikronährstoffen liegt in der gleichen Größenordnung. Besonders wichtig erscheint die Erkenntnis, dass die jährlichen Verlustraten trotz einer deutlichen weltweiten Intensivierung, die insbesondere gekennzeichnet ist durch einen verstärkten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, steigen statt sinken und die Effekte der Intensivierung auf globale Veränderungen von Klima, Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit ebenfalls zunehmen. Diese allseits anerkannte Situation macht die Erwartungen an die Wissenschaft deutlich: neue Produktionsstrategien zu entwickeln, die einerseits gekennzeichnet sein müssen durch eine hohe Verlässlichkeit (Produktionssicherheit) und die andererseits ökologisch verträglich und im Grundsatz auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung angelegt sind.
Ein Schlüssel zur grundlegenden Verbesserung von Produktionsstrategien ist neben der Fortentwicklung der Gentechnik, die Bereitstellung neuer hoch wirksamer Wirkstoffe mit hoher Umweltverträglichkeit. Aufgrund des wissenschaftlichen Forschrittes im Bereich von Molekular- und Zellbiologie sowie der chemischen Wirkstoffanalyse werden heute neue Wege im Pflanzenschutz eröffnet. Die Erkenntnisse können unter agronomischen Gesichtspunkten in zwei Richtungen genutzt werden: einerseits zur Entwicklung von Pflanzen mit verbesserter Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und andererseits zur Identifizierung von Targets für neue Wirkstoffe, wie Pflanzenschutzmittel und Resistenzinduktoren.
Die Wissenschaftler sind sich einig, dass verstärkte Forschungen im Bereich der chemischen Pflanzenschutzmittel dringend notwendig sind, nicht nur wegen der sich abzeichnenden immens verstärkten Nahrungsmittelknappheit in den so genannten Entwicklungsländern. Große Sorgen bereiten auch die zunehmenden Probleme im Bereich der Nahrungsmittelqualität und -sicherheit in den Industriestaaten. Ein Beispiel dafür ist die Verunreinigung von Grundnahrungsmitteln, wie Getreideprodukten mit mikrobiellen Giften, den sogenannten Mykotoxinen. Aufgrund der Einführung kostensparender Maßnahmen im modernen Ackerbau nimmt weltweit gesehen die Verseuchung von Grundnahrungsprodukten aus Getreide durch pilzliche Gifte drastisch zu. Diese Gifte, die Mykotoxine, werden von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet. Die Schimmelpilze breiten sich an der Ähre aus; die dort gebildeten Gifte gelangen bei der Verfütterung von Getreide ins Tier und über das Mehl auch in Lebensmittel. Die Toxizität dieser pilzlichen Produkte ist vergleichbar oder sogar höher als die von Quecksilberverbindungen. Mykotoxine, wie das Deoxynivalenol beispielsweise wirken immun-supppressiv, d.h. sie schwächen die Abwehrkräfte und so entsteht eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten. Die letale Dosis liegt bei LD50: ~50 mg/kg. Beunruhigend ist vor allem, dass die von Fachleuten und der EU empfohlenen täglich tolerierbaren Höchstdosen vor allem im Bereich der Kleinkinderernährung sehr häufig überschritten werden.
Leider gibt es heute kein sicher wirkendes chemisches Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung der Mykotoxin-produzierenden Schimmelpilze. Allerdings besteht die große Hoffnung auf neue hochwirksame Produkte in naher Zukunft. Auf der diesjährigen Tagung sind auch wissenschaftliche Beiträge zu dieser positiven Entwicklung zu erwartet.
Kontakt:
Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel
Institut für Phytopatholgie und Angewandte Zoologie
IFZ für Umweltsicherung
Heinrich-Buff-Ring 26-32
Tel.: 0641/99-37490
Fax: 0641/99-37499
E-Mail: Karl-Heinz.Kogel@agar.uni-giessen.de
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